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AusbildungFrüher Start mit einem Praktikum

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Nils Eschbach (19) aus Much, hier mit Ausbilder Klaus Pick, erlernt den Beruf des Mechanikers für Land- und Baumaschinentechnik.

Nils Eschbach (19) aus Much, hier mit Ausbilder Klaus Pick, erlernt den Beruf des Mechanikers für Land- und Baumaschinentechnik.

Rhein-Sieg-Kreis – Jeder vierte Jugendliche bricht seine Ausbildung ab. Dies ist das Ergebnis einer Erhebung, die das Statistische Bundesamt mit Sitz in Wiesbaden jüngst ausgewertet hat. Solche Zahlen beschäftigen auch Dario Thomas, allerdings kann der Leiter der Ausbildungsberatung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg beruhigen: „In unserer Region ist die Situation noch lange nicht so dramatisch, ganz im Gegenteil.“ Derzeit liege die Zahl der Abbrecher in der Region rund um die frühere deutsche Hauptstadt weit unter diesem Bundesdurchschnitt.

Im Kammerbezirk hatten zum Stichtag 31. Dezember vergangenen Jahres 8018 junge Leute ihren Ausbildungsvertrag in der Tasche. 763 Verträge wurden indes aufgelöst, 294 davon noch in der Probezeit. Die Ursache dieser Differenz zum Bundeswert sieht der Experte darin, dass selbst Familienunternehmen und mittelständische Betriebe aus dem Rhein-Sieg-Kreis auch als Lehrbetrieb gut aufgestellt seien: Sie können sich intensiv um den Nachwuchs kümmern. „Trotzdem dürfen wir das Thema keinesfalls vernachlässigen“, betont der IHK-Mann Thomas.

Drohe der Abbruch einer Ausbildung, sagt er, gehe es nicht ums „Jammern, Klagen oder gar Verurteilen“: „Ziel muss es immer sein, den Abbruch zu verhindern und dem Betroffenen eine neue Lehrstelle zu vermitteln sowie dem Betrieb einen neuen Azubi.“ Gleichwohl ist die Kündigung eines Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses ein Problem, das die Ausbildungsberater sehr ernst nehmen. So hat die IHK etwa einen „Azubi-Notruf“ eingerichtet: Dort haben Fachleute für alle 175 aktuellen Lehrberufe jederzeit ein offenes Ohr, sie bieten Hilfe an bei Krisen und Problemen aller Art.

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Weitere Unterstützung verspricht auch die Initiative „VerA“ (= Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen), die seit drei Jahren besteht. Hier kooperiert die IHK mit dem Bonner „Senior-Experten-Service“: Ehrenamtliche Ausbildungsbegleiter mit viel Berufserfahrung engagieren sich dafür, die Motivation der Auszubildenden und deren soziale Kompetenzen zu stärken. „Und immer lautet die Devise: »Hauptsache Ausbildung!«“, sagt Thomas.

Zudem hat die IHK als erste Kammer ihrer Art in Deutschland einen Azubi-Kalender veröffentlicht, der den jungen Leuten in allen drei Jahren der Ausbildung Wissenswertes an die Hand gibt. Jüngst sind alle 3149 Neu-Azubis in ihrem Zuständigkeitsbereich mit dem druckfrischen Taschenbuch ausgestattet worden. Insgesamt haben zum 30. September 2012 rund 5700 junge Leute ihre Ausbildung begonnen, davon wurden 1515 Verträge im Handwerk geschlossen, 640 in den freien Berufen, 246 im Öffentlichen Dienst und 87 in der Landwirtschaft (Rest: sonstige Berufe). Im Azubi-Kalender der IHK zu finden sind etwa ein Ausbildungs-Knigge sowie beispielsweise Erklärungen zur Probezeit, zur Krankmeldung oder eben auch zur Kündigung, Hilfreiches gibt es überdies zum Miteinander der Religionen und zur interkulturellen Vielfalt.

„Hätten die Beteiligten die vielen Hilfsangebote angenommen, so hätten fast alle diese Abbrüche verhindert werden können“, glaubt Dario Thomas. Er plädiert dafür, dass vor der Ausbildung ein Praktikum im späteren Betrieb Pflicht wird. „Denn oftmals haben die jungen Leute falsche Erwartungen an den Beruf. Den Traumberuf schlechthin gibt es nämlich nicht.“ Auch wenn der Schulabgänger noch so gut informiert sei, mit Bravour die Auswahlverfahren und zudem das Bewerbungsgespräch gemeistert habe, so bedeute dies noch lange nicht, dass er am Ende mit der eigentlichen Arbeit klarkomme. Thomas’ Idealvorstellung: „Ab dem 14. Lebensjahr sollte jeder Schüler die Oster- und Herbstferien für ein Praktikum nutzen“, sagt er – auch mit Blick auf die prognostizierte Schülerschwemme, die bis ins Jahr 2019 anhalten soll und gerade mit dem Abitur-Doppeljahrgang einen ersten Höhepunkt erreicht hat.

Mehr Schüler, mehr Abbrüche

„Mehr Schüler bedeuten mehr potenzielle Auszubildende und damit für diese eine erhöhte Gefahr von Ausbildungsabbrüchen“, erklärt Dario Thomas. Er rät den Jugendlichen daher: „Wer schließlich ein Betriebspraktikum sicher hat, muss dann im Betrieb klare Wünsche äußern, was er sich anschauen möchte.“ Die Berufswahl sollte jeden Jugendlichen mehr beschäftigen „als nur drei Monate am Ende der Schulzeit“.

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