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Tanzschule Leyer„Ich bin oft auch Paartherapeut“

Lesezeit 4 Minuten
Holger Leyer ist in seinem Element.

Holger Leyer ist in seinem Element.

Bergisch Gladbach – War das Tanzen jemals out?

Nein. Wohl aber ist das Steife, die übertriebene Etikette längst ausgemustert. Der Name „Tanzschule“ führt in die Irre: Zu uns kommen die Menschen, weil sie es möchten. Sie wollen tanzen lernen. Mir tun die Lehrer in einer normalen Schule manchmal leid, die müssen auch Unmotivierten den Stoff vermitteln. Das ist bei uns ganz anders.

Aber will wirklich jeder Mann, der mit seiner Frau mehr oder weniger freiwillig in die Tanzschule kommt, wirklich tanzen lernen?

Stimmt, meistens ist es so, dass die Männer von ihren Frauen erst begeistert werden müssen, einen Tanzkurs zu machen. Aber wenn sie einmal da waren, sind sie es oft, die schon vor Kursende die Anmeldung zum Folgekursus unterschreiben.

Woran liegt das?

Man muss Männern das Tanzen anders beibringen als Frauen. Frauen sind multitaskingfähig, sie können zuhören und gleichzeitig die ersten Schritte machen. Beim Mann muss ich erst einmal die Schritte automatisieren, bevor ich ihm zeige, wie er führt und welche Körperhaltung er haben sollte. Darum haben wir auch einen eigenen Kurs, in dem es nur ums Führen geht. Denn auch nicht jeder Frau fällt es leicht, sich führen zu lassen. So mancher Mann erobert sich im Tanzkurs einen Zacken in seiner Krone als Hausherr zurück.

Dabei ist doch sicher Fingerspitzengefühl gefragt?

Ja. Der Beruf des Tanzlehrers, der in Deutschland kein eigener Ausbildungsberuf ist, beinhaltet viel mehr als die Vermittlung von Tanzschritten. Ich bin oft auch Psychologe und Paartherapeut.

Hat sich das Berufsbild verändert?

Früher waren Tanzlehrer meist männlich, weil man glaubte, die jungen Mädchen würden gerne die toll aussehenden Männer anschmachten und hätten ein Problem mit weiblichen Tanzlehrern. Das sehen wir heute anders. Frauen haben so viel Empathie, wir haben inzwischen mehr Tanzlehrerinnen als Tanzlehrer.

Erleben Sie durch TV-Tanzshows wie „Let’s Dance“ einen Aufschwung?

Nein, Tanzen war ja nie out. Auf jeden Fall aber hat diese Show dazu beigetragen, dass mehr übers Tanzen geschrieben wird. Joachim Llambi, der, als er noch aktiver Tänzer war, genau wie ich in Düsseldorf trainierte, war auch damals schon genau so wie ihn die Menschen heute aus dem Fernsehen kennen. Er hat schon immer gesagt, was er dachte, auch als er noch aktiver Tänzer war.

Bedeutet es Ihnen etwas, wenn der diesjährige Showgewinner Hans Sarpei das Tanzen als Leistungssport anerkennt?

Natürlich! Einen Showtanz durchzuhalten, der in der Regel sechs Minuten dauert, entspricht etwa einem 3000-Meter-Lauf. Wer neben seinem normalen Beruf wöchentlich viele Stunden trainiert – und das gilt für die meisten Tänzer, die an Turnieren teilnehmen –, um diese Leistung zu bringen, der freut sich über eine solche öffentliche Anerkennung.

Sie haben auch selbst in einer Latein-Formation bei Turnieren getanzt, waren deutscher Meister, Europa- und sogar Weltmeister. Was waren Ihre Erfahrungen?

Dass auf Tanzturnieren leider von Menschen bewertet wird und es nicht immer fair zugeht. Große Tanzsportvereine haben viel Geld und Einfluss. Da ist es für die anderen nicht immer leicht, einen Sieg mit nach Hause zu nehmen.

Sie führen die Tanzschule Leyer jetzt in der dritten Generation. Gab es für Sie jemals etwas anderes als Tanzen?

Ich fand das Tanzen, bis ich 13 war, total uncool. Aber als ich 14 wurde, meldeten sich meine Freunde in der Tanzschule an, dann bin ich doch mitgegangen. Ein Jahr später habe ich mein erstes Turnier getanzt. Eigentlich wollte ich Medizin studieren oder Architekt werden, als ich Kind war.

Haben Sie Ihre Berufswahl je bereut?

Nein, zu keinem Zeitpunkt. Ich freue mich bis heute über jeden, der tanzen lernt. Aber ich brauche auch einen Ausgleich, ich handwerke beispielsweise gerne. Beim Umbau der Tanzschule haben wir vieles selbst gemacht. Ich tüftelte auch gerne mit Technik und Computern, also habe ich unsere Musik- und Lichtanlagen selbst eingerichtet. Und im Sommer bin ich oft sechs Wochen weg in Amerika, ganz allein, um neue Leute kennenzulernen. Man muss aufpassen, dass einen der Beruf nicht völlig vereinnahmt. Deshalb unterrichtet bei uns auch niemand alle Abende in der Woche, mehr als drei Abende ist niemand im Einsatz. So bleibt auch noch Zeit fürs Privatleben.

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