Verteidiger nicht erschienenSalatbar-Mordprozess steht vor dem Aus

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Supersalad Mord

Der Angeklagte Enes S. (links).

Köln – Deutete anfangs noch vieles darauf hin, dass der Prozess um den Mord in der Salatbar schneller als gedacht zu Ende gehen könnte, ist nach sechs Verhandlungstagen das genaue Gegenteil eingetreten: Das Verfahren steht vor dem Aus. Der Pflichtverteidiger ist auf unbestimmte Zeit erkrankt, und seinen Wahlverteidiger möchte der Angeklagte „nie wieder sehen“, wie er dem Gericht am Donnerstag mitteilte. Es folgten wüste Beschimpfungen auf türkisch, die der Dolmetscher den Richtern übersetzen musste.

Angeklagter beleidigt Anwalt

Was war passiert? Wie schon am Dienstag waren die beiden Anwälte von Enes A. nicht zur Verhandlung erschienen: Pflichtverteidiger Andrija Pancic aus Hamburg hatte sich erneut krankgemeldet. Die Kammer hat ein Attest angefordert, dies aber noch nicht erhalten. A.’s Wahlverteidiger Oguz Sarikaya aus Köln hatte dem Gericht per Fax mitgeteilt, dass er nicht komme – er sieht seine weitere Bezahlung durch den Mandanten in Gefahr. Daraufhin erwog die Strafkammer, Sarikaya – wie seinen Hamburger Kollegen – als zweiten Pflichtverteidiger beizuordnen, dann bekäme er sein Honorar aus der Staatskasse. Doch als die Vorsitzende Richterin Donnerstagmorgen in Sarikayas Büro anrief, um zu fragen, ob er gewillt sei, im Gericht zu erscheinen, habe man ihr nur sinngemäß ausgerichtet, dem Fax sei nichts hinzuzufügen.

Kaum hatte die Richterin das im Saal verkündet, platzte dem Angeklagten der Kragen. Er beleidigte Sarikaya und entzog ihm das Mandat.  Auch seinen Pflichtverteidiger, Pancic, wolle er nicht mehr haben, notierte A. auf einem Zettel, den er dem Gericht überreichte. Stattdessen wolle er einen neuen Pflichtverteidiger – und zwar Ulrich Sommer, Gottfried Reims oder Reinhard Birkenstock.

Gericht berät weiteres Vorgehen

Über dieses Ansinnen berät nun das Gericht. Klar ist: Einen Pflichtverteidiger zu entlassen, ist nicht so ohne weiteres möglich. Dazu muss das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant „nachhaltig und ernsthaft“ gestört sein. Die Voraussetzungen dafür sind streng. Weil aber unabhängig davon auch unklar ist, ob Andrija Pancic zum nächsten Verhandlungstag am 6. September wieder gesund ist, wird die Kammer nun sicherheitshalber womöglich einen zweiten Pflichtverteidiger bestellen. Dies könnte einer der drei genannten sein – sofern er willens und in der Lage wäre, sich bis zum 6. September in die Akten einzulesen. Die Zeit drängt, ein begonnener Prozess darf nur maximal drei Wochen unterbrochen werden. Andernfalls muss er später noch einmal komplett neu aufgerollt werden. Das hieße: Alles, was an den ersten vier Verhandlungstagen bereits ausgesagt und verhandelt wurde, wäre dann hinfällig.

Enes A. steht unter Verdacht, im Sommer 2007 die damals 24 Jahre alte Salatbar-Chefin Anke Schäfer in ihrem Geschäft in der Gertrudenstraße mit elf Stichen ermordet zu haben, um sie zu auszurauben. Am ersten Prozesstag hatten die beiden Anwälte gleich zu Anfang betont, ihr Mandant räume die Tat „an sich“ ein. Sie versicherten, von einer Form der Verteidigung absehen zu wollen, die das Leid der Hinterbliebenen noch verstärken könnte. Keine zwei Wochen später droht nun das gesamte Verfahren zu platzen.

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