Eigenbedarf in MechernichEhepaar widersetzt sich Kündigung für Flüchtlinge

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Mechernich – Im August 2014 hatten Bernd und Anita Nießen das Kündigungsschreiben ihrer Wohnung im Briefkasten. Die Stadt Mechernich meldete Eigenbedarf für die Wohneinheit über dem Dorfgemeinschaftsraum in Kallmuth an. Der Wohnraum, so die Stadt, werde benötigt, um dort Flüchtlinge unterzubringen.

Die Nießens setzen sich zur Wehr. Damit haben sie Erfahrung – schon gegen die Dreharbeiten der Krimiserie „Mord mit Aussicht“ und gegen die neue Feuerwehrzufahrt vor dem Haus hatten sie protestiert. Die Poller, die verhindern sollten, dass jemand die Feuerwehrzufahrt zuparkt, habe man per einstweiliger Verfügung abbauen lassen, so Nießen nicht ohne Stolz.

Mit Unterstützung des Anwalts Thomas Hänsel aus Euskirchen widersprach das Paar nun der Kündigung. Man habe viel Geld in die Renovierung der Wohnung investiert und wolle auf keinen Fall ausziehen. Die Stadt reagierte auf den Widerspruch mit einer Räumungsklage.Das Amtsgericht entschied, dass die Kündigung rechtens sei, und schlug einen Vergleich vor: Die Nießens sollen bis zum Jahresende ausziehen und 8000 Euro Abfindung bekommen.

Der Beigeordnete der Stadt Mechernich, Thomas Hambach, betont, dass sich die Kündigung nicht gegen die Nießens richte: „Wir sind schon seit Mitte 2014 an der Kapazitätsgrenze.“ Bis vor wenigen Monaten habe man 60 bis 70 Asylsuchende pro Jahr in Mechernich unterbringen müssen. Mittlerweile seien es 360. Hambach rechnet damit, dass es bis zum Jahresende 500 sein werden. 20 Menschen pro Woche kämen aktuell hinzu. Deshalb habe man auch angefangen, die wenigen Wohnungen, die die Stadt besitze, für Flüchtlinge zu verwenden.

„Dabei handelt es sich um die ehemaligen Lehrerwohnungen in den Dorfschulen“, so Hambach. In Weyer, Antweiler und in Mechernich werde dieser Wohnraum bereits für Flüchtlinge genutzt. Die Wohnung in Kallmuth solle ebenfalls dafür verwendet werden. Sie sei gut für Familien mit Kindern geeignet, da sie in der Nähe des Kindergarten liege, so Hambach weiter.

Für die Nießens ist Kallmuth als Standort für Flüchtlinge indes völlig ungeeignet. „Wir haben hier kein Geschäft, und die Busse fahren nur selten“, meint Anita Nießen.

Beigeordneter Hambach erhofft sich indes eine bessere Integration der geflohenen Menschen durch die Dorfgemeinschaft. Dabei baut er auch auf die Nähe zum Kindergarten. Dort gebe es viele freiwillige Helfer. Die Kündigung ist laut Hambach eine Ausnahme. Weitere werde es nicht geben. Eine andere Option sei die Unterbringung von Flüchtlingen in Schulturnhallen. Doch damit tut sich Hambach schwer: „Wir wollen vermeiden, in den Schulbetrieb einzugreifen.“

„Wir bleiben hier!“

Der Beigeordnete ist davon überzeugt, dass es für die Familie Nießen wesentlich leichter sei dürfte, eine neue Wohnung zu finden, als Flüchtlinge, die ständig den Wohnort wechseln müssten, in einer Mietwohnung auf dem freien Markt unterzubringen. Doch die Nießens geben nicht nach. „Wir bleiben hier! Wenn es sein muss, gehe ich bis zum Europäischen Gerichtshof“, so Bernd Nießen.

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