Wind- und WassermuseumEin Lebenswerk wird ausverkauft

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Günter Blömer hat ein Modell eines syrischen Wasserades gebaut - als Vorlage diente ein Bild.

Günter Blömer hat ein Modell eines syrischen Wasserades gebaut - als Vorlage diente ein Bild.

Odenthal – Die Tretmühle hat er jeden Tag vor sich, und auch der kleine Kleiekotzer, der sich in seiner Werkstatt eingenistet hat, kann Günter Blömers Laune nicht schmälern. Beides hat sich der 80-Jährige schließlich selbst erschaffen – zusammen mit einer Vielzahl anderer Modelle, die er in seinem „Steiner Wind- und Wassermuseum“ präsentiert.

Dass die Werkstatt zugleich Ausstellungsraum ist, macht (zusammen mit der idyllischen Lage am Wanderweg) den besonderen Flair der Einrichtung aus. Hier lässt sich der gelernte Malermeister und passionierte Modellbauer bei der Arbeit über die Schulter schauen, und wer geschickt fragt, bekommt im Vorbeigehen auch noch ein Stück anekdotenreicher Heimatgeschichte mit auf den Weg. Pfingstmontag gibt es dazu noch Waffeln und Kaffee – allerdings mit Wermutstropfen, denn es wird die letzte Aktion Blömers zum Deutschen Mühlentag sein.

Und nicht nur das. Nachdem die Pläne für ein offizielles Odenthaler Mühlenmuseum an der Dhünn seit Jahrzehnten vor sich hin dümpeln, bestellt der Rentner, den man mit Fug und Recht als rüstig bezeichnen kann, nun sein Feld. Der „Ausverkauf“ der einmaligen Sammlung, die in mehr als vier Jahrzehnten entstanden ist, hat begonnen; einige Modelle hat er schon weggegeben, an Archive, Vereine und geschichtlich Interessierte. Dass damit auch ein Lebenstraum Blömers den Bach runter geht, lässt sich der freundliche Handwerker nicht anmerken. „Im Sommer ist hier alles wunderbar“, sagt er, „aber im Winter ist es in dem Provisorium zu kalt.“ Das Holz verzieht sich, jedes Jahr im Frühjahr muss der Bastler nacharbeiten, damit die Mechanik wieder funktioniert. „Jetzt kann ich das noch, aber in fünf Jahren vielleicht nicht mehr.“ Dann will er seine Modelle in guten Händen wissen.

Um die Sammlung zu halten, bräuchte er rund 100 Quadratmeter, am liebsten in Form eines Fachwerkhauses, doch um eine Baugenehmigung zu bekommen, müsste erst einmal der Bebauungsplan in dem sensiblen Gebiet geändert werden. Versprechungen hat Blömer in den vergangenen Jahren viele gehört, hehre Pläne gesehen, die im politischen Raum entstanden waren. In einer Ecke unter einem Arbeitstisch steht noch eine pyramidenähnliche Dachkonstruktion, das futuristisch anmutende Modell für ein Mühlenmuseum. Auch die Pläne für einen Steg über die historische Dhünnfurt verschwanden nach dem ersten Widerstand der Behörden schnell wieder vom Tisch, obwohl dafür eigens ein Grundstück angekauft worden war. Zuletzt scheiterte der Versuch der Gemeinde, die Steiner Mühle als Museum anzumieten, an den Vorgaben der Kommunalpolitiker.

Auf der anderen Seite ist das kleine Privatmuseum in der Werkstatt ein Pfund, mit dem der Ort mit seiner touristischen Ausrichtung nur allzu gern wuchert. Das Häuschen am Mühlenweg ist in Broschüren der Gemeinde abgebildet und wird Wanderern empfohlen. Aber so wie Günter Blömer lieber im Stillen arbeitet, als lautstark für seine Interessen zu kämpfen, so hat er jetzt auch für sich seine Marschrichtung festgelegt.

Odenthal droht damit nicht nur der Verlust eines touristischen Höhepunkte, sondern auch einer einmaligen Sammlung, die zudem Modelle von Kutschen und Kirchen beinhaltet. Sein, wie er denkt, letztes Großprojekt hat Blömer gerade fertiggestellt: die Miniaturausgabe eines syrischen Wasserschöpfrades, nach einem Foto, das ihm die Odenthalerin Ingrid Hüning von einer Reise mitgebracht hat. Im Original 21 Meter hoch, hat das Schaufelrad aus dem 15. Jahrhundert einst mehrere Gärten und Parks bewässert, neun Moscheen, vier Hammams und unzählige Brunnen. „Die Konstruktion hat mich gereizt“, sagt Blömer. 102 kleine Schuffelkammern hat das Rad, jedes aus 40 Einzelteilen.

Letzte Hand legt er zudem noch an die Mühle aus der Oberlerbach mit Fachwerkfassade, liebevoll gedrechselter Haustür und regem Innenleben. Sie wird im Laufe des Jahres unter anderem in einer Ausstellung in Altenberg zu sehen sein – und natürlich Pfingstmontag beim vermutlich letzten Mühlentag am Mühlenweg. Dann erfährt der Besucher auch, wie die Bäcker einst in Pompeji arbeiteten, was eine archimedische Schnecke für den Hochwasserschutz bedeutet und was es mit der als Kleiekotzer bekannten Fratze auf sich hat, durch die am Ende des Mahlgangs der Abfall rausrieselte. Dass die von Wilhelm Busch erdachten Lausebengel Max und Moritz damit unrühmliche Bekanntschaft machten, interessiert auch die jüngsten Besucher – ebenso wie das gefährliche Handwerk des Pulvermachers sowie das Puppenhaus, in dessen Keller keine Wäsche auf der Leine hängt, sondern Seiten aus der Bibel, frisch gedruckt von Johannes Gutenberg.

Eine ganz eigene Sicht hat Mühlenforscher Blömer naturgemäß auf die gerade heiß diskutierte Windkraft. Mit ein paar kleinen Windmühlen könne man mehr erreichen als mit großen stählernen Spargelmasten, meint der Odenthaler. Aber das wäre wieder nur ein Kampf gegen Windmühlenflügel – und den hat er längst aufgegeben.

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