Abo

Einblick in die KunstOffene Ateliers für Neugierige

Lesezeit 4 Minuten
Kunst von Sabine Weber, Kunstwerk in Deutz

Kunst von Sabine Weber, Kunstwerk in Deutz

Köln – Deutz, Poll, Flittard oder Dünnwald? Das ist die grundlegende Frage, wenn am Wochenende mehr als 150 Künstler im Rechtsrheinischen ihre Ateliertüren öffnen. Denn dort stehen die großen Atelierhäuser, die es interessierten Kunstliebhabern ermöglichen, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Da die Offenen Ateliers an drei Tagen stattfinden, fällt für diejenigen, die über ausreichend Zeit verfügen, die Entscheidung leicht. Ein Atelierhaus pro Tag, Flittard und Dünnwald aufgrund der guten Verkehrsachse in einem Kunstausflug zusammen genommen. Inzwischen sollte sich in der ganzen Stadt herumgesprochen haben, dass sich die Aktivitäten vieler Künstler in den vergangenen Jahren ins Rechtsrheinische verlagert haben, weil sich dort die letzten bezahlbaren Raumressourcen befinden.

Zuletzt wurden in Mülheim neue Ateliers in der ehemaligen Farbenfabrik Lindgens an der Deutz-Mülheimer-Straße erschlossen. Dort zeigen erstmals die Künstler Mike Felten, David Gericke, Gudrun Hermen und Marit Mertin ihre Werke an ihren neuen Arbeitsorten. Felten und Gericke stellen sich als leidenschaftliche Maler vor. Der eine dynamisch wild, der andere mit verschachtelten Kompositionen, in denen sich Elemente aus unterschiedlichen Kulturen mischen. Gericke außerdem mit atemberaubenden Skulpturen menschlicher Verletzlichkeit. Hermen präsentiert sich als gekonnte Grafikerin, unter anderen mit der seltenen Technik von Zeichnungen auf Holz. Mertin wiederum ist eine Bildhauerin, die ihre oft großen Skulpturen und Installationen aus unterschiedlichen Alltagsmaterialien entwickelt, besonders aus Kleidungsstücken und Plastiktüten.

Atelierhaus mit der größten Künstlerdichte

Nur einen kurzen Spaziergang die Straße hinunter Richtung Deutz liegt Kölns Atelierhaus mit der größten Künstlerdichte, das „KunstWerk“. Rund 30 Maler, Bildhauer, Fotografen, Zeichner, Glas-, Porzellan-, Textil- und Mixed-Media-Künstler der fast einhundert Mieter führen dort die ganze Bandbreite bildnerischer Möglichkeiten vor Augen. Holzbildhauerin Beate Steven, die ihre Plastiken aus großen Blöcken entwickelt, liefert einen „Querschnitt durch die Jahresarbeit“. Petra Dornseifer macht bildnerisch sichtbar, was abstrakt-expressive Farbturbulenzen und die Veränderungen im Braunkohletagebau miteinander zu tun haben. An der malerischen Umsetzung von Landschaftseindrücken ist gleichfalls Sonja Kuprat interessiert. Mit leuchtenden Farben schlägt sie eine Brücke zwischen Realismus und dem Fantastischen. Diesen Brückenschlag verfolgt auch Fabian Hochscheid, allerdings in einer stärker auf äußerste Detailgenauigkeit abzielenden Malart. Das krasse Gegenteil führt Sabine Weber mit ihren expressiven Zeichnungen ins Feld, in denen Mensch und Gegenstände nur mehr Silhouetten sind. Ebenso weit vom Realismus entfernt ist Andreas Keil mit seiner Malerei, die allein auf die Wirkung von Farbfeldern setzt. Anlässlich der Offenen Ateliers ist auch die große Ausstellungshalle des „KunstWerks“ geöffnet. Dort zeigen der Maler Thomas Deyle und der Bildhauer Josef Wolf, wie scheinbar ganz verschiedene künstlerische Ansätze ähnliche (Natur-)Erfahrungen beleben können.

Eine große Ausstellungshalle für wechselnde Kunstpräsentationen gibt es inzwischen auch im Poller Quartier am Hafen. Derzeit zeigen dort die Gastkünstler Gonzalo H. Rodriguez und Kuai Shen eine interdisziplinäre Installation über Menschen und Ameisen. Viele der rund 80 Künstler im Atelier sind hoch erfreut, bringt die Ausstellungshalle doch zusätzliche Besucher und Leben in das aufwändig umgebaute, aber ein wenig abseits gelegene Atelierhaus. Wie bereits im vorigen Herbst geben dort rund die Hälfte aller ansässigen Künstler Einblicke in ihre Ateliers.

Spezielle Kunstansätze wie das „neurotische Bürointerieur“ und die „umständliche Kunst“ von Monika Heimann und Michael Schütz, die Lackskulpturen und Tuschemalereien von Yi Zheng Lin, Stefan Ellings Animationsfilme und die textilen Künste von Veronika Moos-Brochhagen verlangen ausführliche Erläuterungen. Weitere Besonderheiten in diesem Atelierhaus sind das Nähatelier von Mirjam Wiesemann, der Tanzraum des Michael Douglas Kollektivs, Olga Reljic Raum für Skulptur und Kindermalerei und Marlies Bockhorns Atelier für Kunsttherapie.

Das Quartier am Hafen ist ähnlich wie die Art Factory am Stadtrand in Dünnwald der Inbegriff einer von Abgeschiedenheit und Ruhe geprägten kreativen Arbeitssituation. Das ist allerdings kein Problem für die gebürtige Brasilianerin Andrea Bryan, die die kraftvolle Einfachheit des Holzschnitts neu für sich entdeckte. Und für Objektkünstlerin Ines Braun, deren Atelier ein wunderbares Lager alter Gegenstände ist, ist das stille Naturstudium ohnehin eine Voraussetzung für die Entwicklung künstlerischer Poesie. Nicht urbane Betriebsamkeit, sondern Vorstadtgelassenheit und Naturnähe bestimmen die Arbeitssituation der meisten Künstler im Rechtsrheinischen.

KStA abonnieren