1700 Jahre Deutz„Sengen, Brennen und Plündern“

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Die Schweden belagern Deutz - während die St. Urban-Kirche in die Luft fliegt (Stich von Matthäus Merian d. Ä., 1635). (Bild: Privat)

Die Schweden belagern Deutz - während die St. Urban-Kirche in die Luft fliegt (Stich von Matthäus Merian d. Ä., 1635). (Bild: Privat)

Köln – Ist es mal wieder die typisch kölsche Schlamperei, die dieses Desaster verursacht hat? Da hatte der Kölner Rat mit dem ungeliebten Erzbischof und Kurfürsten verhandelt, damit Deutz, das zum Erzstift Köln gehört, in die „Defension“ der Stadt einbezogen werden kann. Nachdem der kurfürstliche Rat Dr. Glaeßer angedeutet hat, dass „Ihro kurfürstliche Durchlaucht zur Fortification von Deutz gnädigsten Consensus erteilt“ habe, beginnt der Ingenieur Johann Gallé, Deutz mit Wall und Graben und vier Bollwerken zu umgeben. Ende Oktober lässt Kurfürst Ferdinand sogar kundtun, „er könne wohl leiden, dass die Stadt Köln zu ihrer eigenen wie des Erzstiftes Sicherheit sich der Freiheit Deutz in dieser gefährlichen Zeit annehme und dieselbe mit städtischen Soldaten besetzen lasse“.

Ein offenes Tor im Wall

Sofort werden 900 Bewaffnete unter dem Befehl des Obristleutnants Wenemar von Diependahl mit allen verfügbaren Kähnen und Nachen nach Deutz übergesetzt. Und was passiert dann? In der dunkler Nacht reitet eine schwedische Reiterabteilung am Rhein entlang. Einer der Männer bemerkt, dass ein Tor inmitten der neuaufgeworfenen Wallanlagen offen steht - da staunt selbst der alte Schwede. Im Handstreich bemächtigen sich die Reiter des Festungsabschnitts, die nachfolgende Infanterie rückt ein und nimmt zahlreiche Kölner Soldaten gefangen.

Der Kaiser ist verärgert

In Köln ist man am folgenden Morgen, man schreibt den 21. Dezember 1632, wie gelähmt. Wie konnte das passieren, fragen sich besorgte Bürger. Seit Januar 1632 hatte der „ehrsame und weise Rat“, wie er sich titulierte, versucht, mit dem schwedischen König Gustav II. Adolf ein förmliches Neutralitätsabkommen zu schließen, sehr zum Ärger des Kaisers, der die Stadt ermahnte, „diese Separations-Angebote“ zu unterlassen. Ein Vertrag kam aber nicht zustande, weil der Rat darauf bestand, dass Köln „eine katholische Stadt“ bleiben wolle. Als Gustav Adolf, der selbst ernannte Retter des deutschen Protestantismus, im November 1632 bei Lützen sein Leben verlor, glaubte man in Köln, die Bedrohung sei vorbei. Doch unbeeindruckt vom Tod ihres Oberbefehlshabers stößt eine schwedische Armee unter dem General Wolf Heinrich Graf von Baudissin rheinabwärts vor, im Oktober 1632 ist Siegburg erobert. Und nun hat die Kriegslawine das gegenüberliegende Rheinufer erreicht.

In Deutz geht währenddessen die blanke Angst um, die Einwohner zittern um ihr Leben. Doch General Baudissin hat seine Männer zu äußerster Disziplin verdonnert, noch hört man nur vereinzelt von Gewalttaten und Plünderungen. Am nächsten Tag schickt Baudissin einen Emissär nach Köln, der jedoch von den Ratsherren nicht empfangen wird. Dem General wird klar, dass er von Deutz aus nichts gegen die hochgerüstete Reichsstadt ausrichten kann. Die Kölner haben weitere Söldner angeworben, neue Wachkompanien aufgestellt, 3000 Musketen, 500 Gewehre und 300 Piken in Lüttich gekauft. Tag für Tag inspizieren Büchsengießer die Geschütze auf den Stadtmauern. Und so kommt man im schwedischen Kriegsrat zum Entschluss, die Truppen freiwillig zurückzuziehen.

Als in Köln bekannt wird, dass die Schweden abziehen, so heißt es in einem zeitgenössischen Bericht, „ist etlich Volk und junges Gesindel zu Schiff über den Rhein gefahren, um an den Baudischen große Taten zu verüben“. Die erbosten Baudischen, wie die schwedischen Kriegsleute gerufen werden, lassen nun jegliche Rücksicht fallen, sie rauben, schänden und brandschatzen, was das Zeug hält, auch in der Deutzer Abtei: „Unterdessen“, hält ein anderer Chronist fest, „plünderten die Schweden das Gotteshaus von oben bis unten aus. Sie trugen den Wein in das Refektorium und füllten damit große Waschbütten. Da soff, wer nur ein Maul hatte.“

Was die Schweden zurücklassen, schleppen die tapferen Kölner Helden fort, „Eisenwerk, Blei, Stubenöfen und vieles andere, was nützlich ist“. Was dann geschieht, ist in verschiedenen Berichten überliefert, in einem Protokoll des Kölner Rats, einem Brief Baudissins an den schwedischen Reichskanzler und im Büchlein „Historie der Schmerzhaften Mutter Mariae zu Kalk“, das der Deutzer Pfarrer Rupertus Hollwegh 1715 veröffentlicht. Hollwegh schreibt, er habe in seiner Jugend mit älteren Leuten geredet, „die noch jämmerlich von dem Schwedischen Krieg zu erzählen wissen, als ein neuer Attila in das Römische Reich eingefallen und ganz Teutschland mit erbärmlicher Verwüstung von Städten, Flecken, Klöstern und Kirchen, mit Brennen, Sengen und Plündern, mit Räubereien und Totschlagen in das größte Leid gesetzt hat“.

Ein Augenzeuge berichtet

Hollwegh lässt einen Augenzeugen zu Wort kommen: „Auf St. Thomae Tag fuhren die Kölner am frühen Morgen mit vielen Schiffen über und trieben den Schweden aus der Abtei und aus Deutz. Am folgenden Tag lagen die Cöllnischen Wachtschützen auf dem Kirchhof, warfen - ich weiß nicht, aus welcher Ursache - Feuer in die Pfarrkirche, dieses fiel in das Pulver, welches die Schweden hinterlassen hatten, sie sprengten also die Kirche - und alle flogen in die Luft.“

300 Menschen kamen bei der Explosion ums Leben. Nach dem endgültigem Abzug der Schweden wurden die Fortifikationen weitergebaut. Weil der Erzbischof aber der Stadt Köln nicht, wie vereinbart, die Hälfte der Kosten erstattete, reagierten die Kölner auf ihre Art: 1647, also ein Jahr vor dem Westfälischen Frieden, ließen sie die für teures Geld erbauten Deutzer Befestigungen wieder abbrechen.

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