„Gefährlicher Ernährungstrend“So drastisch warnt dieser Arzt vor „Clean Eating“

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Orthorexie leeer Teller Gemüse dpa

Bei Menschen mit Orthorexie tritt lustvolles Essen in den Hintergrund. 

Der britische Arzt Dr. Max Pemberton warnt in einem Gastbeitrag in der britischen Zeitung „Daily Mail“ vor der Trend-Ernährung Clean Eating. Diese Art der Ernährung sei alles andere als gesund, sagt er. Der Arzt behandele in seiner Praxis immer mehr Fälle, die mit einer Essstörung in Zusammenhang stehen. Pemberton erzählt weiter, dass in vielen Fällen die meist weiblichen Patientinnen durch Clean Eating eine lebensgefährliche Essstörung entwickelt – und sich so in einigen Fällen fast zu Tode gehungert hätten.

Was ist Clean Eating eigentlich?

Das oberste Credo der Verfechter des Clean Eating-Trends: frisch und gesund essen. Fertiggerichte und industriell verarbeitete Lebensmittel werden gemieden. Die Kernidee ist also: Selber kochen – mit viel Obst, Salat, Gemüse und Vollkornprodukten.

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Genau diesen besonders dogmatischen Ansatz des Clean Eating-Trends kritisiert der Mediziner: Frische, unverarbeitete Lebensmittel gelten „gut“, alles andere werde aber verteufelt und als „schlecht“ angesehen. Mangelernährung sei demnach nur eine logische Konsequenz dieses Schwarz-Weiß-Denkens. Wer sich in die Idee hineinsteigere, verteufle bald auch pestizidbelastetes Gemüse und industriell gezüchtetes Fleisch, führt der Arzt weiter aus. Der nächste Schritt sei dann, komplett auf Fleisch, Milchprodukte oder Kohlenhydrate zu verzichten.

Dann fehle es dem Körper aber an lebensnotwendiger Energie – und er baut massiv ab. „Der Körper sucht verzweifelt nach einer Energiequelle – und beginnt quasi damit, seine eigenen Muskeln zu essen.“ Patienten mit einer Essstörung fehle es oft schon an der Kraft, selbstständig in die Hocke zu gehen.

Orthorexie ist kein neues Phänomen – die mediale Präsenz schon

Wie bei vielen anderen Essstörungen drehe sich bei den Betroffenen fast alles nur noch um das Essen – beziehungsweise das „Nichtessen“. Die Sucht nach gesunder Ernährung gebe es schon lange, so der Arzt. Man nennt sie Orthorexie. Doch die Art und Weise, wie sich Jugendliche in sozialen Netzwerken wie Instagram oder Facebook oder durch Promi-Vorbilder angetrieben in diese Idee hineinsteigerten, erreiche neue Ausmaße. Denn so sei das Problem allgegenwärtig, fast schon normal. Kranke würden ihre Krankheit erst spät erkennen und sich deshalb viel zu spät in Behandlung begeben.

„Im besten Fall ist Clean Eating Unsinn, der als Gesundheitstipp verkauft wird. Im schlimmsten Fall werden jene darauf aufmerksam, die sowieso schon psychische Probleme haben und ihre dogmatische und ungesunde Ernährung mit Clean Eating rechtfertigen wollen“, warnt der Arzt vor lebensbedrohlichen Konsequenzen für manche seiner Patienten. Besonders ärgern ihn Menschen, die behaupten, sie hätten keine Essstörung. Vielmehr würden sie durch Clean Eating einen gesunden Lebenswandel praktizieren. „Das Grundprinzip, manche Nahrungsmittel als schlecht zu verdammen – und so Gesundheit, Vitalität und Gewichtsverlust zu versprechen – ist der absolut falsche Weg“ warnt er.

Orthorexie Clean Eating Frau isst Tomate Teller leer imago

Laut dem Mediziner rechtfertigen viele Menschen ihre Essstörung mit der Begründung, Clean Eating sei gesund und empfehlenswert. 

Clean Eating-Ikone distanziert sich von Trend

Selbst die Ikone der Bewegung, Ella Woodward, habe sich selbst inzwischen von dem von ihr geprägten Clean Eating distanziert, wie der Mediziner schreibt. Denn der Begriff sei weiterentwickelt worden und was viele Menschen heute unter Clean Eating verstehen, sei nicht die Idee, die sie vertrete. Als sie den Begriff prägte, habe sie  darunter die Verwendung von natürlichen und unverarbeiteten Lebensmitteln verstanden – diese Definition sei jedoch heute für viele nicht mehr zutreffend.

Immer mehr Menschen in Großbritannien begeben sich mit Essstörungen in Behandlung. So seien 1,6 Millionen Briten von einer Essstörung betroffen. Laut der britischen Gesundheitsbehörde NHS seien 2015/2016 knapp 3000 davon in stationärer Behandlung im Krankenhaus gewesen – 2011/2012 lag die Zahl mit 2287 noch deutlich niedriger.

Die Mitschuld gibt der Mediziner auch sozialen Netzwerken, die die gefährliche Botschaft von dem vermeintlich gesunden Ernährungstrend verbreiten. Die britische Gesellschaft für Osteoporose warne ebenfalls, dass Clean Eating eine tickende Zeitbombe sei und viele junge Menschen, die den Trend jetzt praktizieren, später an dünnen und zerbrechlichen Knochen leiden könnten. (sar)

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