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Chronik

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Kalscheuren ist der einzige Hürther Ort, der keine mittelalterliche Besiedlung in größerem Stil vorzuweisen hat. Außer dem Kalscheurener Hof, der erstmals 1305 urkundliche Erwähnung findet, ist das Gebiet damals Waldfläche. Der Name stammt vermutlich aus der Zusammensetzung „kalt“ und „Scheuer“ - kalte Scheune - , was auf den oft vorherrschenden kalten Wind zurückgeführt wird. Der Hof befindet sich bis zur Säkularisation im Besitz des Deutschordens und geht danach in den Besitz der Kölner Armenverwaltung über. 1924 wechselt er in den Besitz der Familie Fleischhauer, danach in den der Familie Schumacher, die ihn an die ehemalige Bundesbahn verkauft.

Die Industrialisierung wird im Jahr 1844 durch den Bau der Eisenbahnlinie Köln-Bonn eingeleitet. Im Jahr 1859 wird der Bahnhof gebaut. Er ist maßgeblich für die Industrialisierung des Ortes. Während 1859 noch 58 Einwohner auf dem Hofgut Kalscheuren gezählt werden, kommen im Lauf der Jahre immer mehr Menschen nach Kalscheuren, um hier zu arbeiten. 1889 geht die Tonröhrenfabrik in Betrieb, 1893 die Asphalt-Farben- und Lackfabrik Beer, 1895 die Degussa (die sich hauptsächlich auf Kölner Stadtgebiet befindet), 1896 die Eisengießerei, 1902 die Malzfabrik und 1916 die Kölner Holzbauwerke. 1922 wohnen in Kalscheuren 405 Einwohner.

Die Zahl steigt im Zweiten Weltkrieges durch die in Kalscheuren eingesetzten Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen erheblich. Stadtarchivar Dr. Manfred Faust geht davon aus, dass etwa 3500 Kriegsgefangene damals in Hürth in der Industrie und auf landwirtschaftlichen Höfen im Einsatz waren, etwa 300 Russen und Ukrainer allein bei der Reichsbahn in Kalscheuren. Die Familie Kunysz war eine davon. Sie war 1943 mit vier Kindern nach Deutschland deportiert und in ein Lager der Reichsbahn in Kalscheuren verschleppt worden. Dort wurde der Vater von einer Lokomotive überfahren. Zwangsarbeiter waren auch an den Rußöfen in Kalscheuren und in den Kalscheurener Holzbauwerken im Einsatz. Ebenso ist in den Quellen belegt, dass eine Scheune beim „Ostarbeiterlager“ als Hinrichtungsstätte benutzt wurde. Kontakte mit „Iwans“ und „Ukrainermädchen“ waren der Bevölkerung untersagt, aber es gibt auch Belege dafür, dass sich Hürther für die Gefangenen einsetzten. So berichtete Iwan Woijnikow in einem seiner Briefe von drei Laiben Brot, die morgens an seinem Weg zur Arbeit auf einem Holzstamm lagen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erhält Kalscheuren einen eigenen Bezirksvollsteher, der als Ehrenbeamter der verlängerte Arme der Verwaltung in Hermülheim ist. Diese Regelung wird aufgehoben, als Kalscheuren 1975 durch Ratsbeschluss in den Verwaltungsbezirk Hermülheim eingeordnet wird. Auch die Grundschule wird 1977 in die Hermülheimer integriert. 1962 wird die Ortsgemeinschaft Kalscheuren gegründet. 1991 wird in Kalscheuren die erste Fernsehshow aufgezeichnet, heute werden in den MMC-Studios Comedyshows wie „Genial daneben“, „Schillerstraße“ und die „Freitag-Nacht-News“ produziert.

Quellen: Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Hürth von Manfred Faust in Hürther Heimat, Band 83, Chronik: 25 Jahre Ortsgemeinschaft Hürth-Kalscheuren. (lm)

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