Helge Braun im Interview„Müssen frühzeitig entscheiden, wer Kanzlerkandidat wird“

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Helge Braun

Helge Braun will CDU-Chef werden.

Herr Braun, Sie wollen CDU-Chef werden. Warum ist es wichtig, dass Sie das Rennen machen – und nicht Friedrich Merz oder Norbert Röttgen? Helge Braun: Ich will ein Angebot machen, das die Parteiarbeit in den Mittelpunkt stellt. Wir brauchen einen fröhlichen und sehr teamorientierten Ansatz. Wir müssen die CDU breit und modern aufstellen. Da gibt es viel zu tun. Es geht diesmal um die Selbsterneuerung der CDU – und nicht jetzt schon um die Frage, wer Kanzlerkandidat der CDU werden soll oder darum, welcher tagespolitische Kurs der Richtige ist.

Wo ist denn der Unterschied zwischen Ihrem Portfolio und dem von Norbert Röttgen?

Ich habe sowohl mit Norbert Röttgen als auch mit Friedrich Merz breite Übereinstimmungen. Ich möchte, dass die CDU inhaltlich in der Mitte steht. Es gibt sicher Unterschiede in der Frage des Führungsstils. Neben dem Vorsitzenden sollen auch andere Personen strahlen. Deshalb will ich mit Serap Güler und Nadine Schön zwei starke Frauen in die Repräsentanz der Partei mit einbinden.

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Angela Merkel hat kein gutes Verhältnis zu Merz und Röttgen. Wurden Sie von Ihr zur Kandidatur ermuntert?

Nein. Aber wir haben lange und eng zusammenarbeitet. Wir schätzen uns sehr, deswegen hoffe ich auch auf ihre Stimme. Die Spekulationen darüber, ob ich von Angela Merkel geschickt wurde, sind Unsinn. Es gehört zu ihrem Stil, dass Sie sich sehr zurückhält. Das war auch diesmal bei meiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz so. Manches, was dazu in sozialen Medien behauptet wurde, grenzt an Verschwörungstheorien.

Was würde ein Sieg von Friedrich Merz für die Chancen der CDU in NRW bei der Landtagswahl im Mai bedeuten?

Wir brauchen Rückenwind aus dem Bund für den Wahlkampf in NRW. Das ist unabhängig von der Frage, wer Bundesvorsitzender wird. Ich fände es klug, nach der Vorsitz-Entscheidung keine neue Personalfragen aufzuwerfen. Die CDU sollte den Gegner nicht in der eigenen Partei suchen.

Wie konnte es zu dem desaströsen Wahlergebnis der CDU bei der Bundestagswahl kommen?

Viele Probleme haben sich über lange Zeit aufgestaut. Manche Antworten, die die CDU gegeben hat, waren nicht präzise genug. Es war zudem schwer nach Jahren der großen Koalition, inhaltliche Unterschiede zur SPD deutlich zu machen. Die CDU hat deshalb oft eigene Interessen hinter denen des Landes zurück gestellt.

Manche sehen in Armin Laschet den Hauptschuldigen…

Armin Laschet hat selbst gesagt, dass auch er Fehler gemacht hat. Ein Problem war, dass die Vorbereitung auf den Wahlkampf nur so kurz war, weil es zu lange gedauert hat, bis die Union die Frage der Kanzlerkandidatur entschieden hatte. Auch der Streit darum hat uns in keine gute Ausgangsposition gebracht. Daraus müssen wir lernen. Wenn wir in Zukunft zwischen CDU und CSU unterschiedliche Positionen feststellen, müssen wir einen Mechanismus finden, der sich nicht nur auf die beiden Vorsitzenden zuspitzt, sondern breitere Teile der Führung einbindet, damit wir die Probleme einmütig lösen. Künftig müssen wir frühzeitig entscheiden, wer der nächste Kanzlerkandidat wird, um beste Erfolgsaussichten zu haben.

Braucht man dazu ein neues Gremium?

Ja, es muss eine institutionelle Vereinbarung darüber geben, wer sich zur Klärung unterschiedlicher Positionen zwischen CDU und CSU mit wem zusammensetzt.

Welche Rolle sehen Sie für Armin Laschet – kann er weiterhin ein Impulsgeber sein?

Er hat sich entschieden, im Auswärtigen Ausschuss mitzuarbeiten. Das passt großartig zu ihm. Er ist sehr international orientiert und ein großer Europäer.

Was hat Sie dazu bewogen, die Kölner Integrationsexpertin Serap Güler als Generalsekretärin vorzuschlagen?

