ZimermanKlavierspiel ohne Allüren

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Krystian Zimerman

Krystian Zimerman

Wer Spuren von ihm sucht, abseits des ohnehin Bekannten, hat es schwer. Denn Krystian Zimerman ist scheu. Lebt am liebsten zurückgezogen. Lehnt Interviews meist mit Wonne ab. Dabei wüsste die Musikgemeinde gern mehr über diesen außergewöhnlichen Pianisten, der sich nur alle paar Jahre mit einer neuen CD zu Wort meldet und die genauen Programme seiner Konzerten längstmöglich hütet wie ein Gralsgeheimnis. Wenn er mal etwas kundtut, schimmert immer sein Hang zum Perfektionismus durch. Etwa, als er das erste Brahms-Klavierkonzert ein zweites Mal einspielte. Die alte, erste Aufnahme mit Leonard Bernstein stammt aus den 80er Jahren, doch Zimerman war restlos unzufrieden und bekannte im Nachhinein unverhofft unverblümt: »Es war von A bis Z schief gegangen. Mein Gefühl kam nie an. Mein eigener Flügel ging beim Transport kaputt, und der in Wien war irgendwie für einen Mozart präpariert, er wurde beim Spielen immer nur härter, aber nicht lauter. Die Aufnahme wurde außerdem für das Fernsehen mitgeschnitten, es waren 50 Grad im Raum.« Also nahm er das Konzert mehr als zwei Jahrzehnte später unter Simon Rattles Leitung in zwei Etappen 2003 und 2004 erneut auf.

Man begegnet Zimermans pianistischem Vermächtnis stets mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Trauer. Ehrfurcht, weil seine Einspielungen meist zu Marksteinen der Diskographie geworden sind; Trauer, weil sie so wenige sind. 1991 – also vor mehr als zwei Jahrzehnten – erschien seine letzte Solo-Platte. Zimermans eigene Rechnung, wonach er von hundert Prozent seines Repertoires nur zehn Prozent öffentlich in Konzerten spielt, und von diesen zehn Prozent wiederum nur zehn Prozent auf Schallplatte dokumentiert, diese Rechnung stimmt schon längst nicht mehr. Maximal 40 bis allenfalls 50 Auftritte pro Jahr absolviert Zimerman. Und auch auf den Konzertbühnen, so hat man den Eindruck, ist Zimerman ein immer seltenerer Gast. Maximal 40 bis allenfalls 50 Auftritte pro Jahr sollen es sein. Im Vorfeld eines Klavierabends in Baden-Baden 2010 gab er zu bedenken, dass es heute eine »erschreckende Tendenz«, gäbe, den einzelnen Ton und das korrekte Detail derart überzubewerten, dass man »vor lauter Tönen die Musik gar nicht mehr hört«. Für ihn sei Musik eine Art emotionaler Bewusstseinsstrom, keine Erbsenzählerei von falschen Tönen. Richtige Töne seien allenfalls eine Voraussetzung, um diese Folge von Gefühlszuständen überhaupt abbilden zu können.

In Köln spielt Krystian Zimermann zu Beginn einen späten Beethoven, die lyrische E-Dur-Sonate op. 109, sowie die erste Sonate von Johannes Brahms. Bezeichnend, dass Zimerman die Klavierkonzerte beider Komponisten bereits vor etlichen Jahren aufgenommen hat, aber nie eines ihrer Solowerke. Wie gern hätte man Zimerman mit den drei letzten Beethoven-Sonaten gehört, wie gern mit Brahms‘ letzten Klavierstücken, diesen Wegbereitern des Impressionismus? Auch Claude Debussy zählt zu den von Zimerman seit Jahrzehnten intensiv beleuchteten Komponisten. Seine Deutung der beiden »Préludes«-Bände zählt nach wie vor zu den Marksteinen der Aufnahme-Geschichte. Nun wird er sich in Köln den »Estampes« zuwenden, bevor er sein Konzert mit Werken seines Landsmannes Karol Szymanowski beschließen wird.

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Was wissen wir über Krystian Zimerman? Dass er in der Schweiz lebt, verheiratet und Vater zweier Kinder ist, die ihn einmal in einen Harry-Potter-Film geschleppt haben, obwohl er für Filme keine Sympathie hegt. Dass er gern improvisiert, sich gern auch mal im Jazz versucht – alles hinter verschlossenen Türen natürlich. 1975 gewann er als jüngster von 118 Teilnehmern den Warschauer Chopin-Wettbewerb. Über Nacht galt er als einer der weltbesten Pianisten. Doch allen Vermarktungsstrategien hat er sich erfolgreich widersetzt. Die Magie des Konzerts erklären kann auch er nicht: »Warum sitzen 2000 Leute bei schlechter Luft zwei Stunden lang mucksmäuschenstill da, nur weil vorne ein Typ in einen Holzkasten haut? Das ist für mich fast dieselbe Frage wie die, was den Affen zum Menschen machte. Werkzeuge? Nein. Weitblick? Kaum. Ich meine, letztlich kann nur die Kunst es erklären. Kunst ist etwas Nutzloses. Aber der Affe hat es gebraucht. Als der erste Affe anfing zu singen und nach Schönheit zu suchen, war er ein Mensch.«

02.06.2013 Sonntag 20:00

Krystian Zimermann Klavier

Ludwig van Beethoven Sonate für Klavier Nr. 30 E-Dur op. 109 (1820) Johannes Brahms Sonate für Klavier Nr. 1 fis-Moll op. 2 (1852) Claude Debussy Estampes L 100 (1903) Karol Szymanowski Andante ma non troppo op. 1,1 Andante con moto op. 1,2 Andante ma non troppo op. 1,8 aus: 9 Präludien op. 1 (1899–1900) Variationen h-Moll über ein polnisches Thema op. 10 (1900–04)

€ 45,– 38,– 32,– 25,– 18,– 10,– | Z: € 32,–

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