AltkleiderKölns großer Klamotten-Deal

Lesezeit 4 Minuten
Der Markt für Altkleider wächst.

Der Markt für Altkleider wächst.

Köln – Vom Geruch von Mottenkugeln keine Spur. „Das erste, was die Menschen sagen, wenn sie in unsere Kleiderkammer kommen, ist, dass es hier so gut riecht“, sagt Franz Meurer, Pfarrer der Vingster Gemeinde St. Theodor. 250 Säcke voll mit Altkleidern werden Woche für Woche in seiner Gemeinde von Bürgern abgegeben, gewaschen und schließlich in der gemeindeeigenen Kleiderkammer für einen kleinen Obolus von einem bis zwei Euro an bedürftige Menschen verkauft. Neulich war eine ganze Schulklasse zu Gast in St. Theodor. Jungs, die sich mit Anoraks eindeckten, Mädchen, die sich Schuhe aussuchten. „Der Bedarf an gebrauchten Kleidern steigt, weil die Armut in der Gesellschaft steigt“, sagt Meurer. Jeder fünfte Jugendliche im Pfarrbezirk sei arm, viele Familien hielten sich nur mit Hilfe von Gelegenheitsjobs gerade über Wasser.

Die Initiative Südwind rät Verbrauchern, Altkleider nur an Kleiderkammern abzugeben, die ihre Verwertungsketten völlig transparent gestalten. Fairwertung warnt davor, Altkleider an Haussammlungen zu geben. Bei Altkleider-Containern sollte man genau auf die Aufschriften der Anbieter achten. (ris)

Nicht immer kommen Altkleider aber tatsächlich Bedürftigen zugute. Denn der Handel mit Second-Hand-Ware ist mittlerweile ein Riesengeschäft. Experten schätzen, dass die Bürger jährlich bundesweit 750 000 Tonnen Altkleider sammeln, Mitte der 90er Jahre waren es nicht einmal die Hälfte. Zehn Prozent davon lande im Müll, 50 Prozent werde recycelt – beispielsweise zu Putzlappen für die Autoindustrie und Dämmstoffen, sagt Thomas Ahlmann vom Dachverband Fairwertung. Lediglich 40 Prozent des Sammelguts sei hochwertig und könne als Kleidung wiederverwertet werden.

Alles zum Thema Henriette Reker

Manches davon lande in Kölner Kleiderkammern, vieles werde über Verwertungsgesellschaften weltweit transportiert. Bessere Ware wird bevorzugt nach Osteuropa gebracht, schlechtere Ware oft nach Afrika. Dort gilt die Second-Hand-Kleidung als Segen und Fluch zugleich. Second-Hand-Kleidung werde dringend benötigt, so Ahlmann. In Ländern wie Tansania trügen mehr als 50 Prozent der Menschen gebrauchte Kleidung. Auf den Märkten in Daressalam oder Nairobi würden Jeans und gebrauchte Designer-Jacketts für umgerechnet gerade einmal zehn Euro das Stück angeboten, Hemden gar für nur ein bis zwei Euro.

Westliche Lumpen und schlechte Infrastruktur

Machen also die westlichen Dumping-Importe die einheimische Industrie in den afrikanischen Staaten kaputt? So einfach sei es nicht, sagt Ahlmann. In Tansania habe es beispielsweise nie eine flächendeckende Kleidungsproduktion gegeben. Mehr Schwierigkeiten als die westlichen Lumpen machten den wenigen Herstellern die schlechte Infrastruktur, die politische Instabilität in manchen afrikanischen Ländern und Billig-Neuware aus China. Die mangelnde Kaufkraft der Bevölkerung sei obendrein ein ernstes Problem. Afrikanische Textilhersteller produzierten ohnehin lieber für den Weltmarkt als für die lokale Bevölkerung. Ahlmann sagt: „Dort kann man eine Hose statt für drei für 50 Euro verkaufen.“

Südwind-Experte Friedel Hütz-Adams sieht das ganz anders: „Die Wahrheit ist, dass Altkleider einen großen Anteil am Niedergang der Textilindustrie vieler afrikanischer Staaten hatten.“ Einer Studie zufolge sind von 1981 bis zum Jahr 2000 40 Prozent des Rückgangs der Produktion in afrikanischen Textilfirmen und 50 Prozent der Arbeitsplatzverluste auf Altkleider zurückzuführen. „Altkleider sind eine wichtige Ursache für den Niedergang der afrikanischen Textilindustrie.“ Selbst Importverbote in Länder wie Nigeria halfen da kaum: Über einen regen Schmuggelhandel gelange die Second-Hand-Ware über das benachbarte Benin ins Land.

Hütz-Adams kritisiert vor allem, dass der deutsche Altkleider-markt undurchschaubar sei. Selbst große karitative Verwerter beauftragten Subunternehmer und wüssten oft nicht, wohin die Kleider geliefert würden. Das widerspreche dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, das viel Transparenz verlange. „Ich würde es begrüßen, wenn auf jedem Sammelzettel und jedem Container nachzulesen wäre, wie viel Prozent Spendenwertes tatsächlich dem karitativen Zweck zugute kommen.“

Unübersichtlicher Markt in Köln

Unübersichtlich ist auch der Markt in Köln: Wie viele Firmen in der Stadt aktiv sind, weiß nicht einmal Kölns Sozialdezernentin Henriette Reker. Gezählt habe die Stadt allein 2012 insgesamt 500 illegal errichteter Container, mit denen teils dubiose Entsorger Kleidung sammelten. Jetzt will auch die Stadt in das Geschäft mit der Altkleidung einsteigen. Probeweise sollen von April an im Bezirk Ehrenfeld zwischen zehn und 50 Container aufgestellt werden. Kommt der Modellversuch nach sechs Monaten gut an, könnte die Stadt flächendeckend nachlegen. Laut Kreislaufwirtschaftsgesetz hätte sie sogar die Möglichkeit, den Altkleiderhandel im Alleingang zu betreiben. „Das haben wir aber nicht vor“, sagt Sozialdezernentin Reker. Stattdessen sollen gemeinnützige Träger wie Caritas und Rotes Kreuz ins Boot geholt werden.

Südwind-Experte Hütz-Adams begrüßt die Initiative der Stadt. „Aber nur, wenn sie dazu führt, dass der Markt transparenter wird.“ Pfarrer Meurer fordert die Stadt dagegen auf, die Finger vom Verkauf der Altkleider zu lassen. Stattdessen fordert er, ein großes und zentral liegendes Sozialkaufhaus zu schaffen, an dem die karitativen Verbände beteiligt sind. „Das wäre Hilfe, die wirklich in Köln ankommt.“

KStA abonnieren