Serap Güler hat als junge Frau schon sehr viel Erfahrung, ist seit 2012 im Bundesvorstand. Sie macht für die CDU mit Herz Politik, hat ein gesundes Maß an Streitkultur und ist inhaltlich breit aufgestellt. Wir kennen uns schon lange und schätzen uns sehr. Die freundschaftliche Zusammenarbeit, die wir pflegen, wünsche ich mir für die gesamte CDU.

Sollte Merz im ersten Wahlgang vorne liegen, käme es dann zu einer Allianz zwischen Ihnen und Röttgen?

Die Mitglieder sollen entscheiden, nicht Mehrheiten von Landesverbänden, die im Hintergrund organisiert werden. Ich wünsche mir da eine neue Beteiligungskultur in der CDU. Deswegen bin ich dafür, dass die Mitglieder sich jetzt erst einmal für den Kandidaten entscheiden, den sie selbst für den besten halten.

Im Kampf gegen die Pandemie wurden Sie eher dem „Team Vorsicht“ zugeordnet. An den Schulen explodieren die Infektionszahlen. Sind Schulschließungen in den nächsten Wochen überhaupt noch vermeidbar?

Ich befürchte, dass das aktuelle Infektionsgeschehen eher noch unterschätzt wird. Kinder haben zwar in aller Regel milde Verläufe. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass sie Erwachsene anstecken, gerade diejenigen, die nicht bereit waren, sich impfen zu lassen. Wenn wir die Schüler wieder nach Hause schicken würden – mit allen Folgeschäden, die damit verbunden wären, dann wäre das weniger zum Selbstschutz der Kinder, sondern weil wir ihnen erneut eine Gemeinschaftsleistung für die Gesellschaft abverlangen würden. Das ist nur in absoluten Ausnahmesituationen begründbar. Wenn es allerdings in den Klassen zu vielfachen Quarantäne-Anordnungen kommt, schließen sich Schulen leider von selbst. Gerade deshalb sollten sich mehr Erwachsene impfen lassen – zum Wohle der Kinder!

Muss man nicht befürchten, dass die Ampel-Parteien jetzt über einen sehr langen Zeitraum beieinander bleiben – und so ein Comeback der CDU als Regierungspartei strukturell unmöglich machen?

Wir arbeiten daran, dass die CDU schnell wieder stark wird. Da bin ich nicht verzagt, denn unsere Grundpositionen sind richtig.

Haben Sie die Hoffnung, dass die Ampel im Realbetrieb scheitert? Wo sehen Sie Sollbruchstellen, die Olaf Scholz gefährlich werden könnten?

Der Koalitionsvertrag ist sehr unkonkret. Deswegen sind Auseinandersetzungen absehbar. Im Koalitionsvertrag wird zudem eine große Ausgabenerwartung geweckt, die an keiner Stelle finanziert ist. Das wird schwierig für die Ampel werden. Unkonkret ist auch das wichtigste Thema in der Gesundheitspolitik: Zu Corona steht nix im Koalitionsvertrag außer zwei Gremien! Ich hoffe, dass Karl Lauterbach seinen ursprünglichen Positionen treu bleibt und nicht - wie in den letzten Wochen - auf den eher riskanten Kurs der FDP einschwenkt oder sich von Olaf Scholz ausbremsen lässt.

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Was müsste die Union ändern, um für FDP und Grüne als Koalitionspartner attraktiver zu werden als die SPD?

Es gibt keine unüberbrückbaren Hindernisse für die Zusammenarbeit mit FDP, Grünen oder SPD. Die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit sind gute Wahlergebnisse und eine gute Aufstellung der Union. Wenn wir daran arbeiten, finden wir Koalitionspartner und können unsere Inhalte auch wieder durchsetzen.

In der CDU wird darüber diskutiert, Annegret Kramp-Karrenbauer als Bundespräsidentin vorzuschlagen. Halten Sie das für eine gute Idee?

Das ist ein sehr attraktiver Vorschlag. Wir müssen als CDU nun im nächsten Schritt intern darüber beraten, wie wir in die Bundespräsidentenwahl gehen.

Die CDU ist durch die zuletzt kurzen Wechsel im Amt des Vorsitzenden zermürbt. Wie lange sollte der Nachfolger von Armin Laschet idealerweise im Amt bleiben?

Der CDU hat es immer gut getan, wenn die Vorsitzenden erfolgreich waren und lange Gestaltungszeiträume hatten. Das wünschen sich - denke ich - alle in der CDU für die nächste Amtsperiode.

Wie sehen Sie Ihre Chancen, neuer Chef der CDU-Deutschland zu werden?

Gut. Es gibt viel Zuspruch, für mich persönlich und auch für das Team. Jetzt habe ich große Lust, unsere Pläne in die Tat umsetzen und unsere Parteiarbeit zu stärken.

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