„Faro“-JubiläumMesser für die Spaghetti bestellt

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Filippo Mugnos (M.) mit Bruder Salvatore (r.) und Sohn Angelo.

Filippo Mugnos (M.) mit Bruder Salvatore (r.) und Sohn Angelo.

Lindenthal – Der 16-jährige Filippo Mugnos sog noch einmal die salzige Luft ein und schaute aufs Meer, die Mandelbäume blühten, er trug T-Shirt, in Catania war es am 10. März 1963 angenehm warm. Dass er nach Deutschland wollte, wusste niemand. In der Nacht schlich Filippo mit geschnürtem Lederkoffer aus dem Haus der Familie, ging zum Bahnhof, stieg in den Zug und ließ alles zurück. Er sei ein Straßenkind gewesen, habe schon mit neun nachts in einer Bäckerei gearbeitet und nach Lire-Münzen getaucht, die die Touristen ins Meer schnipsten. Deutschland, „das klang nach Abenteuer. Ich hatte von den blonden Mädchen gehört, aber eigentlich war es nur die Lust, was zu erleben“.

Gut 30 Stunden später stand er auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof und rief seine Eltern an. Verzeihen konnten die ihm erst Jahre später, als er nach Köln gezogen war und mit Pizza und Pasta Geld gemacht hatte. Mugnos stand also in der Stuttgarter Innenstadt und sah Schnee, so grau wie Häuser und Himmel, bald kamen graue, frostige Menschen aus diesen Häusern. „In den Wochen nach der Ankunft habe ich zum ersten und einzigen Mal gespürt, was Ausländerfeindlichkeit heißt“, sagt er. „Ausländer? Nix Wohnung.“ Den Spruch schossen die Häuslebesitzer auf ihn ab. Die ersten Wochen habe er draußen geschlafen, „wie ein Penner“. Dabei war er Kämpfertyp und stolzer Jüngling. Na warte.

Die Fotos seines Lebens

50 Jahre sind seit dem frostigen Start vergangen. Filippo Mugnos sitzt auf einem Barhocker seines Restaurants Faro an der Hans-Sachs-Straße, ein stämmiger Kerl mit dunklen Löckchen und hellblauen Leuchtaugen. Auf dem Tisch die Fotos seines Lebens: Mugnos als melancholischer Cowboy am Neckar. Aus dem Fluss habe er damals eine lebensmüde schwangere Frau gerettet, erwähnt er wie beiläufig. Mugnos mit Karnevalskostüm vor dem Pizzaofen. Mugnos lachend mit Italien-Fahne. „Ich habe mit den Höhnern «Pizza wunderbar» gesungen und im Picus an Karneval italienische Lieder wie Azzurro.“ Er hat wenig ausgelassen.

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Die meisten Bilder zeigen Filippo Mugnos im Restaurant. Vor 34 Jahren hat der heute 66-Jährige die erste Pizzeria in Lindenthal eröffnet. Er hatte in der Bäckerei Schmidt, Hans-Sachs-Straße 4, gearbeitet, „die Laugenbrezel von Stuttgart nach Köln gebracht“, wie er sagt, und seinen Chef überredet, aus der Bäckerei eine Pizzeria zu machen. Schließlich fuhren die Deutschen am liebsten zum Lago Maggiore und an die Adria. Zu den Spaghetti orderten die Kölner Messer. Mugnos guckte lächelnd weg und freute sich über das Geld. Der Laden lief gut, schnell übernahm der Sizilianer allein das Kommando. „Nur während der Ölkrise Anfang der 80er Jahre, als Kanzler Schmidt den Leuten sagte, sie müssten sparen, lief es eine Zeit lang schlechter.“

Mugnos Hauspizza

„Faro“, den Namen hat sein Laden behalten, als er vor 14 Jahren auf die andere Straßenseite zog, in das Eckhaus Hans-Sachs-Straße 1. Faro heißt Leuchtturm, der Name passt zum leuchtenden Menschen. Verändert haben Filippo Mugnos, sein Bruder Salvatore (55), der seit 32 Jahren im Restaurant arbeitet, und Sohn Angelo (32) im Laufe der Jahre nur die Speisekarte. Mehr Fisch als früher gibt es heute, vieles ist feiner. Man hat sich dem feinen Gaumen der Lindenthaler angepasst.

Schon lange auf der Karte ist eine Pizza, die Mugnos „sozusagen erfunden“ hat. Schon als Junge habe er sie in Sizilien gebacken: mit Zwiebeln, Hackfleisch, Oliven und Sardellen. Sie heißt: klaro, basta, Pizza Chef. Die Italiener auf der Dürener Straße kamen und gingen, der Chef blieb.

Inzwischen, klagt Mugnos, seien die meisten „Italiener“ keine richtigen Italiener mehr, die Besitzer der Restaurants Polen, Russen oder Türken. „Das ist doch schade oder? Wo ein Italiener drauf steht, aber keiner drin ist.“ Mit einem Aufkleber an der Fensterscheibe wirbt Mugnos für die Internetseite www.echte-italiener.de. Auf der Seite lasse sich nachlesen, welche Italiener ihren Namen noch verdienten. Filippo Mugnos, sizilianischer Abenteurer und Sänger, Lebensretter, Familienbandenchef, Restaurantbesitzer und Wahl-Kölner, verdient den Namen wie kaum ein Zweiter.

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