Korruption in ErftstadtFirma um Millionen betrogen

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Die Kiesgrube der Firma Nowotnik in Erftstadt-Blessem.

Die Kiesgrube der Firma Nowotnik in Erftstadt-Blessem.

Erftstadt/Kerpen – Die Sache hatte für großes Aufsehen gesorgt, damals Ende 2011. Bei Hausdurchsuchungen von Mitarbeitern und auf dem Betriebshof der Kölner Abfall- und Wirtschafts-Betriebe (AWB) suchte die Polizei nach Beweismaterial für Korruption und Bestechlichkeit. Eine Zulieferfirma für Industriebedarf soll Waren an Mitarbeiter geliefert haben, die die Scheinaufträge als völlig anders deklarierte Waren für das Unternehmen abzeichneten. Hunderttausende Euro Schaden seien damals, vor zwei Jahren, aufgedeckt worden, hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt.

Die Ermittler hatten aber auch Hinweise, dass insgesamt sechs beschuldigte Mitarbeiter der Zulieferfirma mit anderen Kunden ähnlich verfahren sein könnten, wie mit den Männern der AWB-Werkstatt.

Und genau das scheint der Fall zu sein. Wie sich nun zeigt, ist das wohl größte Opfer der Betrugsserie ein Unternehmen aus Erftstadt -– das wohlbekannte Unternehmen Nowotnik, das die Kiesgruben in Kerpen-Blatzheim und Erftstadt-Blessem betreibt. „Auch wir hatten den Bericht im »Kölner Stadt-Anzeiger« gelesen, kamen aber zunächst nicht darauf, dass auch wir Geschädigte sein könnten“, berichtet Firmenchef Hans Georg Nowotnik.

Das sollte sich ändern. Als der Unternehmer in seinem Werk in Bautzen war, erfuhr er durch ein Telefonat, dass es auf seinem Betriebsgelände in Blatzheim eine Hausdurchsuchung gebe. Sämtliche Lieferscheine und Rechnungen wurden laut Nowotnik beschlagnahmt.

Nowotnik erläutert anhand der Unterlagen den Vorgang und zeigt auf einen der zahlreichen Bestellposten in der Liste. „Hier wurde eine Digitalkamera für 420 Euro geliefert, die auf dem Lieferschein aber wundersamerweise als zwei Batterien und 120 Arbeitshandschuhe auftauchten – mit deutlichem höherem Wert“, sagt der Unternehmer. „Wir lassen nun alle Rechnungen zusammensuchen um zu ermitteln, wie hoch genau der Schaden ist“, berichtet Nowotniks Frau Mareike. Dafür sei eigens eine Fachkraft eingestellt worden, die sich nun durch die Aktenberge wühlen müsse.

Dass die Betrugsmasche Jahrzehnte lang funktionierte, erklärt Hans Georg Nowotnik unter anderem damit, dass nicht alle Aufträge fingiert waren. „Beim Blick in die Bücher passte vieles. Deswegen wurde eben nicht alles so genau unter die Lupe genommen. Zudem waren die Rechnungsbeträge immer fast gleichbleibend. Das machte niemand stutzig, auch nicht den Steuerberater.“ Der größte Teil der falsch abgezeichneten Lieferscheine gehe auf das Konto ein und desselben Mitarbeiters. Bei einer Hausdurchsuchung des inzwischen fristlos gekündigten Mitarbeiters seien bestellte Waren entdeckt worden. Dazu habe sogar ein Kühlschrank gezählt.

Misstrauisch sei die Firmenleitung aber geworden, als in den vergangenen beiden Jahren die Ausgaben für Warenbestellungen gleich hoch geblieben seien, obwohl der Zubehörbedarf deutlich gesunken sei. Denn das Unternehmen hatte seine Abteilung für Straßenbau ausgelagert. „Wieso sollten wir also noch Schaufel, Hacken, oder Lampen und Batterien für Lastwagen bestellen“, fragt Nowotnik. 45 Jahre lang habe der Zulieferer, der inzwischen Insolvenz angemeldet habe, Waren offiziell an die Kunden verkauft, die im Preisvergleich stets günstig erschienen.

Der Schaden durch den Betrug, der im Laufe der Jahre wohl in die Millionen gehe, habe das Unternehmen in eine ernste wirtschaftliche Lage gebracht. Überstunden würden nicht mehr angeordnet, die Arbeit sei auch im regulären Zeitrahmen zu leisten. In Blatzheim habe als wirtschaftliche Konsequenz die komplette Werkstatt schließen müssen. Sieben Mitarbeiter hätten nicht mehr weiterbeschäftigt werden können, die Arbeit sei an eine Fremdfirma vergeben worden, erläutert Nowotnik. In Blessem und Blatzheim arbeiten 32 Mitarbeiter. Hinzu kommen elf Beschäftigte in Bautzen und 120 weitere bei der Straßen- und Tiefbau Welzow GmbH. „Wäre der Betrug nicht aufgedeckt worden, hätte das sogar die Existenz des Unternehmens bedrohen können“, sagt Nowotnik. Er habe einen Unternehmensberater eingeschaltet. „Just als der anfangen wollte, war der ganze Betrug entdeckt worden.“

Wie viel Geld Nowotnik je wiedersehen wird, ist unklar. Strafrelevant seien nur die nachgewiesenen Fälle der vergangenen sechs Jahre, erläutert Mareike Nowotnik. Der Betrug in ganz großem Stil, den die Kölner Firma zu verantworten habe, betreffe sieben Firmen und 35 Anwälte seien mit dem Thema inzwischen befasst.

Neben den finanziellen Auswirkungen gebe es auch enorme psychische Belastungen, räumen die Nowotniks ein. Unsicherheit und Misstrauen in der Belegschaft seien die unweigerliche Folge gewesen. Doch trotz aller Ereignisse wollen die Nowotniks das bleiben, was sie sind: Unternehmer. Der Firmenchef kündigt an: „Ich will weitermachen, denn es gibt Mitarbeiter, die es wert sind, trotz allem nicht aufzugeben.“

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