Abo

Die Professorin und der Weihbischof

Lesezeit 3 Minuten

Es ist ein einmaliger Fall in der Geschichte der deutschen Justiz, die diese schon seit fast einem Jahr in Atem hält. Angefangen hat alles mit einer Strafanzeige der 44 Jahre alten Professorin Änne Bäumer-Schleinkofer gegen den Mainzer Weihbischof Franziskus Eisenbach (58). Die zweifach promovierte Historikerin und Naturwissenschaftlerin wirft dem Kirchenmann vor, sie unter Ausnutzung eines seelsorglichen Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses sexuell missbraucht und bei rituellen Teufelsaustreibungen körperlich verletzt zu haben. Zugleich wandten sich Bäumer-Schleinkofer und ihr Ehemann auch an den Vatikan.

Nachdem Bäumer Informationen an die Medien lanciert hatte, ging das Bistum in die Offensive. Es räumte – in einer für kirchliche Öffentlichkeitsarbeit ungewöhnlich offenen Manier – sexuelle Kontakte zwischen Eisenbach und der Professorin ein, bestritt aber strafrechtlich relevante Verfehlungen des Weihbischofs. Andeutungen Bäumers, Eisenbach habe zu zahlreichen anderen Frauen ein ähnliches Verhältnis unterhalten wie zu ihr, weist der Anwalt des Bistums, Gernot Lehr, als „abwegig“ und „absurd“ zurück. Eisenbach beteuert zudem, niemals den „Großen Exorzismus“ angewandt zu haben, für den das Kirchenrecht sehr präzise Bedingungen stellt.

Die umfangreiche Korrespondenz, die Bäumer-Schleinkofer seit Januar 1999 an Eisenbach richtete, zeigt ihr intensives Bemühen, den Weihbischof als Seelenfreund und -führer zu gewinnen. Zeitweise richtete sie täglich mehrere Briefe an Eisenbach, bisweilen lässt sie fiktiv eines ihrer Reitpferde an den Weihbischof schreiben, dieser möge doch bald zu Besuch kommen.

Kirchenpolitisch erhält der Fall zusätzliche Brisanz durch den Vorwurf, der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann habe seine Fürsorgepflicht vernachlässigt. Möglicherweise, so hieß es in Lehmanns Umfeld, solle dem Kardinal durch solche Unterstellungen gezielt geschadet werden. Es existieren allerdings Briefe, die dessen geradezu verzweifeltes Bemühen dokumentieren, seinen Weihbischof zu mehr Distanz und Zurückhaltung im Umgang mit der Professorin anzuhalten. Auch mit Bäumer setzte sich der Kardinal sowohl per Brief als auch im persönlichen Gespräch auseinander, um – wie Gernot Lehr es formuliert – „eine ummissverständliche Klärung der Angelegenheit herbeizuführen“. Formelle Anweisungen konnte Lehmann seinem Mitbruder im Bischofsamt indes nicht erteilen. Dem drängenden und von Eisenbach unterstützten Wunsch Bäumer-Schleinkofers, eine Anstellung im Bistumsdienst im Rahmen eines Hildegard-von-Bingen-Forschungsinstituts zu erhalten, erteilte Leh¦mann eine klare und eindeutige Absage. Nach Ansicht des Bistums-Anwalts liegt hier der „Schlüssel für die Einschaltung der Medien, die von Frau Bäumer ausging“.

Das kirchliche Verfahren

Das kirchliche Verfahren liegt unter anderem in den Händen von Kardinal Joseph Ratzinger als dem Chef der vatikanischen Glaubenskongregation. Diese Behörde ist zuständig, weil Bäumer-Schleinkofer den Weihbischof beschuldigt, das Beichtgeheimnis gebrochen zu haben. Verstöße gegen das für katholische Geistliche geltende Zölibats-Gebot werden hingegen von der Bischofskongregation untersucht.

KStA abonnieren