GesundheitGewicht halten trotz Rauch-Stopp

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Aufhören und das Gewicht halten, geht das?

Aufhören und das Gewicht halten, geht das?

Eigentlich war es Claus I. leicht gefallen, mit dem Rauchen aufzuhören: Nach einer Hypnose war ihm die Lust auf Zigaretten schlagartig vergangen. Wäre da nicht die Sache mit dem Essen gewesen. „Nach zwei bis drei Tagen haben sich meine Geschmacksnerven erholt. Auf einmal hat alles viel besser geschmeckt“, erinnert sich der Computerspezialist, der täglich zwei Päckchen geraucht hatte. Die neue Lust an Essen und Trinken blieb nicht ohne Folgen: Innerhalb von neun Monaten nahm er 18 Kilo zu; L. begann wieder zu rauchen. Inzwischen hat Claus I. aber seine Ernährung umgestellt und kräftig abgenommen; er plant bald den nächsten Entzugsversuch.

Angst vor Gewichtzunahme

Viele Raucher führen ähnliche Kämpfe: Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) hat die Hälfte der Raucherinnen und knapp ein Drittel der Raucher so große Angst vor einer Gewichtszunahme, dass sie nicht mit dem Rauchen aufhören. Dabei stimmt es zwar, dass die meisten Menschen nach einem Rauch-Stopp zulegen. Es gibt aber laut DKFZ durchaus auch Ex-Raucher, die ihr Gewicht halten oder sogar abnehmen. Für alle anderen gilt: „Die Gewichtszunahme fällt meistens längst nicht so dramatisch aus wie befürchtet“, sagt der Psychologe Nils Kroemer, der das Anti-Rauch-Programm an der Uni Dresden koordiniert.

Plus 4 bis 5 Kilo

Je nach Studie liegen verschiedene Zahlen vor. Nach einer Meta-Analyse unter Leitung des französischen Suchtmediziners Prof. Henri-Jean Aubin, die 62 Studien einschloss, legen Ex-Raucher im ersten Jahr nach dem Rauch-Stopp durchschnittlich zwischen vier und fünf Kilo an Gewicht zu. Allerdings gibt es große Schwankungen: Etwa 13 Prozent nehmen demnach mehr als zehn Kilo zu, 16 Prozent verlieren dagegen sogar an Gewicht.

Unterschiedliche Reaktionen auf Nikotin

Wie Menschen auf Nikotin reagieren, ist unterschiedlich. Manche sind schon nach wenigen Zigaretten abhängig, andere nicht. Manche können von einem Tag auf den anderen aufhören, ohne Entzugserscheinungen zu haben, andere leiden wochenlang. Manche legen nach dem Rauch-Stopp Kilo um Kilo zu, andere so gut wie nichts. Warum einige Ex-Raucher aber so starke Gewichtsprobleme haben, können Forscher noch nicht erklären.

Klar ist dagegen, was das Risiko für eine Zunahme nach einer Rauch-Entwöhnung erhöht: „Vor allem diejenigen, die von vorneherein übergewichtig sind, haben ein großes Risiko, nach einem Rauch-Stopp zuzunehmen“, sagt Suchtmediziner Prof. Anil Batra (Uni Tübingen). „Gefährdet sind auch Ex-Raucher, die ausgeprägte Entzugssymptome entwickeln und deshalb ein starkes Verlangen nach Kohlenhydraten haben.“ Sie versuchen oft, ihre Unruhe mit Süßigkeiten zu bekämpfen.

Es gilt der Grundsatz: Je mehr Zigaretten man konsumiert hat, desto stärker sind die Entzugserscheinungen und das Risiko zuzunehmen. Aber auch diese Regel ist nicht zuverlässig, so Batra: „Es gibt auch Menschen, die besonders sensibel auf Nikotin reagieren und bereits bei zehn Zigaretten pro Tag eine starke Abhängigkeit entwickeln.“ Ein Übergang mit Nikotinpflastern, -kaugummis oder anderen Medikamenten mache den Ausstieg manchmal leichter: Sie könnten verhindern, dass man wesentlich zunimmt. Sobald man sie aber absetzt, steht man vor den gleichen Problemen wie andere Ex-Raucher.

Nikotin dämpft den Appetit

„Man isst nach einem Rauch-Stopp einfach mehr. So banal ist das“, erklärt Kroemer. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung geht zudem davon aus, dass Nikotin den Energieumsatz erhöht – bei starken Rauchern um etwa 200 Kilokalorien pro Tag. Fällt dieser Effekt weg, nimmt man zu, wenn man genauso viel isst wie vorher. Kroemer zufolge haben neue Studien diese Behauptung aber ins Wanken gebracht. Einig sind sich Experten jedenfalls darin, dass Nikotin den Appetit dämpft. Worauf die appetitregulierenden Effekte des Nikotins im Einzelnen beruhen, ist noch nicht ganz klar. Offenbar wirkt sich der Stoff auf komplexe Weise auf Gehirnareale aus, die das Essverhalten kontrollieren.

Bei manchen Menschen trägt Nikotin wahrscheinlich dazu bei, dass sie nicht mehr so stark auf Reize aus der Nahrung reagieren, wie Kroemer sagt: „Bei Personen, die leckeres Essen normalerweise nicht ignorieren können, bewirkt Nikotin vermutlich, dass sie diesen Reiz besser im Griff haben.“ Fällt dieser Dämpfer weg, hat das Folgen: „Ein Raucher hat mir mal gesagt: Seit ich nicht mehr rauche, erliege ich sofort den Versuchungen im Kühlschrank.“

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