Kölner Feuerwehr und NotarztSo oft werden Rettungkräfte körperlich angegriffen

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Bei den ganz normalen Einsätzen von Notärzten und Rettungsdiensten nimmt die Gewalt zu.

Bei den ganz normalen Einsätzen von Notärzten und Rettungsdiensten nimmt die Gewalt zu.

  • Körperliche Gewalt gegenüber Notärzten und Sanitätern nimmt zu.
  • Rettungskräfte berichten von zahlreichen Attacken in den vergangenen Monaten.

Köln – Die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Rettungskräften bereitet auch den Verantwortlichen in Köln große Sorgen. Ein aktueller Fall, bei dem am Wochenende zwei Sanitäter in Gelsenkirchen während eines Einsatzes von einer Gruppe Männer angegriffen und verletzt wurden, hat das Thema jetzt in den Mittelpunkt gerückt.

Ralf Blomeyer, stellvertretender Leiter des ärztlichen Rettungsdienstes bei der Kölner Feuerwehr, stuft den Vorfall im Ruhrgebiet keineswegs als Einzelfall ein.

Verbalattacken gehören zum Alltag

„Das ist eine Situation, die zunehmend von uns beobachtet wird“, sagt der Notarzt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Vor allem die verbale Gewalt gegenüber den Rettungskräften nehme von Jahr zu Jahr zu und sei inzwischen an der Tagesordnung. Körperliche Gewalt gegenüber Notärzten und Sanitätern sei zwar noch immer eine Ausnahme, nehme aber ebenfalls zu. Laut einer Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Unfallkasse haben 98 Prozent der Rettungskräfte bereits verbale Gewalt erlebt. 59 Prozent berichten von gewalttätigen Übergriffen, was allerdings auch das Anspucken und Anschubsen beinhaltet.

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Blomeyer selbst hat vor kurzem während eines Einsatzes erlebt, dass ein Mann brüllend auf ihn zurannte. Die von ihm behandelte Patientin hatte auf der Straße einen Krampfanfall erlitten und lag dort auf einer Trage. „Ich habe entschieden, dass wir sie zur Weiterbehandlung in ein Krankenhaus bringen“, erinnert sich Blomeyer. Plötzlich habe sich ein Mann zu Wort gemeldet und die Sanitäter aufgefordert, die Frau von der Trage herunterzuholen. Als die Rettungskräfte sich weigerten, sei der Mann aggressiv geworden, habe aber niemanden geschlagen. „Das haben wir in dem Moment trotzdem als sehr bedrohlich empfunden, weil man niemals weiß, wie weit jemand geht“, sagt Blomeyer. Mittlerweile sei es durchaus üblich, einen Kollegen gegenüber umstehenden Menschen abzusichern, sobald er sich zu einem Patienten herunterbeugt.

Ein anderes Beispiel sei ein Wiederbelebungsversuch bei einem Patienten gewesen. „Da versucht man, jemanden zu reanimieren, und die Autofahrer hupen wie verrückt, weil sie nicht am Rettungswagen vorbeikommen“, so Blomeyer. Im extremsten ihm bekannten Fall sei ein Autofahrer in die Wohnung eines Patienten eingedrungen, um die Sanitäter während der Behandlung aufzufordern, ihr Fahrzeug umzuparken.

Als er vor seinem Medizinstudium als Sanitäter arbeitete, sei es etwa noch ohne weiteres möglich gewesen, während einer laufenden Kirmesschlägerei die Verletzten zu versorgen. „Während die Polizei auf Verstärkung warten musste, konnten wir unbehelligt behandeln“, erinnert sich Blomeyer. „Wir waren damals sakrosankt.“

Hohe Präsenz erforderlich

Das sei mittlerweile undenkbar, weil der Respekt vor Polizisten, Feuerwehrleuten, Notärzten und Sanitätern inzwischen weitgehend verloren gegangen sei. Das verdeutliche sich auch an der extrem hohen Polizeipräsenz auf den Ringen an den Wochenenden. Nur so könnten Ruhe und Ordnung aufrechterhalten werden. „Das ist eine Abkehr vom gesellschaftlichen Miteinander hin zum reinen Selbst“, sagt Blomeyer. Ein Zusammenhang mit der Herkunft der Täter sei aus seiner Sicht nicht erkennbar.

Das Problem betreffe junge Migranten ebenso wie den typischen deutschen Junggesellenabschied. Alkohol und verbotene Substanzen spielten oft eine Rolle, aber nicht zwangsläufig. „Aus meiner Sicht ist das der Untergang des Anstands“, sagt Blomeyer. Das einzige, was helfe, sei ein deeskalierendes Auftreten der Rettungskräfte. Das werde seit ein paar Jahren intensiv trainiert, auch mit der Unterstützung der Polizei.

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