Abo

Alternative WändeWandfarbe aus Quark selbstgemacht

Lesezeit 4 Minuten
Wandfarbe auf Quark-Basis: Die Dozenten zeigten, wie das funktioniert.

Wandfarbe auf Quark-Basis: Die Dozenten zeigten, wie das funktioniert.

Kerpen-Türnich – „Wenn die Masse schön schleimig und klebrig geworden ist, dann ist sie gut“, doziert die Expertin. Derweil rührt der Kollege an der Anrichte mit dem Kochlöffel noch einmal kräftig in der Schüssel mit der gelblich-grauen Pampe, die man erhält, wenn Magerquark und Hirschhornsalz miteinander vermengt werden. Neugierig versuchen die Zuschauer, einen Blick in die Schüsseln zu erheischen. Und am Ende dürfen dann alle nach vorn kommen und probieren...

Man könnte fast meinen, hier führten Sarah Wiener und Tim Mälzer in der Fernsehküche von Markus Lanz ihre kulinarischen Künste vor. In Wirklichkeit gehen aber keine Meisterköche zu Werke, sondern die Kölner Architektin Wiebke Schaeffer und der Designer Moritz Zielke, der auch als Schauspieler aus der ARD-Serie „Lindenstraße“ bekannt ist. Gastgeber sind Severin Graf von und zu Hoensbroech und der Freundes- und Förderkreis von Schloss Türnich. Gemeinsam haben sie wieder, wie an fast jedem letzten Freitagabend im Monat, zum Salon-Abend in den altehrwürdigen Rentei-Saal des gräflichen Anwesens eingeladen.

Alternatives Bauen

Meistens wird hier philosophiert, diskutiert oder musiziert, doch diesmal geht es etwas handfester zur Sache: Schaeffer und Zielke zeigen, dass man aus Quark nicht nur feine Desserts zaubern kann, sondern auch blütenweiße Innenraumfarbe, die prima deckt und zudem hohe Ansprüche in Sachen Nachhaltigkeit und Ökologie erfüllt.

Alles zum Thema Musik

Die Architektin und der Designer haben sich als Betreiber des Internetportals www.wiederverwandt.de einen Namen als Experten für alternatives Bauen und Gestalten mit natürlichen Materialien gemacht. Die „Quark an die Wand“-Nummer gehört, weil sie auf den ersten Blick besonders skurril wirkt, zu den beliebtesten Vorführungen in den Workshops des Duos. Dabei ist die Idee nicht neu: Schon die Tempelmaler in der Antike arbeiteten mit Kaseinfarben. „Und diese Farben leuchten bis heute“, schwärmt Wiebke Schaeffer.

Kasein ist das klebrig-schleimige Bindemittel, das entsteht, wenn man bestimmte Milcheiweiß-Verbindungen im Magerquark durch Zugabe von Hirschhornsalz aktiviert und die Masse etwa zwei Stunden ziehen lässt. „Sieht aber nicht gerade appetitlich aus“, meint ein Salon-Gast ein wenig ernüchtert, als die Dozenten die vorbereitete Melange präsentieren.

Der einst schneeweiße Quark hat sich in der Tat in einen gelblich-gräulich schimmernden Brei verwandelt, den sich bei aller Liebe für ökologisch korrektes Handwerken wohl niemand an die Wand pappen würde. „Ist ja auch noch nicht fertig“, beruhigt Wiebke Schaeffer die Gemüter, „die Kaseinmasse ist lediglich das Bindemittel für unsere Farbe. Die gewünschten Färbungen entstehen erst durch die Zugabe von Pigmenten, beispielsweise aus Kreiden oder Erden.“ Für ein mattes Weiß setzt die Architektin auf Champagnerkreide und Titanweiß.

Die beiden anorganischen Pulver werden mit Wasser verrührt, müssen ebenfalls etwa zwei Stunden ziehen und können dann mit der Kaseinmasse vermengt werden – und schon ist die Innenraum-Wandfarbe gebrauchsfertig.

Konventionellen Chemie-Produkten ist diese Naturfarbe in den Augen von Wiebke Schaeffer in vielerlei Hinsicht überlegen: Beispielsweise sei sie frei von künstlichen Konservierungsstoffen und damit allergikerfreundlich; statt die Wände luftdicht zu versiegeln, sei sie atmungsaktiv und beuge dadurch der Schimmelbildung vor; die Farbe vergilbe nicht und sei in der Herstellung zudem ausgesprochen preiswert.

„Allerdings kann man sie nicht fertig kaufen, sondern muss sie sich schon selber machen. Aber das lohnt sich“, betont die Expertin, während die Gäste bereits zum Pinsel greifen. Beim Probestreichen auf einer Spanplatte kann die Quarkfarbe durchaus überzeugen. Konsistenz, Streichfähigkeit, Geruch und Deckkraft lassen keine Wünsche offen.

Walnussschalen und Pottasche

Derweil führt Moritz Zielke an einem weiteren Beispiel vor, was der Handwerker ohne großen Aufwand aus Naturstoffen machen kann: Walnussschalen in kochendes Wasser geben, Pottasche hinzufügen, alles ein wenig köcheln lassen, Schalen aussieben – und schon hat Zielke eine ebenso wirksame wie umweltfreundliche Öko-Holzbeize gezaubert.

Die Salon-Gäste sind beeindruckt und lassen den ebenso vergnüglichen wie informativen Abend bei einem Glas Weißwein, Flammkuchen und Musik der besonderen Art ausklingen: Vokal-Artist Christian Padberg führt vor, wie man nur mit der menschlichen Stimme und der Loop-Station, einem digitalen Aufnahme- und Wiedergabegerät, ganz allein zu einem kompletten Chor nebst Percussion-Band wird. Graf Severin, der seine Gäste zuvor schon mit Anekdoten aus der Familiengeschichte unterhalten hat, steigt zum krönenden Abschluss als Trompeten-Imitator ein.

KStA abonnieren