Nachlass-DetektiveWenn man plötzlich zum Erben wird

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Ein Verstorbener - aber keine nahen Verwandten bzw. Erben: Die Familienbande sind heute oft zerrissen.

Ein Verstorbener - aber keine nahen Verwandten bzw. Erben: Die Familienbande sind heute oft zerrissen.

Wer auf das Erbe des fast sprichwörtlichen unbekannten reichen Onkels aus Amerika hofft, muss manchmal lange warten. Denn oft gehört der Empfänger zu den letzten einer langen Reihe von Verwandten, die Erbenermittler in aufwendiger Suche aufstöbern.

Die Detektivarbeit übernehmen professionelle Ermittler und gerichtlich bestellte Nachlasspfleger. Unter einer Voraussetzung, wie Falk Schulz vom Bund deutscher Nachlasspfleger in Münster erläutert: „Wenn auf den ersten Blick kein Verwandter und kein Testament da ist.“ In Bayern und Baden-Württemberg sind die Nachlassgerichte zunächst selbst zur Ermittlung verpflichtet.

Für die Arbeit der Erben-Ermittler gibt es im Prinzip keine Vorschriften. Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt lediglich, dass der Nachlasspfleger suchen muss, aber weder wie lange, noch wie. Erster Anlaufpunkt für Falk Schulz und seine Kollegen ist die Wohnung des Verstorbenen. Familienstammbuch, Briefe und Fotos versprechen Hinweise auf unbekannte Erben. Die Ermittler stöbern in Melderegistern, Adressbüchern und alten Kirchenbüchern. Inzwischen gehört auch die Recherche in Datenbanken, auf Facebook und Twitter zum Standardprogramm.

Die Puzzelei ist trotzdem schwierig. „Es geht Generationen zurück. Die Familienbande sind oft zerrissen, mindestens aber lockerer geworden“, sagt Klaus Amon, Bereichsleiter in der seit 1849 auf Erbenermittlung spezialisierten Hoerner Bank in Heilbronn. Das Institut und die anderen bundesweit etwa 100 professionellen Ermittler werden vor allem bei komplizierten Fällen eingesetzt. Die Aufträge erhalten sie in der Regel von Nachlasspflegern. Privatleute, die wegen unklarer Familienverhältnisse nicht ans Erbe kommen, sind seltene Kundschaft.

Oft ist Teilen angesagt

Um den Überblick zu behalten, fertigt Amon Stammbäume an. Manchmal füllen diese virtuellen Familientreffen ganze Wände und führen Menschen aus der ganzen Welt zusammen. In den 1950er und 1960er Jahren dominierten die klassischen Auswandererländer USA, Kanada und Australien. Aktuell verschieben sich die Wurzeln Richtung Polen und ehemalige Sowjetunion, beobachten Amon und Falk Schulz.

Mit Ostpreußen, Schlesien, dem Sudetenland oder der heutigen Ukraine rücken Gebiete in den Fokus, in denen bis zum 2. Weltkrieg Deutsche lebten. Schulz fahndete in Tschechien nach dem Bruder des Großvaters einer deutschen Erblasserin. Über Umwege fand er lebende Verwandte in Schweden.

Die Kosten der laufenden Grabpflege können zu den Beerdigungskosten zählen. In diesem Fall dürfen sie aus dem Nachlass genommen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die örtliche Friedhofssatzung eine Grabpflege vorschreibt. Das hat das Landgericht Heidelberg (Az.: 5 O 306/09) entschieden.

In dem Fall hatte die Erblasserin noch zu Lebzeiten einen Teil ihrer Kinder mit der Verwaltung ihres Vermögens beauftragt. Nach ihrem Tod veranlasste eines der Kinder die Bestattung und schloss einen Grabpflegevertrag ab. Die Kosten hierfür nahm es aus dem Nachlass. Ein Miterbe verlangte die Erstattung dieser Beträge: Die Grabpflege habe nicht eigenmächtig veranlasst werden dürfen.

