Bergisch Gladbach/KölnSchelte vom Verkehrsclub gegen 33-Punkte-Maßnahmenkatalog

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Eins der Projekte: Die staugeplagte Autobahn 4 soll auf sechs Spuren ausgebaut werden.

Eins der Projekte: Die staugeplagte Autobahn 4 soll auf sechs Spuren ausgebaut werden.

Köln/Bergisch Gladbach – „Uns fehlt leider das Vertrauen, dass diejenigen, die das Problem seit 20 Jahren nicht in den Griff kriegen, dieses Programm jetzt umsetzen.“

Dieses Misstrauensvotum gaben Friedhelm Bihn und Roland Schüler vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) gegenüber dem 33-Punkte-Maßnahmenkatalog des „Runden Tischs Verkehr rechtsrheinisch“ ab, mit dem dieser den Verkehr an der Stadtgrenze von Köln und Bergisch Gladbach zähmen will.

Es fehlten nicht nur etliche längst angeschobene Maßnahmen wie etwa Schnellbus-Projekte in dem Papier, das von den beiden Kommunen und dem Rheinisch-Bergischen Kreis am vergangenen Freitag vorgestellt wurde (wir berichteten), sondern es sei auch keine kurzfristige Hilfe zu erwarten.

Doch die Zeit dränge, denn an der Bergisch Gladbacher Straße würden inzwischen gesundheitsgefährdende Lärmmesswerte erreicht. Unter acht als kurzfristig umsetzbar bezeichneten Vorhaben seien dagegen allein drei Prüfaufträge, „und Prüfaufträge dauern ewig“. Der Güterverkehr insbesondere auf der Schiene sei komplett ausgeklammert worden. Und das Vorhaben, einen Autobahnzubringer über die Bahndammtrasse zu bauen, könne nur befürworten, „wer gar nichts gelernt hat in den letzten 20 Jahren, vor allem nicht die Regel: Neue Straßen schaffen neuen Verkehr“.

Die Grundsatzschelte, die am Montag vom Naturschutzverband BUND und dem VCD im Bürgerzentrum Dellbrück am „Runden Tisch“ geübt wurde, wunderte insoweit, als das von den Verbänden vorgeschlagene Maßnahmenpaket viel Ähnlichkeit mit den Vorschlägen des Runden Tisches hat. Auch am Montag wurde als Dringlichstes die Takterhöhung der S-Bahnlinie 11 genannt sowie die Verdichtung des Verkehrs auf der Stadtbahnlinie 3. Es ging um Schnellbusverbindungen, Vorrangrouten für Fahrradverkehr sowie um eine Änderung der Tarifstruktur, die den Zonensprung an der Stadtgrenze abschafft. „Das kriegen andere Verkehrsverbünde doch auch hin!“

Alle diese Maßnahmen könnten binnen weniger Wochen und Monaten die Autozahlen auf der Bergisch Gladbacher Straße herunterbringen, auf der momentan in der Spitzenstunde 2500 Fahrzeuge gezählt werden, darunter mehr als 100 Lkw. Wenn nicht, dann drohe im Sommer das totale Durchfahrtverbot, denn die in Dellbrück und Holweide gemessenen Emissionswerte sprengen alle Richtlinien und sind derzeit Gegenstand einer erfolgversprechenden Klage beim Bundesverwaltungsgericht.

Die Retourkutsche

„Das Fahrverbot kommt sowieso“, ist sich Horst Mohr sicher, der den Bezirk im Kölner Stadtrat vertritt. Und das scheint ihn mit grimmiger Zuversicht zu erfüllen, denn Mohr geht es in erster Linie darum „die Bevölkerung zu schützen“. An der Bergisch Gladbacher Straße gebe es vornehmlich sozialen Wohnungsbau und diese Bürger könnten sich schlechter Gehör verschaffen und selbst schützen. Anderswo würden Werte von 77 Dezibel am Tag und 69 in der Nacht schon lange nicht mehr hingenommen.

Die Vorstellung dieser Messergebnisse und Vorschläge zur Verbesserung der Situation waren der eigentliche Zweck der Pressekonferenz, der durch den „Runden Tisch“ ein wenig die Schau gestohlen worden war – was dann vielleicht auch die Bissigkeit in Richtung der „Konkurrenzveranstaltung“ erklärt. Zumal sich die Verbände von den Kommunalverwaltungen in dieser Gesprächsrunde ausgegrenzt fühlten. Ihre Retourkutsche für diese empfundene Missachtung: „Ich fürchte, ohne öffentlichen Druck wird sich da gar nichts bewegen“, wie Dr. Helmut Röscheisen vom BUND formulierte.

Freilich – jenseits der kurzfristigen Maßnahmen gehen die Vorstellungen weit auseinander: BUND und VCD setzen auf die Schiene, um die Lkw aus dem Straßenverkehr herauszuholen. Es sei absolut unverständlich, dass in Gladbach das mit Millionen-Investitionen erbaute Güterterminal Zinkhütte nach dem Niedergang von Zanders von der Wirtschaft ungenutzt liegengelassen werde und die Stadt das hinnehme, während die benachbarte Firma Krüger ihre Lkw über die Straße rollen lasse.

Das Terminal könne das innerstädtische Straßennetz um 17 000 Lkw jährlich entlasten, stellte Verkehrsingenieur Heinz Schwarz für den VCD fest, und verglich die Schienengüterverkehrsquote der Schweiz (41 Prozent) mit der Deutschlands (17 Prozent). Die hohe Auslastung sei in dem Alpenland politisch gewollt. „Die Firma Nestlé mit einem vergleichbaren Produkt-Sortiment wie Krüger transportiert in der Schweiz einen Großteil ihrer Waren auf der Schiene. Warum kann Krüger das nicht?“

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