Alexandra KassenMit dem Rollator bis ans Ende der Welt

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Alexandra Kassen. (Bild: Worring)

Alexandra Kassen. (Bild: Worring)

Sie sitzt mit strahlenden Augen am Tisch und heftet Papiere in einen Ordner ab: Alexandra Kassen ist zwar noch bis Ende des Monats in der Reha-Abteilung des Marien-Hospitals untergebracht, aber auf dem besten Wege, die Folgen eines Sturzes im Juli dieses Jahres wegzustecken. "Mit meinem Rollator komme ich bis ans Ende der Welt", witzelt die Prinzipalin des Senftöpfchen-Theaters, die Dienstagabend den Großen Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland erhält - als "herausragende kulturschaffende Persönlichkeit", die das Theater "zu einer der bekanntesten Kleinkunst- und Kabarettbühnen Deutschlands" gemacht habe. Obwohl sie schon mit zahlreichen Preisen geehrt wurde, ist es der erste, der mit einem Geldsegen verbunden ist. Die 30 000 Euro könne sie gut gebrauchen - frei nach ihrem Motto "Hinfallen, aufstehen, Hütchen richten, weitergehen".

Langsam glaube sie selbst, dass sie all ihre Auszeichnungen wirklich verdient habe, so die Rekonvaleszentin, auf deren Schreibtisch sich die Glückwunschpost häuft. Selbst die WDR-Intendantin Monika Piel hat es sich nicht nehmen lassen, ihre Vorbildfunktion für den Sender hervorzuheben und sie auch für ihre Risikobereitschaft zu loben. Der Verdienst der großen alten Dame besteht schließlich darin, dem talentierten Nachwuchs eine Chance zu geben: Für viele begabte Newcomer der Beginn einer Bühnenkarriere. Einer von ihnen ist Fatih Cevikkollu. Ihn entdeckte sie 2005 in einer Nippeser Kneipe - und engagierte ihn vom Fleck weg.

Inzwischen ist er eine feste Größe auf den renommierten Kleinkunstbühnen des Landes - und erhält dafür den mit 5000 Euro ausgestatteten Förderpreis des Rheinischen Kulturpreises; worüber sich Alexandra Kassen besonders freut, ist er doch das beste Beispiel für einen Kabarettisten, der etwas zu sagen hat - und das in seinen intelligenten, mit Witz und gedanklicher Schärfe durchtränkten Programmen konsequent durchzieht. Die Liste derjenigen, die der fast 89-jährigen Alexandra Kassen ihren Durchbruch verdanken, ist ellenlang und gleicht einem Who's who der Branche - das Ergebnis ihrer ungebrochenen Neugier.

Legendäre Hüte und Schuhe

Ihre Hütchensammlung ist legendär, weniger beachtet, aber nicht weniger beachtlich, sind ihre ausgefallenen Schuhe, auf die sie derzeit allerdings zugunsten von etwas verhalteneren Modellen verzichten muss. Nicht aber auf den kreativen Kopfputz und den wunderschönen Korallenschmuck, den sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Bei der Preisverleihung im Historischen Rathaus wird "et Hötche", wie sie allenthalben genannt wird, ihre neueste, pfiffige Errungenschaft tragen, die die feinen Haare bedeckt: ein rotes Etwas mit frechen kleinen Kringel-schwänzchen am Hinterkopf.

Zur fortschreitenden Genesung tragen nicht zuletzt auch ihre Stippvisiten im Theater bei: Hier ist sie in ihrem Element - das Haus habe eine künstlerische Patina, man spüre den Genius Loci, so etwas wie den Schutzgeist des Ortes. Dabei kann sie sich durchaus vorstellen, in einem zweiten Leben - so es so etwas gäbe - einen völlig anderen Beruf zu ergreifen ("den meinen kenne ich ja schon"). Zum Beispiel Fotografin zu werden, in New York zu leben, mit der Kamera durch die Wüste zu fahren, Abenteuer zu erleben, gefährliche Situationen zu meistern - kurz: noch waghalsiger zu sein als in ihrem bisherigen Leben. Wobei die wohlbehütet aufgewachsene, in einem klösterlichen Internat für Mädchen erzogene und seit 1959 im Rheinland lebende Bayerin gleich darauf hinzufügt, dass ein Theater das Waghalsigste sei, was es gibt.

Wenn es denn mit dem zweiten Leben klappt, wird sie vermutlich auch mehr Zeit dafür haben, ihre zweifelsfrei vorhandenen Verführungskünste am anderen Geschlecht auszuprobieren. Wer ein Theater leite, solle sich damit abfinden, dieses Gebiet vernachlässigen zu müssen. Wieso kein Mann nach dem Tod ihres Mannes Fred Kassen im Jahr 1972 um die Hand der von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellten Frau angehalten hat, bleibt ein Rätsel. Alexandra Kassen zerbricht sich darüber nicht den Kopf.

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