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Illegale RennenPolizei Köln verschickt „Gefährderbriefe“ an uneinsichtige Raser

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160 junge Autofahrer haben Post von der Kölner Polizei bekommen.

Köln – Es fehlten nur Zentimeter, sonst hätte Köln vor knapp sieben Wochen den nächsten tödlichen Raserunfall erlebt. An einem Sonntagvormittag waren zwei junge Autofahrer wohl mit viel zu hohem Tempo um den Neumarkt gerast. Ein Wagen brach aus, schleuderte 80 Meter über die Fahrbahn, drehte sich um 180 Grad und kam an einem Ampelmast zum Stehen.

Fußgänger sprangen im letzten Moment zur Seite. „Wir hatten unwahrscheinlich viel Glück“, sagt Rainer Fuchs, Leiter der „Projektgruppe Rennen“ der Polizei. „Es war das gleiche Muster wie bei dem tödlichen Unfall am Auenweg vor zwei Jahren.“

Die beiden 20 und 24 Jahre alten Neumarkt-Raser sind zwei von 160 jungen Männern, die in dieser Woche Post von der Polizei bekommen. „Sicher fragen Sie sich, was wir von Ihnen wollen“, beginnt das zweiseitige Schreiben, adressiert an alle Autofahrer, die seit 2015 in der Stadt mit einem illegalen Rennen aufgefallen sind. Überwiegend seien dies Deutsche mit türkischen Wurzeln, die meisten zwischen 20 und 30 Jahren, berichtet Fuchs.

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Verurteilung wegen Mordes

In dem Brief werden die Kölner Raser ausführlich über ein Urteil des Berliner Landgerichts vom Februar informiert. Die Richter hatten zwei junge Autofahrer zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil sie sich auf dem Kurfürstendamm ein unerlaubtes Straßenrennen geliefert hatten, bei dem ein 69-jähriger Mann starb. Das Besondere an dem Urteil: Erstmals wurden die Täter nicht wie üblich in solchen Fällen wegen fahrlässiger Tötung, sondern wegen Mordes verurteilt. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, es brachte Ernst Klein von der Direktion Verkehr bei der Kölner Polizei aber sofort auf die Idee mit dem Brief.

Das Urteil finde er gut, sagt der Inspektionsleiter: „Wer in einem dicht besiedelten Gebiet mit Hochgeschwindigkeit fährt, kann nach einem tödlichen Unfall nicht sagen: »Damit habe ich nicht gerechnet«.“ In dem Info-Schreiben an die Kölner Raserszene heißt es: „Wer möchte schon 15 Jahre ins Gefängnis, nur weil man imponieren oder der Schnellste sein wollte?“ Der Brief endet mit dem Appell: „Halten Sie sich an die Regeln im Straßenverkehr, insbesondere an Geschwindigkeitsbegrenzungen, und bewahren Sie sich und andere Menschen vor schrecklichen Folgen.“

Die Polizei versteht den so genannten Gefährderbrief als eine Art Infopost. „Wir wollen den Adressaten klar machen, was ihnen drohen kann und dass wir sie im Blick haben“, sagt Klein. Ob das Schreiben Eindruck auf die Szene macht, bleibt abzuwarten. „Es ist ein Puzzleteil unseres Gesamtkonzepts“, sagt Klein.

Bislang zeigen sich die Raser eher unbeeindruckt von polizeilicher Prävention. „Wir wollten mit 40 Männern Gefährderansprachen machen, nur ein einziger hat zugestimmt“, berichtet Rainer Fuchs. Wenn er und seine Kollegen einen Raser kontrollieren, erleben sie immer wieder, dass in ihrem Rücken der nächste schon die Motoren heulen lässt – pure Provokation.

„Diese Leute treten unsere Rechtsordnung mit Füßen, während wir daneben stehen“, sagt Ernst Klein, „und das lassen wir nicht zu“. Er spricht von „lebensgefährlichem Imponiergehabe“.

Im Gegensatz zu Autofreunden, die ihre Fahrzeuge legal tunen und sie vom Tüv abnehmen lassen, schere sich die Raserszene keinen Deut um Gefahren. „Die motzen ihre Autos teilweise um 130 PS auf, stimmen aber weder das übrige Fahrwerk, noch das Lenkrad oder die Bremsen auf die technischen Änderungen ab“, sagt Fuchs. „Sie rasen mit illegal getunten PS-Monstern durch die Gegend und bringen sich und andere in Lebensgefahr.“

Zwar bekomme die Polizei zunehmend auch Rückmeldungen von Kölnern, die berichten, es sei etwas ruhiger geworden auf den Straßen, seit die Polizei die Szene gezielt verfolge. Erledigt hat sich das Problem aber keineswegs: „Es hört nicht auf. Illegale Rennen finden weiter statt“, sagt Rainer Fuchs.

Beliebte Raserstrecken seien vor allem die großen Ausfallstraßen wie Luxemburger, Aachener oder Bergisch Gladbacher Straße, aber auch die Gegend um den Neumarkt.

Im August läuft das ursprünglich nur befristet angelegte „Projekt Rennen“ bei der Polizei aus. Danach, so hofft Klein, sollen die 14 beteiligten Beamten in eine feste Dienststelle „Einsatztrupp Verkehr“ überführt werden.

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