„Schreiben Sie Coburg gefälligst mit K!“

Lesezeit 5 Minuten
Das Straßenschild hat auch schon bessere Zeiten erlebt.

Das Straßenschild hat auch schon bessere Zeiten erlebt.

Ernst Winter ist 93 Jahre alt, er ging in Köln zur Schule. 1933 legte er das Abitur auf dem Gymnasium Kreuzgasse ab. Heute lebt er in Schleiden. Seine Großeltern stammen aus Coburg, „der fränkischen Perle“ am Südhang des Thüringer Waldes, einer Stadt, an der ebenfalls sein Herz hängt - weil er dort seine Kindheit verbracht hat. Aus Liebe zu Köln und Coburg hat Winter im Sommer dieses Jahres den Kölner Oberbürgermeister auf einen Umstand hingewiesen, der ihn bis heute ärgert: „In Köln sind eine Straße und ein Platz nach einer Stadt benannt, die es so nicht gibt.“

Gemeint sind die Koburger Straße und der Koburger Platz in Höhenberg. Benannt sind beide nach „der fränkischen Perle“, die sich aber mit C schreibt. Und weltberühmt ist durch sein früheres Herrschergeschlecht, die Herzöge von Sachsen-Coburg und Gotha, deren letzter Regent, Herzog Carl Richard, der 1918 leider abdanken musste. Im 19. Jahrhundert hat sich diese Familie mit fast allen europäischen Königshäusern gekreuzt - im dynastischen Sinne sind der belgische König und die britische Queen offiziell Sachsen-Coburg-Gothaer; dass die englische Königsfamilie den schönen urdeutschen Namen nicht mehr trägt, liegt daran, dass Elizabeths Großvater, König Georg V., ihn im Lauf des Ersten Weltkriegs ablegte und durch „Windsor“ ersetzte.

Wie kam es aber dazu, dass man in Köln das C im Namen Coburg ignorierte und selbstherrlich durch ein K ersetzt hat? Es hat einiges mit dem jahrzehntelangen Streit um die richtige Schreibweise des eigenen Stadtnamens zu tun. Im 19. Jahrhundert war ein regelrechter orthographischer Glaubenskrieg ausgebrochen - Auslöser war die Frage: Schreibt man Köln mit K oder C? Die Kölner selbst schrieben sich seit dem Ende der Franzosenzeit mit K, schon um sich vom welschen „Cologne“ abzusetzen, wie die Stadt von 1801 bis 1814 hieß. Bei der preußischen Post hatte man sich indessen frühzeitig auf „Cöln“ festgelegt - mit Blick auf das lateinische Wort „colonia“, Bestandteil des zungenbrecherischen römischen Stadtnamens Colonia Claudia Ara Agrippinensium, der sich verkürzt in „Cöllen“, „Cölle“, „Kölln“ und anderen Verballhornungen erhalten hatte.

Am 30. Oktober des Jahres 1900 war aber ein Erlass des preußischen Innenministers publiziert worden, in dem es hieß, dass Köln im amtlichen Schriftverkehr fortan „ausschließlich“ mit C zu schreiben sei - was in der Stadt einen Sturm der Entrüstung hervorrief. Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung ging man bis vors Oberlandesgericht, um das geliebte K zu retten. Im Verlauf des Prozesses wurde allerdings bekannt, dass Kaiser Wilhelm II. als preußischer König die Schreibweise mit dem hohen C höchstpersönlich durchgesetzt habe - das OLG wies die Kölner Klage ab, die Festlegung von Ortsnamen, so die Begründung, sei allein Sache des Landesherrn. Während die Behörden kuschten, schrieben die Kölner ihre Stadt trotzig weiter mit K. Auch die vom Verlag M. DuMont Schauberg herausgegebene „Kölnische Zeitung“ änderte ihren Namen keineswegs. Und als Wilhelm II., der C-Liebhaber, wie sein Coburger Cousin Carl Richard im November 1918 gestürzt wurde und sich nach Holland absetzte, nutzten die Kölner das revolutionäre Chaos in Berlin - das städtische Nachrichtenamt teilte am 1. Februar 1919 in gebotener Kürze mit: „Der Städtename Köln wird von jetzt an im Bereich der städtischen Verwaltung wieder mit K geschrieben.“ Von der neuen - republikanischen - Regierung Preußens kam zu keiner Zeit irgendein Einspruch. Drei Jahre später aber - und nun kommen wir wieder zu Coburg - begann man in Höhenberg, nördlich der Olpener Straße, mit dem Bau der Siedlung „Germania“. Deren Straßen sollten natürlich deutsche Namen erhalten - mit Bezug auf die Pfarrei St. Elisabeth, benannt nach der heiligen Landgräfin von Thüringen, gab man den Straßen und Plätzen Namen thüringischer Städte: Erfurter Straße, Weimarer Straße und eben auch Koburger Platz und Koburger Straße.

Dabei machten die Kölner Behörden gleich zwei gewichtige Fehler: Zum einen hatten sie übersehen, dass eine große Mehrheit der Coburger im Jahre 1919 gegen einen Zusammenschluss ihres Freistaates mit dem neuzubildendem Land Thüringen votiert und sich für den Anschluss an Bayern ausgesprochen hatte - zum anderen war ihnen offensichtlich entgangen, dass ein Präsidialerlass der Regierung Oberfrankens vom 30. Oktober 1920 die richtige Schreibweise Coburgs festgelegt hatte, mit C nämlich.

Irgendwann wurde dieser konsonantische Dissens wohl zum Politikum - Ernst Winter erinnert sich, dass in den 20er Jahren in Köln verbreitet wurde, die Stadt Coburg habe die Kölner Stadtverwaltung auf die falsche Schreibweise ihres Namens in der Siedlung „Germania“ hingewiesen. Im Gegenzug sollen Kölns Stadtväter die Coburger Kollegen allerdings aufgefordert haben, sich am Kölner Beispiel zu orientieren und ihre Stadt endlich umzubenennen - „schreiben Sie Coburg gefälligst mit K!“ Historisch belegt ist das alles nicht, es hört sich aber sehr glaubhaft an.

Fehler werden betoniert

Wie immer, wenn man in Köln Fehler gemacht hat, ist es schier unmöglich, derartige Fehlentscheidungen rückgängig zu machen - die werden zum Dauerzustand betoniert. Es dauerte bis zum Jahr 1991, als in der Bezirksvertretung Kalk ein Antrag auf Umbenennung von Koburger Straße und Platz gestellt wurde; allerdings fand sich keine Mehrheit für das C. Auf seinen Brief an Fritz Schramma erhielt Ernst Winter nun immerhin eine Antwort: Das städtische Amt für Liegenschaften, Vermessung und Kataster bedankte sich herzlich - und gab Winter recht: „Die richtige Schreibweise müsste Coburger Straße lauten.“ Im Schreiben wird aber darauf hingewiesen, dass die Umbenennung einer Straße mit großem finanziellen und zeitlichen Aufwand für Anwohner und Anlieger verbunden sei, auch die Behörden müssten Unterlagen und Pläne ändern. Da lässt man dann doch lieber alles, wie es ist.

In Coburg sieht man die Problematik eher gelassen. „Es gibt wichtigere Fragen bei uns als die Schreibweise einer Straße in Köln“, sagt Stefan Hinterleitner, der Referent des Coburger Oberbürgermeisters. „Natürlich würden wir uns freuen, wenn man Straße und Platz bei passender Gelegenheit mit dem korrekten Konsonanten versehen könnte.“

KStA abonnieren