GerichtBewährungsstrafen für zwei Täter der Silvesternacht in Köln

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Einer der Silvestertäter nach der Verhandlung vor dem Amtsgericht.

Köln – Köln steht seit den unsäglichen Geschehnissen in der Silvesternacht, als mehrere hundert teilweise gewaltbereite Männer, viele von ihnen aus Nordafrika, Frauen zu Dutzenden sexuell belästigten und auf Diebestour unterwegs waren, im Fokus weltweiter Berichterstattung. Entsprechend beeindruckend war das Medieninteresse, als am Mittwoch vor dem Kölner Amtsgericht die beiden ersten Taten aus jener Nacht verhandelt wurden.

Es ging dabei allerdings nicht um Sexualstraftaten – sondern um den Diebstahl einer Digitalkamera und eines Handys, begangen von Nordafrikanern. Kameras und Mikrofone der englischen BBC, von niederländischen TV-Sendern, von ARD und ZDF standen Spalier vor Saal 213, Vertreter von Presseagenturen und überregionalen Zeitungen drängten sich im Saal zu den Verhandlungen, die unter normalen Umständen nicht mal ein Eintrag im offiziellen Terminkalender des Amtsgericht gewesen wären.

Fall 1: Sechs Monate auf Bewährung für dreisten Handyklau

Tina S. (20, Name geändert) war an Silvester aus der Heimat im beschaulichen Sulz (Baden-Württemberg) mit ihren fünf Freundinnen mit dem Zug nach Köln angereist. Sie hatte sich zunächst angesichts des enormen Menschenandrangs am Bahnhof keine großen Gedanken gemacht: „Ich komme ja vom Land, da kennt man so was ja nicht. Ich dachte, das ist normal für Köln.“

Die angehende Studentin hatte die Atmosphäre, die ihr beim Verlassen des Bahnhofs entgegenschlug, als „ausgelassen, fröhlich, nicht aggressiv“ empfunden – und wurde Sekunden später eines Besseren belehrt. Plötzlich wurde die Gruppe massiv bedrängt, Tina S. spürte eine Hand an ihrem Po. Ungeachtet dessen versuchte die junge Frau kurz danach, den Dom mit dem Handy zu fotografieren. Prompt wurde ihr von hinten das Mobiltelefon aus der Hand gerissen. Der Täter flüchtete, sie nahm die Verfolgung auf und stellte den Dieb an der nächsten Ecke, wo dieser bereits am Boden lag, weil ein Augenzeuge ihm ein Bein gestellt hatte.

Im Gerichtssaal akzeptierte die Studentin wohlwollend die reumütig vorgetragene Entschuldigung des 23-jährigen Täters. Der gebürtige Marokkaner war nach eigenen Angaben bereits vor einem Jahr illegal über Spanien nach Deutschland ein. In Nottuln bei Münster hatte er sich im Dezember 2015 als Asylsuchender angemeldet, ohne allerdings einen Antrag zu stellen.

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Das Medieninteresse ist riesig.

Ein Tag vor Silvester war er in Bochum bereits erkennungsdienstlich bei der Polizei behandelt worden – wegen Taschendiebstahls und Schwarzfahren hatte er dort eine Nacht im Arrest verbracht. Bei seiner Festnahme in Köln war in seinen Socken ein Tütchen mit einem Gramm Amphetamin sichergestellt worden.

Die Anklägerin sprach in ihrem Plädoyer von einer „dreisten Tat“ und hielt dem Angeklagten vor, dass er sich nicht viel Mühe gebe, sich an die hier geltenden Regeln zu halten. Durch sein Verhalten habe er dazu beigetragen, dass das Sicherheitsempfinden der Allgemeinheit seit Silvester ganz empfindlich beeinträchtigt sei: „Sie haben unser Gastrecht missbraucht.“ Sie forderte ein „abschreckendes Urteil“ und plädierte für eine sechsmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Üblich ist bei einem Ersttäter zunächst die Verhängung einer Geldstrafe. Richter Amand Scholl verhängte zusätzlich zu der geforderten Bewährungsstrafe wegen des Drogenbesitzers 100 Euro Geldstrafe. „Sie haben gezeigt, dass Sie die Vorschriften, die in diesem Land gelten, nicht ernst nehmen“, sagte der Richter im Urteil.

Der zweite Fall aus der Silvesternacht, der vor Gericht verhandelt wurde.

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Zweiter Fall: Die Verdächtigen sollen Silvester eine Kamera gestohlen haben

Fall 2: Drei Monate auf Bewährung für Diebstahl

Khalid B. (23) heißt in Wirklichkeit Ahmed – und auch sonst ist die Frage nach seiner Identität gleich zu Beginn des Prozesses ein schwieriges Unterfangen. Weil er schon einmal bei der Polizei auffiel und sein Fingerabdruck gespeichert wurde, habe er aus Angst in der Silvesternacht falsche Angaben zur Person gemacht, lässt er über seinen Anwalt wissen.

Wo der angebliche Tunesier geboren ist, wie er wirklich heißt, wo er herkommt, seit wann er in Deutschland ist – es sind widersprüchliche Angaben, die Richterin Julia Roß präsentiert werden. Und die sie im Urteil Stunden später so kommentiert: „Mir ist nicht im Geringsten gelungen, zu klären, mit wem wir es hier zu tun haben. Ich habe nicht mal eine ungefähre Vorstellung davon, wer Sie sind. Das ist ein Phänomen, das Angst macht.“

Immerhin gibt Khalid alias Ahmed zu, dass er gemeinsam mit seinem mitangeklagten Freund Samir S. (19) in der Silvesternacht auf der Hohenzollernbrücke einem Inder einen Rucksack mit darin enthaltener Digitalkamera gestohlen zu haben. Khalid stellte dem Opfer eine belanglose Frage, griff den Rucksack, warf ihn Samir zu, der das Diebesgut einem unbekannt gebliebenen Dritten in die Hand drückte.

Letzterer flüchtete, die beiden Täter waren vom Opfer festgehalten und der Polizei übergeben worden. „In normalen Zeiten hätten wir derartige Verfahren in aller Kürze beendet“, hebt Ankläger Bastian Blaut die Tatsache hervor, dass sich das Geschehen an Silvester „in der schwierigsten gesellschaftspolitischen Krise der letzten Jahrzehnte“ abgespielt habe. Zwar sei die „Justiz keine Politik und mache auch keine Politik“, aber die strafrechtliche Aufarbeitung der Taten müssten mit „deutlichen Signalen“ im Urteil einhergehen. So forderte er für Khalid eine viermonatige Bewährungsstrafe, für Samir, der Monate zuvor mehrere Diebstähle in Bochum beging, eine sechsmonatige Bewährungsstrafe.

Im Urteil wurde schließlich beiden zugute gehalten, dass es ein „einfacher Diebstahl ohne Gewaltanwendung“ war. Beide sind Ersttäter, Samir gar Heranwachsender, der nach Jugendstrafrecht beurteilt wurde und somit lediglich mit einer Schuldfeststellung davon kam, während Khalid B. zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Beide müssen darüber hinaus jeweils 60 Sozialstunden ehrenamtliche Arbeit verrichten – vorzugsweise in einer Flüchtlingsunterkunft.

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