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Kölner leistet SterbehilfeDen letzten Wunsch des Vaters erfüllt

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Symbolbild

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Köln – Die schwerste Entscheidung seines Lebens muss Ralf P. alleine treffen. Als es am Samstagabend so weit ist, geht er ans Bett seines unheilbar kranken Vaters und tötet ihn. Danach ruft er einen Freund an und bittet ihn, die Polizei zu informieren. Kurz darauf klingeln zwei Beamte und nehmen ihn mit. Der 45-Jährige legt ein umfassendes Geständnis ab. Später in der Nacht zeigt ein Alkoholtest, dass er während der Tat 2,5 Promille im Blut hatte. Ralf P. soll sich bewusst mit Schnaps betäubt haben, um seine Entscheidung durchziehen zu können.

Der 74 Jahre alte Vater soll sich nichts mehr gewünscht haben, als sterben zu dürfen. „Er hat seinem Sohn das Versprechen abgenommen, ihm diesen Wunsch zu erfüllen“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Das hätten die Befragungen von Angehörigen und unabhängigen Zeugen ergeben. Ralf P. (Name geändert) habe sich regelrecht in der Pflicht gesehen, seinem Vater den Wunsch zu erfüllen, wie sein Rechtsanwalt Frank Hatlé sagt. Eine Pflicht, die er nicht haben wollte. „Aber es gibt niemanden in der Familie, der darüber im Zweifel ist, dass es das Richtige war.“ Weder die Ehefrau des Toten, noch die Frau des Sohns oder deren Schwester – sie alle leben zusammen unter einem Dach und stehen zu Ralf P. Er hat sein Leben lang dort mit den Eltern verbracht.

Aktive Sterbehilfe – also Tötung auf Verlangen – ist in Deutschland verboten, Beihilfe zum Suizid nicht. Wer einem Todkranken etwa Gift besorgt, macht sich nicht strafbar. Verboten ist aber die Mitwirkung eines Arztes bei der Selbsttötung eines Patienten. Innerhalb der EU ist aktive Sterbehilfe in den Niederlanden, Luxemburg und Belgien erlaubt. Das belgische Parlament hat im Februar die Sterbehilfe für schwer kranke Kinder legalisiert. (hsr)

Ralf P. muss sich vor dem Gericht verantworten

„Sie hatten eine sehr enge Beziehung“, sagt Anwalt Hatlé. Er beschreibt die Gemeinschaft in dem Mehrgenerationenhaus als „Familienidylle wie aus dem vergangenen Jahrhundert“. Doch der Vater wurde schwer krank. Ärzte diagnostizierten eine seltene Erkrankung des Gehirns, die progressive supranukleäre Blickparese (PSP). Nur 12 000 Menschen sind in Deutschland an PSP erkrankt. Die Krankheit lähmt die Augen und lässt die Patienten torkeln wie im Vollrausch, sie stürzen immer wieder, ihre Persönlichkeit verändert sich. Viele Symptome ähneln der Parkinson-Erkrankung, doch PSP schreitet schneller voran.

Seine ganze Familie habe den 74-Jährigen gepflegt, alle mussten zusehen, wie er trotz aller Bemühungen immer schwächer wurde, heißt es. Nach nur wenigen Wochen sei er dem Tode näher als dem Leben gewesen. Innerhalb von drei Monaten sei er so entkräftet gewesen, dass er nicht mehr aufstehen konnte. So wollte der alte Mann nicht mehr leben, sagt Anwalt Hatlé. „Doch er war längst zu schwach, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen.“ Familie und Zeugen hätten auch der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass der 74-Jährige „ernsthaft und ausdrücklich“ das Verlangen geäußert habe, sterben zu wollen, sagt Behördensprecher Bremer. Schnell sei bei den Ermittlungen klar geworden, dass es sich in diesem Fall nicht um Totschlag oder Mord handele.

Ralf P. muss sich nun wegen Tötung auf Verlangen verantworten, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren rechnen. Der Tatbestand ist ein Vergehen, kein Verbrechen. Weil keine Flucht- oder Verdunklungsgefahr besteht, ist er auf freiem Fuß. Sein Anwalt nennt die Geschichte eine Tragödie. Sein Mandant muss nun lernen, mit dieser Tragödie zu leben. Er hat seinen Vater getötet – schweren Herzens. Und mit den besten Absichten.

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