Feuer in KalifornienInferno im Weinland – Winzer stehen vor dem Aus

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Im Napa Valley brennt es.

Washington – Am Abend, als Jim Bundschu erstmals den orangefarbenen Feuerball am dunklen Horizont erblickte, war der 73-Jährige noch fest entschlossen, den historischen Familiensitz notfalls mit eigenen Händen zu verteidigen. „Ich bleibe und kämpfe“, sagte er seinem Sohn Jeff.

Doch kurz nach Mitternacht holten die Kinder den Winzer und seine Frau Nancy aus dem historischen Backsteingebäude oberhalb der „Rhinefarm“, packten eilig ein paar Habseligkeiten zusammen und flohen. Als tags darauf die Feuerwehr eintraf, war das Wahrzeichen eines der ältesten kalifornischen Weingüter bis auf die Grundmauern abgebrannt.

Dabei hatten die Eigentümer des Traditionshauses Gundlach Bundschu, das 1858 von dem bayerischen Auswanderer Jacob Gundlach gegründet wurde und zu den Spitzen-Produzenten von Pinot Noir gehört, noch Glück im Unglück. Der Großteil ihrer Reben blieb von den Flammen verschont. Freunde und Kollegen im Sonoma Valley haben alles verloren.

40 Menschen sind gestorben

Während die Behörden im Norden Kaliforniens allmählich Entwarnung geben, wird das ganze Ausmaß der Zerstörung der verheerenden Buschfeuer sichtbar. Nicht nur haben in den vergangenen zehn Tagen mindestens 40 Menschen ihr Leben verloren, und rund 6000 Häuser wurden dem Boden gleichgemacht.

Das Flammeninferno hat auch eine der schönsten Kulturlandschaften der USA schwer beschädigt: In der malerischen Hügellandschaft nördlich von San Francisco werden einige der besten und teuersten Weine der Welt angebaut. Napa und Sonoma Valley haben für Kenner einen Klang wie Bordeaux und Burgund in Frankreich. Mindestens 16 Weingüter wurden hier nun ganz oder teilweise zerstört. Rund 86.000 Hektar Land – das entspricht etwa der Fläche von Berlin – sind verwüstet.

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Zerstörte Weinflaschen auf einem Weingut

Der Verlust unzähliger Tonnen Trauben, die entweder verkohlt sind oder einen rauchigen Geschmack angenommen haben dürften, ist keineswegs das größte Problem der Region. Wegen einer Hitzeperiode hatten die Winzer in diesem Jahr sehr früh mit der Ernte begonnen. Nach einem Bericht des Wine Spectator waren bereits etwa 90 Prozent der Trauben eingebracht. Theoretisch könnte der Jahrgang 2017 also noch ganz ordentlich werden. Theoretisch. Denn in vielen Weingütern ist der Strom ausgefallen. Die Pressen werden jedoch elektrisch betrieben. Und für den Fermentierungsprozess müssen die Temperaturen möglichst konstant gehalten werden. Zudem sind viele Weinlager durch die Feuerkatastrophe vernichtet worden.

Touristen werden ausbleiben

Im nächsten Jahr dürfte es noch schlimmer werden: Ob und wie schnell sich die teilweise alten Reben von den Flammen erholen, ist unklar. Neupflanzungen tragen erst nach drei bis fünf Jahren erste Früchte. Deren Qualität kommt kaum an die alten Gewächse heran.

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Für Kalifornien sind die Buschfeuer eine Katastrophe.

Doch die wirtschaftlichen Folgen sind noch viel weitreichender: Die Weinregion in Nordkalifornien lebt nicht nur von ihren Spitzen-Produkten, sondern vor allem vom Tourismus. Viele Winzer vermarkten ihre feingliedrigen Pinots und kräftigen Cabernets bei Flaschenpreisen teilweise deutlich über 40 Dollar direkt ab Hof. Eine Vielzahl von Boutique-Hotels und Restaurants teilweise auf Feinschmeckerniveau hat sich in der Region angesiedelt. Rund 3,5 Millionen Besucher kamen im vorigen Jahr alleine ins Napa Valley. Der gesamte Tourismus-Umsatz im Weinland wird auf zwei Milliarden Dollar geschätzt.

Nun sind viele Probierstuben geschlossen, und die verwüstete Landschaft mit beißendem Rauch in der Luft schreckt die Besucher ab. „Wir haben Absagen bis weit in den November hinein“, berichtete Jamie Cherry, der Ko-Eigentümer des „Inn on First“ in Napa dem San Francisco Chronicle: „Das wird verheerende Folgen haben“.

So gravierend die Einbußen tatsächlich sein werden – eine andere Personengruppe steht buchstäblich vor dem Nichts: Rund 55.000 Einwanderer größtenteils aus Mexiko verrichten auf den Weingütern und in der Gastronomie die harte Arbeit. Viele von ihnen haben nun ihre Häuser verloren. So wurde in Santa Rosa das Migranten-Viertel Coffee Park von der Feuerwalze dem Erdboden gleichgemacht.

Die Verknappung des Wohnraums dürfte die ohnehin astronomischen Mietpreise im Weinland weiter in die Höhe treiben. Dabei haben viele Betroffene keinerlei Anspruch auf staatliche Hilfen, weil sie illegal im Land sind. Und wenn ihr Arbeitgeber vom Feuer betroffen wurde, müssen sie auch noch um ihren Job fürchten.

Vor diesem Hintergrund wirkt eine Bemerkung von Jeff Bundschu, dem Sohn von Jim, gar nicht mehr so pathetisch: „Wir haben einen Tag getrauert“, beschreibt er die Gefühle wegen der Zerstörung des hundertjährigen Familiensitzes: „Aber dann war da sofort diese große Dankbarkeit.“

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