Vor Gericht hatte der Miterbe keinen Erfolg: Die Richter stellten klar, dass auch die laufenden Kosten der Grabpflege zu den Bestattungskosten zählten. In dem Fall habe es auch eine Friedhofssatzung gegeben, womit eine rechtliche Pflicht zur Grabpflege vorliege. Damit stellten die Kosten Nachlassverbindlichkeiten dar und seien von allen Erben zu tragen.

Bei so weit verzweigten Beziehungen platzt schnell der Traum vom Alleinerben, der Millionen einstreicht. In der Realität ist Teilen angesagt. „Erbengemeinschaften mit 30, 40, 80 Leuten sind keine Seltenheit“, sagt Amon. Im Extremfall bleiben von 500.000 Euro vielleicht nur noch 100 Euro für jeden übrig. Wie viel für die Schweden aus Falk Schulz' Fall herausspringt, steht noch nicht fest - das Vermögen der Erbtante ist über mehrere Länder verstreut. Außerdem greift die gesetzliche Erbfolge. Demnach steht nicht unbedingt jedem der gleiche Anteil aus dem Nachlass zu.

Mitunter nimmt die Suche Jahre in Anspruch. Wie viel Zeit die Ermittler investieren, hängt mit ab von der Geduld des Nachlassgerichts und vom hinterlassenen Vermögen: Je größer, desto eher kann sich eine längere Zeitspanne für die Fahnder lohnen. Sie erhalten eine erfolgsabhängige Pauschale von rund 25 Prozent der Nettoerbschaft. Das Honorar zahlt der gefundene Erbe, sobald der gerichtliche Erbschein erteilt ist. Er schließt einen Vertrag mit dem professionellen Ermittler, der erst danach Details preisgibt. Andernfalls könnte er ja leer ausgehen.

Besser keine Vorkasse zahlen

Verweigert der potenzielle Erbe die Unterschrift, guckt er in die Röhre. „Viele sind erstmal entsetzt, dass sie was abgeben sollen. Andererseits kommt das Erbe unverhofft wie ein Lottogewinn“, sagt Jan Bittler von der deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV) aus Angelbachtal. Die Honorarpraxis habe der Bundesgerichtshof aber abgesegnet. Das Honorar kann von der Steuer abgesetzt werden.

Experten warnen Verbraucher davor, in der Hoffnung auf ein angekündigtes Erbe Vorkasse an einen Ermittler zu leisten. Das deute auf schwarze Schafe hin. Die häufig im Ausland sitzenden Firmen verschicken zum Beispiel Serienbriefe, etwa mit dem Hinweis, gegen 50 Euro Vorschuss Erbinfos zu liefern.

Auch der Fiskus kann kassieren

Seriöse Ermittler haben kein Problem, wenn Verbraucher die vermeintlich gute Nachricht gründlich prüfen. Entweder durch Nachfrage beim Rechtspfleger am Amtsgericht, bei der Polizei oder einem Anwalt. Den Brief einfach wegzuwerfen, ist die schlechteste Lösung: Sobald jemand vom seinem Erbe erfährt, bleiben ihm laut Gesetz sechs Wochen, es auszuschlagen. Das komme öfters vor, so die Ermittler. Dann profitieren möglicherweise andere Verwandte des Erblassers.

Oder der Fiskus. Er kommt zum Zug, wenn weit und breit kein anderer Erbe in Sicht ist. „Letzter Schritt, dies festzustellen, ist der öffentliche Aufruf. In der Regel eine Annonce in der Zeitung“, erläutert der Direktor des Amtsgerichts Traunstein, Ludwig Kroiß. Was dann laut Bürgerlichem Gesetzbuch folgt, fasst er so zusammen: „Einen Erben gibt es immer, den Staat.“ Vermögen im Inland kassieren die Länder, der Bund greift zum Auslandsvermögen und wird so Besitzer der Finca auf Mallorca. Sollte nach etlichen Jahren dennoch ein Verwandter auftauchen, kann er den Nachlass von Vater Staat zurückfordern. Das geht 30 Jahre rückwirkend. (gs/dpa)

Buchtipps:

Karl-Heinz Belser: Erben und Vererben für Dummies.

Otto N. Bretzinger: Richtig vererben und verschenken.

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