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Fachhochschule VenloAuslandsstudium unter Deutschen

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Die deutsche Studentin Angelina Probst sitzt im Hörsaal der Fachhochschule "Fontys" in Venlo.

Die deutsche Studentin Angelina Probst sitzt im Hörsaal der Fachhochschule "Fontys" in Venlo.

Marcel Matulla (24) kommt aus Nettetal am Niederrhein. Als Student wollte er unbedingt seinen Horizont erweitern und mal raus - am Besten ins Ausland, „das kommt super im Lebenslauf“. Jetzt studiert er wirklich an einer ausländischen Universität, wohnt aber immer noch in Nettetal. Denn die „University of Applied Science“ steht direkt nebenan in Venlo.

Venlo ist gerade mal eine halbe Stunde von Duisburg entfernt und hat doch eine andere Optik: keine Schimanski-Fassaden, sondern schmucke, hutzelige Häuschen. Ein bisschen Ausland, aber nicht zu viel. Um Tagesausflüglern ihre Einkaufstour zu erleichtern, ist im Zentrum alles auch auf Deutsch ausgeschildert - teilweise sogar nur auf Deutsch. Was das betrifft, kann Venlo locker mit Mallorca mithalten.

Überall wird Deutsch gesprochen

Auch in der Hochschule mit dem englischen Namen hört man mehr Deutsch als alles andere. In den Gängen und Seminarräumen wird Deutsch gesprochen, Autos mit deutschen Nummernschildern stehen auf dem Parkplatz, und deutsche Wohnungsgesuche hängen am Schwarzen Brett. 60 Prozent der circa 3600 Studenten sind Deutsche. Im größten Studiengang Betriebswirtschaft sind es sogar 70 Prozent.

Das war ursprünglich einmal ganz anders geplant gewesen. 1994 hatte man in Venlo einen deutschsprachigen Studiengang Betriebswirtschaft gegründet, um junge Niederländer gezielt auf die Zusammenarbeit mit dem wichtigsten Handelspartner vorzubereiten. Doch statt der erwarteten Niederländer standen Deutsche vor der Tür.

Zahl der deutschen Studenten steigt

So ist es geblieben. Selbst als der komplett deutschsprachige Studiengang im Jahr 2000 wieder eingestellt wurde und stattdessen auch Englisch und Niederländisch dazukamen, stieg die Zahl der deutschen Studenten weiter an. Ebenso wenig wirkte sich die Abschaffung der Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen aus - in den Niederlanden muss man dagegen 150 Euro im Monat zahlen.

Davon abgesehen kommt für die Ausbildung der deutschen Studenten der niederländische Steuerzahler auf. Warum eigentlich? 2011 sei das vorübergehend mal ein viel diskutiertes Thema gewesen, erinnert sich Thomas Merz, der - deutsche - Hochschuldirektor. Aber das habe nicht lange angehalten. Niederländische Betriebe aus dem Grenzgebiet reißen sich nach seinen Worten förmlich um die deutschen Abgänger, denn Niederländer mit guten Deutschkenntnissen sind Mangelware. Die Sprache gilt als schwierig und uncool. Warum also nicht gleich Deutsche einstellen?

Kompetente Dozenten

Angelina Probst (20) und Johannes Minkmar (22) hat es gar aus Erfurt nach Venlo verschlagen. „Erfurt, wo ist das?“, fragt sie ein niederländischer Kommilitone. „Sechs Stunden mit dem Zug“, ist die Antwort. Die beiden waren im Internet auf das Studienangebot aufmerksam geworden und leben jetzt zusammen mit einem Niederländer in einer WG. „Bis jetzt bin ich begeistert“, sagt Angelina, die im Sommer angefangen hat. „Vor allem wegen der Dozenten. Die sind kompetent und amüsant.“ Heimweh hat sie bisher nicht.

Auch Marcel hatte von Freunden gehört, in Deutschland sitze man mit 300 Leuten in den Seminaren, während man in Holland mit Namen angesprochen werde. Das sei auch tatsächlich so. „Und der Praxisbezug wird hier nie aus den Augen verloren.“

Im eigenen Land in der Minderheit

Und wie ist es für die Niederländer, im eigenen Land in der Minderheit zu sein? Peter Joppen (23) zuckt mit den Schultern. „Mir macht es nichts aus.“ Während er das sagt, ist er allerdings von sechs Deutschen umzingelt. Thomas Merz meint, dass sich Niederländer und Deutsche ideal ergänzen: Bei gemeinsamen Projekten steuerten die Deutschen in der Regel Research und Theorie bei, die Niederländer kreative Ideen und peppige Präsentation.

Nur manchmal gibt es kleine Mentalitätsprobleme. So lassen sich niederländische Dozenten in der Regel von den Studenten duzen. Merz ist davon aber wieder abgekommen - die Deutschen hätten damit leider nicht umgehen können: „Die dachten, wenn wir uns duzen, gehen wir abends auch zusammen in die Kneipe.“ (dpa)

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