Auch Pinguine hören gerne Opern

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Wenn Marius Felix Lange in seinem Rösrather Wohnzimmer singt und komponiert, ist umgeben von mehreren Rechnern und Klaviaturen.

Wenn Marius Felix Lange in seinem Rösrather Wohnzimmer singt und komponiert, ist umgeben von mehreren Rechnern und Klaviaturen.

Rösrath - Marius Felix Lange ist noch ganz ergriffen von den Eindrücken der letzten Zeit. Der junge Mann mit der randlosen Brille sitzt in seinem Rösrather Wohnzimmer, umgeben von zwei Klavieren, mehreren Laptops und antiken Möbeln, und berichtet über seinen jüngsten musikalischen Triumph. Lange spricht schnell, denn er hat in den vergangenen Monaten eine ganze Menge mitgemacht. „Ich stand emotional auf Messers Schneide“, sagt der junge Komponist.

Ganz kurzfristig hatte sich der 36-Jährige im vergangenen Jahr entschieden, am ersten Internationalen Kompositionswettbewerb der Kölner Oper und der Musikhochschule teilzunehmen. Die Zeit war knapp. Arbeiteten seine Konkurrenten schon seit Monaten an der Komposition, blieben Lange nur noch acht Wochen bis zur Abgabe. Doch Lange war es die Sache wert: „Ich konnte endlich meine Art von Musik realisieren“, berichtet der gebürtige Berliner, der Geige und Komposition studierte und schon etliche Film-Musiken geschrieben hat. Seine Kreativität konnte er ausleben: „Am liebsten habe ich es, wenn ich gewisse Freiheiten habe“, sagt der freischaffende Künstler. Das sei bei Filmmusiken nicht immer der Fall: „Da muss man sich streng an das Genre halten.“

Lange vergrub sich in seinem Studio und machte sich daran, Elke Heidenreichs Libretto „Das Opernschiff“ zu vertonen. Grundlage für den Text war Heidenreichs Kinderbuch „Am Südpol, denkt man, ist es heiß“. Es handelt sich um eine putzige Geschichte über Pinguine am Südpol. Die zentrale Frage lautet: Warum tragen die Pinguine einen Frack? Das Libretto gibt die Antwort: „Weltweit ist geheim geblieben, dass Pinguine Opern lieben.“

Lange erdachte sich Melodien, baute die einzelnen Instrumentalstimmen mühsam am Laptop zusammen und sang die Stimmen der männlichen Pinguine sogar selbst ein. Nicht abgehoben und avantgardistisch sollte sein Werk werden, vielmehr sollten Kinder und Erwachsene gleichermaßen Spaß daran haben - ein schwieriges Unterfangen. Langes musikalischer Hintergrund war ihm allerdings sehr hilfreich: „Ich komme von der klassischen Komposition mit akustischen Instrumenten“, erklärt der Mann, der von sich behauptet, er habe das absolute Gehör. Außerdem konnte er seine Erfahrungen als Filmkomponist gut einbringen: „Ich habe das Libretto wie ein Drehbuch für einen Film aufgefasst.“ Nach und nach schuf Lange ein einstündiges Bühnenwerk mit viel Witz und einer romantischen Pinguin-Liebesgeschichte. Im Zentrum der Handlung stehen Pinguin-Dame Lotti und Pinguin-Jüngling Leo. Die ganze Pinguin-Horde freut sich tierisch auf die regelmäßige Ankunft des Kölner Opernschiffs. Dort wird aufgeführt, was die befrackten Vögel entzückt: „Tannhäuser“, „Aida“ und all die anderen schönen Werke. Im Gegensatz zu Leo hat Lotti für Opern jedoch nur ein abfälliges „Pah“ übrig - Pop ist ihre Welt: „Ich will die Spice Girls und Madonna, will Britney Spears und Ramona, ich will die Back Street Boys und Prince, ja! Und will Christina Aguilera!“ Am Ende verliert Lotti ihr Herz doch an die Oper - und natürlich an Leo.

Langes Arbeit machte große Fortschritte: „Ich hatte das Gefühl, dass es gut wird“, sagt der 36-Jährige. „Das ist eine sehr emotionale Oper.“ Obwohl er selbst kein Freund von Popmusik ist, scheute er sich nicht, Lotti einen Rap singen zu lassen. „Ich habe 16 Stunden am Tag komponiert“, sagt Lange. Dumm nur, dass er bei all dem Stress mächtig Ärger mit seinem Vermieter bekam. Von jetzt auf gleich mussten ein Anwalt und eine neue Wohnung her. Dabei hatte Lange doch Wichtigeres zu tun: „Die Schwierigkeit war, sich von dem Ärger nicht beeinflussen zu lassen“, sagt Lange. Doch das gelang nicht immer: „Manche Parts konnte ich nicht singen, weil ich wegen der ganzen Sache so emotional aufgeladen war.“

Mittlerweile verläuft Langes Leben wieder halbwegs harmonisch. In Rösrath hat er eine möblierte Wohnung gefunden, in der zuvor eine 90-jährige Dame wohnte, die nun im Altenheim lebt. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt er. Was aber das Beste ist: Langes Oper, die er gerade noch rechtzeitig abgegeben hat, ist von der hochkarätig besetzten Jury mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden. „Es war wohl eine einstimmige Entscheidung“, freut sich Lange. Immerhin reichten 37 Komponisten aus 13 Ländern ihre Werke ein. 10 000 Euro Preisgeld gibt es für Lange oben drauf: „Die kann ich auch gut gebrauchen, schon um meine Anwaltskosten auszulegen.“ Größer ist seine Freude aber über den künstlerischen Erfolg: „Ich habe den Traum, einmal eine abendfüllende Oper zu schreiben. Diesem Traum bin ich etwas näher gekommen“, erzählt Lange. „Das Opernschiff“ wird demnächst gleich neunmal in der Kölner Oper aufgeführt. Die Regie wird Christian Schuller führen. „Ich bin vor allem gespannt, was Elke Heidenreich dazu sagt“, erklärt der Rösrather Musiker und lacht: „Wenn die Jury gewusst hätte, dass ich das alles unter diesen Umständen in nur zwei Monaten fertig gemacht habe, hätte ich wahrscheinlich noch einen Sonderpreis bekommen.“

Neue Projekte hat Lange bereits angestoßen. Auf der Berlinale hat er kürzlich den Regisseur Alain Gsporner getroffen. Er produziere gerade einen Film mit Corinna Harfouch. Lange wird die Filmmusik schreiben. „Das neue Jahr lässt sich gut an“, freut sich der Allround-Musiker. Seine lokalen Aktivitäten vergisst er bei all dem Erfolg nicht. Der Overather Chor „O-Ton“, den er dirigiert, suche dringend Männerstimmen. Das müsse unbedingt in der Zeitung stehen.

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