WeinkolumneRieslinglegende vom Rheingau

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Sommelière Romana Echensperger

Sommelière Romana Echensperger

Hans-Josef Becker ist kein Winzer, der einem sofort das Du anbietet oder versucht, mit den immergleichen Marketingphrasen zu überzeugen. Wer sich im Rheingauer Dorf Walluf bei ihm zur Weinprobe niederlässt, wird freundlich, aber bestimmt von dem feinsinnigen Winzer gemustert. Er schaut sich die Leute erst einmal an, bevor er mit seiner Geschichte herausrückt.

Beckers Rieslinge gelten bei Kennern als legendär. Nicht nur weil er sehr gute Weinbergslagen besitzt, das tun andere auch. Es ist die traditionelle, knochentrockene Rheingauer Rieslingstilistik, die er geradlinig wie kein anderer interpretiert und die seine Weine so unverwechselbar macht wie die Tatsache, dass diese trockenen Kunstwerke scheinbar endlos reifen können. Das Verblüffende ist die Ausgewogenheit seiner klassischen Rieslinge, die eben ohne diese mittlerweile üblichen paar Gramm Restzucker auskommen, die, als heimliches „Süßeschwänzchen“ getarnt, dem Gaumen billig schmeicheln. Dafür nimmt Becker eine strikte Ertragsreduzierung vor.

Denn ein wirklich trockener Riesling braucht hohe Extraktwerte, um die Säure geschmacklich abzupuffern. Außerdem lässt er seine Weißweine, wie früher üblich, geduldig in den uralten, rheinischen Stückfässern (1200 Liter) vergären und fast ein Jahr auf der Hefe lagern. Das rundet seine Rieslinge geschmacklich ab und gibt ihnen ein Geschmacksprofil mit, das sich jenseits von vordergründigen Fruchttönen abspielt.

Fern ab von Schnelligkeit

Hans-Josef Becker ist eben keiner, der schnelllebigen Moden folgt, und trotzdem hinterfragt er stets sein Tun. Als er in den 1960er Jahren seine Lehre machte, hielt die Agrikulturchemie Einzug auch in seine Weinberge. Doch seit mehr als zehn Jahren verzichtet er darauf. Nicht weil er einer Öko-Ideologie folgen will, sondern weil die Fungizide die für die langsame Spontangärung erforderliche natürliche Hefepopulation beeinträchtigen und er keine schnell angärenden Reinzuchthefen zusetzen wollte. Ebenso verschließt er die Flaschen mit einem eleganten Glasstopfen, damit ihm schlechte Naturkorken erst gar nicht mehr seine Weine und die gute Laune verderben können.

Kandierter Ingwer

Ideal zum Kennenlernen ist der 2011er Kabinett mit komplexen Aromen von kandiertem Ingwer, Limonenschale, weißen Blüten und erdiger Würze. Die frische Säure in Verbindung mit der enorm hohen Mineralität gibt diesem Wein ein geradlinig, kraftvolles Rückgrat. Wer die Kollektion probieren und Herrn Becker persönlich kennenlernen will, dem lege ich einen Besuch im weinguteigenen Garten nahe, der traumhaft am Rheinufer gelegen ist. Man bringt das Essen selber mit und kauft sich einen Schoppen Wein dazu. Dabei lässt das große Sortiment – von jungen bis hin zu top-gereiften Rieslingen – das Herz des Weinfreundes garantiert höher schlagen.

2011 Wallufer Walkenberg/ Riesling Kabinett trocken Weingut J. B. Becker/ Rheingau: 9,50 Euro Bestellung: becker-h.j@t-online.de 06123/72523 Weingarten: Rheinstr. 6, 65396 Walluf

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