AnklageMucher „Reichsbürger“ erzählt – „Ich bin nicht Bürger der BRD“

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Reichsbürger

Symbolbild

Much/Siegburg – Er zahlte Steuern und Gebühren an den „Freistaat Preußen“, bekam Personalpapiere, einen Führerschein in Form eines grauen Lappens und Nummernschilder mit Adler.

Als die Polizei den 42-Jährigen stoppte, erklärte er die Beamten für unzuständig: „Ich bin nicht Bürger der BRD.“ Das sehe er jetzt anders, sagte der Angeklagte am Dienstag vor Gericht, wo er sich wegen Fahrens ohne Führerschein und ohne Versicherungsschutz verantworten musste.

Zugehörigkeit zum „Freistaat Preußen“

Seine Zugehörigkeit zum „Freistaat Preußen“ habe ihm nichts eingebracht außer Ärger und Kosten, sagte er. Und seine selbst erwählten „Landsleute“ hätten ihn anders als versprochen im Stich gelassen, als er mit dem Gesetz in Konflikt geriet.

Dabei hatte er die Freiheit gesucht und auch vermeintlich gefunden. Die BRD sei nur eine Firma, der Bundespräsident – damals Hans-Joachim Gauck – lediglich Geschäftsführer, diese Argumentation fand der geschiedene, kinderlose Konstruktionsmechaniker „logisch“.

Das Preußen-Oberhaupt, das sich „Thomas Mann“ nannte (wie der Schriftsteller, d. Red.), habe ihn mit Dokumenten versorgt, die diese Weltsicht stützten. Die Bürokratie des fiktiven Freistaats tat ein übriges, schilderte er: „Es gibt ein Verkehrsministerium, das Gebührenbescheide verschickt und mir zusicherte, dass das Auto haftpflichtversichert ist.“

Auch  falsche Autokennzeichen  geben der Polizei und  dem Staatsschutz Hinweise auf mutmaßliche „Reichsbürger“.

Auch  falsche Autokennzeichen  geben der Polizei und  dem Staatsschutz Hinweise auf mutmaßliche „Reichsbürger“.

In seinem erwählten Staat flutschten allerdings die Dinge nicht so wie gewohnt: „Alles lief langsam, auf die Kfz-Zulassung habe ich Wochen gewartet“, schilderte er im Prozess. Doch er brachte Verständnis auf für die wochenlangen Vertröstungen: „Das Verkehrsministerium bestand lediglich aus einem Mitarbeiter.“ Und der arbeitete auf Basis der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911.

Um dazuzugehören, tat er das, was die „Preußen“ von ihm verlangten, gab die für ihn ungültigen BRD-Dokumente zurück. Doch mit dem neuen Pass konnte man nicht überall hinreisen („Nach England ging nicht“), beschrieb er seine Enttäuschung. Und dass ihm das Straßenverkehrsamt die Fahrerlaubnis entzog, damit habe er auch nicht gerechnet.

Spaziergänger wiesen Polizei auf Kennzeichen hin

Die Polizei war auf den 42-Jährigen aufmerksam geworden durch Spaziergänger, denen der Pkw mit den Preußen-Kennzeichen vor einer Werkstatt in Much komisch vorkam.

Die Beamten konfiszierten den Opel im September 2016, schraubten die Schilder mit der großen römischen „I“ (für Preußen) ab und schrieben eine Anzeige. Der Angeklagte meldete das Fahrzeug daraufhin ordnungsgemäß an, wenn auch nicht auf seinen Namen, um damit weiter zur Arbeit zu fahren.

Doch vier Wochen später kreuzten die Ordnungshüter erneut seinen Weg und stellten ihn an einer Tankstelle, zerrten den Renitenten aus dem Wagen und fesselten ihn.

Der Mann gab dem Gericht Einblicke in die Szene. So würden sich die Preußen nicht als „Reichsbürger“ sehen, von denen es 140 verschiedene Gruppen gebe, „die behaupten alle, die Richtigen zu sein“.

Das Gericht stellte das Verfahren ein, statt einer Geldbuße muss der Hartz-IV-Empfänger 40 Sozialstunden leisten. Ohne Führerschein habe er nicht mehr arbeiten können, sagte er. Eine Verurteilung hätte bedeutet, sagte Amtsrichter Hauke Rudat, dass er den richtigen „Lappen“ auf lange Sicht nicht wiederbekommt.

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