„Stoppt den Bau dieser Moschee“

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Ralph Giordano

Ralph Giordano

Zur Premiere der neuen Sendung „Streit im Turm“ trafen sich Ralph Giordano, erklärter Gegner des Projekts, und Bekir Alboga, Dialogbeauftragter des Bauherrn Ditib, in der Redaktion von ksta.tv.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Giordano, Sie stehen nicht im Verdacht, mit Rechtsradikalen zu sympathisieren. Sie haben sich gegen den Bau der Moschee ausgesprochen. Warum?

RALPH GIORDANO: Dass „Pro Köln“, die lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus, gegen den Bau der Moschee ist oder so tut, als ob, kann mich nicht davon abhalten, mit meinen eigenen Motiven und Gründen dagegen zu sein. Ich sage dem Oberbürgermeister und den Stadträten, die dem Bau der Moschee zugestimmt haben: Stoppt den Bau dieser Moschee. Es ist ein falsches Signal. Wahr ist, dass die Integration der muslimischen Minderheit in Deutschland gescheitert ist. Es wäre ja gut, wenn der Bau einer Moschee genau das Gegenteil ausdrücken würde.

BEKIR ALBOGA: Sie sind völlig falsch informiert. Wir haben mit der Integrationsarbeit doch gerade erst tatkräftig angefangen. Mit dem nationalen Integrationsgipfel der großen Koalition und der deutschen Islamkonferenz. Die Absicht, dem bestehenden Gotteshaus eine würdige, schöne Form als Moschee zu geben, ist gerade ein Zeichen dafür, dass wir mit unseren Dienstleistungen für das Gelingen einer Integration in Köln sichtbar werden möchten.

GIORDANO: Sie sagen, die Integration fängt gerade erst an. Aber es wird seit 25 Jahren darüber gesprochen. Und es hat sich nichts getan. Also ist etwas falsch, etwas nicht in Ordnung. Was mich stutzig gemacht hat, ist: Ein solches Großprojekt wird hier mitten in Köln errichtet als Religionsausdruck einer fremden Kultur, und die Bevölkerung wird überhaupt nicht gefragt, ob sie damit einverstanden ist.

ALBOGA: Die Muslime sind kein Fremdkörper in diesem Staat. Es leben rund 3,3 Millionen Muslime in Deutschland, eine Million von ihnen hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Wir haben Fußballspieler, Künstler, Schauspieler, Schriftsteller muslimischen Glaubens, die in diese Gesellschaft bestens integriert sind. Es sind etwa eine Million Arbeitsplätze, die integrierte Unternehmer türkischer Herkunft schaffen. Man hat jahrelang viel zu lange darüber diskutiert, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht. Erst jetzt sagt die Regierung: Deutschland ist ein Einwanderungsland geworden. So muss es selbstverständlich sein, dass es Kirchen, Synagogen und auch Moscheen gibt. Wir müssen die Artikel vier und fünf unseres Grundgesetzes, die Religions- und Meinungsfreiheit, ohne Wenn und Aber akzeptieren.

GIORDANO: Die Argumentation kennt man ja: Sie setzen christlich-jüdisches Traditionsgut gleich mit muslimischem. So geht es nicht. Es ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Ist Ihnen eigentlich entgangen, was in der letzten Zeit an Kritischem über das Zusammenleben von muslimischer Minderheit und nicht-muslimischer Mehrheit gesagt wurde, weil so viel innerhalb der Parallelgesellschaft geschehen ist, das nicht mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen ist?

ALBOGA: Was meinen Sie mit Parallelgesellschaft? Es gibt keine Parallelgesellschaft in Deutschland.

GIORDANO: Hier leben Muslime, die kein Deutsch können, vor allem Frauen.

ALBOGA: Parallelgesellschaft würde bedeuten, dass wir in Deutschland zwei Verfassungen und Grundgesetze hätten. Aber wohin gehen die Menschen, wenn sie Probleme haben? Sie gehen zu einem deutschen Gericht, deutschen Versicherungen, deutschen Schulen, deutschen Universitäten. Wir sind ein selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft mit unseren Identitäten, wie sie auch ihre Identität haben. Wir dürfen die Meinung der Rechtsradikalen in Deutschland nicht mit falschen Impulsen stärken.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Wenn man einen Integrationsprozess will, muss man ehrlich miteinander umgehen. Also muss man benennen, dass es in diesem Land immer noch eine Vielzahl von Menschen gibt, die nicht integriert sind. Was stört Sie an dem Begriff der Parallelgesellschaft?

