Absturz eines Unternehmers

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Der Unternehmer Ludwig Könemann ist wegen Insolvenzverschleppung angeklagt worden.

Er galt lange Zeit als der Shooting Star der Branche. Ende der 90er Jahre zählte der Unternehmer Ludwig Könemann (44) mit seiner Verlagsgesellschaft zu den Bestsellern des deutschen Buchhandels. Preiswerte Qualitätsbücher in hoher Auflage - das Verkaufsrezept schien lange Zeit aufzugehen. Der Kölner Verleger eröffnete Filialen in Europa und Übersee, steigerte den Jahresumsatz auf 220 Millionen DM und war doch Ende 2001 zahlungsunfähig. Die Banken hatten dem Buchdiscounter den Hahn zugedreht. Am 14. Dezember meldete er Insolvenz an.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Könemann die Überschuldung seiner Verlagsgesellschaft zu spät angezeigt. Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zufolge haben die Wirtschaftsermittler den Verleger und seine beiden Geschäftsführer wegen Insolvenzverschleppung beim Amtsgericht angeklagt. Die Verlagsgesellschaft war laut Anklage bereits Ende März 2001 konkursreif. Mit über 192 Millionen DM stand das Unternehmen in der Kreide. Doch die Geschäftsleitung soll den Gang zum Insolvenzrichter bis zum Jahresende hinausgezögert haben. Vielmehr gewann die Konzernspitze den Langenscheidt Verlag als potenten Gesellschafter. Die Münchner schossen im selben Jahr nochmals 60 Millionen DM in das sinkende Verlagsschiff. All dies konnte jedoch den Absturz des einstigen Wunderkindes unter den Kunstbuchverlegern nicht verhindern.

Dabei hatte doch alles so gut angefangen. Seit das Verkaufstalent Könemann 1993 den Taschen-Verlag verlassen hatte, um eigene Wege zu beschreiten, war es stetig bergauf gegangen. Hochwertige Kunstbücher, kulinarische Reihen, Enzyklopädien, Fotobildbände gingen zu Hunderttausenden preisgünstig über den Ladentisch. Alleine in den letzten vier Jahren vor dem Crash verzeichnete das Verlagshaus Umsatzsteigerungen von 1000 Prozent. Guido Weiler, anwaltlicher Berater des Insolvenzverwalters, mochte die Zahlen nicht kommentieren, bestätigte aber, „dass die Geschäftsstrukturen nicht mit dem rasanten Wachstum Schritt hielten, so dass das Unternehmen nicht mehr auf gesunden Füßen stand“.

Im Jahr 2000 beging Könemann den Fehler, für seine immensen Bücherberge neue Lagerstätten auszuwählen. Die Lageristen waren mit dem Vertrieb völlig überfordert. So wurden Enzyklopädien in italienischer Sprache nach Australien geliefert, Lieferungen ließen zu lange auf sich warten, Supermarktketten erhielten falsche Ware. „Das ganze war zu jener Zeit eine Nummer zu groß“, gab der Ex-Verlagschef zu. Immer mehr Kunden weigerten sich, die Verlagsrechnungen zu begleichen. „Wir hatten teilweise Außenstände von 150 Millionen Mark“, erinnerte sich Könemann. Die Liquiditätslücke habe zur Folge gehabt, dass man monatelang Exemplare nicht nachdrucken konnte. Der Hoffnungsträger Langenscheidt habe auch nicht mehr helfen können. „Das Geld floss zu spät“, meinte Könemann. Dezember 2001 kündigte die Bayrische Landesbank die Kredite. Das Gericht will in den nächsten Wochen über die Zulassung der Anklage entscheiden. Die Verteidiger der Angeklagten haben beantragt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Die Anwälte beantragten ein Gegengutachten, welches beweisen soll, dass die Könemann-Verlagsgesellschaft nicht pleite war. Norbert Gatzweiler, Verteidiger des Verlegers, spricht von einer „Fehlbeurteilung, weil die Millionenbestände verkaufsfähiger Bücher nie zu einer Überschuldung der Firma geführt haben“. Nach Auffassung seines Kollegen Frank Langen, der einen weiteren Geschäftsführer verteidigt, legt die Anklage in der Insolvenzfrage falsche Bewertungsmaßstäbe zugrunde.

Im Kern geht es um die unterschiedliche Bewertung der Lagervorräte von 42 Millionen Büchern. „Die Staatsanwaltschaft stützt sich auf das Insolvenzgutachten, das die Verkaufsbestände preislich viel zu niedrig schätzt“, sagte der Anwalt. Da Bücher das Kapital eines jeden Verlages darstellen, sinke gleichfalls der Wert des Unternehmens. „Hätte man die marktüblichen Buchpreise angelegt, wäre die Firma nicht überschuldet gewesen“, erläuterte Langen. Könemann betonte, dass Buchverlage die alten Verlagsbestände inzwischen aufgekauft und zu weit höheren Preisen veräußert hätten, als das Insolvenzgutachten annehme. Der Verleger beklagt zudem taktische Fehler des Insolvenzverwalters. Dadurch seien ausländische Urheberrechte verloren gegangen. „Bücher konnten nicht nachgedruckt werden, da man beispielsweise Fotorechte neu erwerben musste.“ Weil das Geld für das neue Copyright fehlte, seien allein fünf Millionen Exemplare im Lager vernichtet worden.

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