ALBOGA: Ich lade Sie zu uns in die Moschee ein, damit ich Ihnen zeigen kann, welche Integrationsarbeit wir mit dem Bundesamt für Migration tun. Wir machen Deutschkurse, Integrationskurse und Hausaufgabenbetreuung. Wenn wir keine Integration wollten, müssten unsere Imame kein Deutsch lernen, bräuchten wir keine Deutschkurse. Wir haben kein Interesse an der Entwicklung einer Parallelgesellschaft. Die Muslime leben seit 45 Jahren in Deutschland. In den ersten 25 Jahren dachte jeder, sie kehren zurück. Bleiben 20 Jahre. Was sind 20 Jahre in der Entwicklung der Menschheit?

GIORDANO: Hier wird ein völlig falsches Bild über die Wirklichkeit gezeichnet. Seit 45 Jahren sind Muslime hier und die Integration ist gescheitert. Eines ist klar: Es gibt keine friedliche Alternative zur Integration, aber das bedeutet noch nicht, dass sie gelingt. Und dass sie schon da ist, schon gar nicht. Auf dem Wege hierher musste ich einen Anblick ertragen, der meine Ästhetik beschädigt hat - eine von oben bis unten verhüllte Frau, ein menschlicher Pinguin.

ALBOGA: Ich bitte Sie um die Wahrung der Menschenwürde. Auch diese Frau ist ein Mensch, egal, wie sie aussieht.

GIORDANO: Ich will auf deutschen Straßen keiner Burkaverhüllten begegnen.

ALBOGA: Ich auch nicht. Es ist absurd, dass sich ein Mensch hinter Gittern versteckt. Das ist mit dem Islam nicht zu vereinbaren. Aber ich kann diese Menschen nur durch Dialog erreichen, aber nicht mit einem Ton, bei dem Menschen mit Tieren verglichen werden. Ich will die Herzen und den Intellekt der Menschen erreichen.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Giordano, die Muslime leben in Deutschland und haben das Recht, ihre Religion auszuüben. Sollen Sie das nur im Industriegebiet tun?

GIORDANO: Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer zentralen Großmoschee.

ALBOGA: Wir brauchen eine Moschee, wo wir beten können.

GIORDANO: Die haben Sie doch.

ALBOGA: Nein, die haben wir nicht. Das ist das Haus einer Fabrik. Kommen Sie zu uns und sehen Sie sich das Gebäude an. Das ist unwürdig.

GIORDANO: Warum ist die Bevölkerung nicht gefragt worden, ob Sie mit dem Bau einer so großen Moschee einverstanden ist?

ALBOGA: Wir haben Bürgerinformationsveranstaltungen gemacht. Die nächste findet am 29. Mai statt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik haben wir einen Architektenwettbewerb gemacht, wo die Mehrheit der Kommission nicht muslimischer oder türkischer Abstammung ist. Zeigen Sie mir etwas Ähnliches bei einem Kirchbau. Wir haben uns bemüht, mit den Bürgern zusammenzuarbeiten.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Für viele Bürger in dem Stadtteil bleibt es etwas Fremdes, das nicht auf Akzeptanz stößt. Verstehen Sie das?

ALBOGA: Alles, was neu ist, weckt erst einmal die Neugierde.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Die Leute sind weniger neugierig als klar ablehnend.

ALBOGA: Viele sind auch dafür. Aber ich kann verstehen, dass Menschen dagegen sind. Die Großwetterlage auf der ganzen Welt befördert Ängste. Sie möchten wissen, was hinter den verschlossenen Türen geschieht. Deshalb sagen wir: Unsere Moschee wird offen sein für alle Menschen. Jeder, der Bedenken und Fragen hat, sollte bei uns vorbeikommen.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Giordano, eine Frage ist noch offen: Wo sollen die Menschen ihre Religion ausüben?

GIORDANO: Es gibt in Köln 50 oder 60 Moscheen.

ALBOGA: Nein. Es gibt keine einzige Moschee. Das sind Gebetsräume in Kellern alter Fabrikhäuser.

GIORDANO: Auch wenn es so ist. Das rechtfertigt nicht den Bau einer zentralen Großmoschee. Ich begreife nicht, wie Stadträte und der Oberbürgermeister so etwas legitimieren.

ALBOGA: Er ist auch unser Oberbürgermeister. Der Name „Zentralmoschee“ soll Sie nicht irritieren. Das Haus ist schon immer die Ditib-Zentralmoschee. Wir bauen nur für uns.

GIORDANO: Jeder fragt sich: Was würde wohl in der Türkei geschehen, wenn dort eine christliche Kirche dieser Größe gebaut wird?

ALBOGA: Ich bin hier kein Anwalt der Türkei. In Istanbul können Sie die große prachtvolle orthodoxe Kirche sehen. Sie läutet jeden Tag fünf Mal die Glocken. In der Türkei dürfen die Kirchen ihre Glocken seit Jahrhunderten öffentlich läuten. . .

GIORDANO: Und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen. Sie färben schön. Sie antworten wie jemand aus einem Kulturkreis, dem die kritische Methode völlig unbekannt ist. Diese Errungenschaft der abendländischen Kultur ist dem Islam total unbekannt. Gibt es überhaupt irgendetwas, das sie kritisieren?

ALBOGA: Natürlich. Wir müssen in der islamischen Welt für die Demokratisierung sorgen. Wir müssen den Menschen den Islam richtig beibringen. So ist die Unterdrückung der Frau gegen den Islam, genau wie Zwangsheirat und Sippenmorde. GIORDANO: Und das gibt es hier nicht in den Parallelgesellschaften?

ALBOGA: Ich sehe meine Aufgabe darin, diese Themen in der islamischen Welt, aber auch hier zu aktualisieren. Unsere Moscheen kämpfen dagegen, dass Parallelgesellschaften entstehen.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Das Problem wäre einfacher anzugehen, wenn Sie einräumen würden, dass es Probleme für Christen in der Türkei gibt.

ALBOGA: Selbstverständlich kann ich mir vorstellen, dass sich die Nationalisten in der Türkei gegen den Bau einer Kirche wehren würden. Aber ich nenne Ihnen auch ein anderes Beispiel. In Alanya, wo 40 000 bis 50 000 Deutsche leben, hat der Ministerpräsident einen Garten der Religionen eingeweiht. Eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee stehen nebeneinander. Aber es ist klar: Wir müssen auch in der islamischen Welt noch viele Sachen korrigieren. Dazu gehört die völlige Gleichstellung der Juden und Christen in den islamisch geprägten Ländern.

GIORDANO: Ich möchte Ihnen sagen, was uns hier erschreckt. Immigranten haben ja nicht nur Probleme. Sie machen auch Probleme. Es gibt eine Kultur hier, die nicht akzeptabel ist, aber mitten unter uns ist. Es ist durch die Zeitungen der Fall gegangen, wo ein Bruder seine Schwester vergewaltigt hat. Die Schwester wird im Auftrag des Vaters von dem anderen Bruder getötet, um die Ehre der Familie zu retten. Was passiert hier in einer Parallelgesellschaft, in der so etwas möglich ist und nicht vereinzelt ist?

ALBOGA: Sie sagen „nicht vereinzelt“. Wie oft ist das passiert?

GIORDANO: Ich gehe auf diese Frage nicht ein. Der eine Fall genügt.

ALBOGA: Häusliche Gewalt, Sippenmord und Zwangsverheiratung dürfen im Namen unserer Religion nicht geschehen. Wir verurteilen das und dulden das auf keinen Fall. Es gibt in Deutschland aber nicht nur diesen Fall. In Deutschland werden viele Kinder von eigenen Verwandten sexuell missbraucht. Damit habe ich auch meine Probleme.

GIORDANO: Der Missbrauch von Kindern ist in der Gesellschaft allgmein geächtet. Das, was Sie Ehrenmorde nennen, kommt dagegen aus der Tiefe Ihrer Kultur.

ALBOGA: Auf keinen Fall.

GIORDANO: Solange Sie das bestreiten, wächst in mir der Gedanke: Hier ist etwas unter uns, das auf ganz besondere Weise gefährlich ist.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Die Menschen leben mit uns zusammen. Welchen Ausblick sehen Sie?

GIORDANO: Ich weiß darauf keine Antwort. Eine falsche Immigrationspolitik hat uns in diese Situation gebracht. Deutschland ist seit langem ein Einwanderungsland, aber hat sich nicht so benommen. Es ist eine Situation, die explosiv ist. Ich prophezeie, wenn diese Großmoschee gebaut wird, gibt es Unfrieden und Unruhe.

ALBOGA: Das sind gefährliche Aussagen. Wir haben in Mannheim eine große, repräsentative Moschee gebaut. Sie wurde zu einer Begegnungsstätte.

GIORDANO: Der Islam steht auf dem Prüfstein der Geschichte. Die Quelle des islamistischen Terrors liegt in den Schwierigkeiten der islamischen Gesellschaft bei der Anpassung an die Moderne.

Das Gespräch führte Franz Sommerfeld, aufgezeichnet von Helmut Frangenberg

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