Das Comeback eines Originals

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Der Zeichner und Sänger Arno Faust in seinem Zuhause - so ungewöhnlich wie seine Wohnung waren auch seine Auftritte in Kölner Kneipen.

Der Zeichner und Sänger Arno Faust in seinem Zuhause - so ungewöhnlich wie seine Wohnung waren auch seine Auftritte in Kölner Kneipen.

Manchmal vergisst eine Stadt sogar ihre ungewöhnlichsten Kinder. Arno Faust zum Beispiel. Der Zeichner, Sänger und Gitarrist galt in den siebziger Jahren als „letztes kölsches Original“, er war ein Lieblingskind der Kunst- und Medienszene und Gesprächsthema in jeder kölschen Kneipe. Der blank gescheuerte Biertisch ersetzte ihm das Atelier, der Schankraum die Bühne. Er residierte in der Kneipe, zeichnete, sang zur Gitarre und unterhielt sein Publikum bis tief in die Nacht. Kaum zu glauben, dass man so einen vergessen kann. Aber fast 25 Jahre nach seinem Tod ist es geschehen. Sein Freund und Förderer Fritz Rosewe will das jetzt ändern. Er will Werke und Besitz von Arno Faust, die lange ausgelagert waren, wieder nach Köln bringen und der Stadt einen Teil ihrer Geschichte zurückgeben.

„Das gehört alles nach Köln“, sagt Rosewe (68), der in Pforzheim den gesamten Nachlass von Arno Faust gesichert und gesammelt hat. Dazu zählen Tausende von Zeichnungen, mehr als 100 Aktenordner mit Unterlagen, Bilder und Skulpturen, aber auch Mantel, Uhr und sogar das Gebiss des Sängers. Rosewe, der heute surrealistische Bilder im Stile Yves Tanguys malt und früher als Juwelenfasser Geld verdiente, kaufte Faust schon zu seinen Lebzeiten viele seiner Arbeiten ab und unterhielt ihn lange Zeit mit wöchentlichen Zahlungen von 1000 Mark (ca. 500 Euro).

Mit Bildern bezahlt

Von dem Geld war oft genug schon zum Wochenende nichts mehr übrig, denn Faust setzte es im Kreis seiner Freunde, zu denen auch Mundartautor Hans W. Krupp (bekannt als der „Schäng“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“) gehörte, sofort in Alkohol und Geselligkeit um. Wenn das Geld nicht mehr reichte, verkaufte er seine in schneller Folge entstehenden Zeichnungen gegen geringes Entgelt oder zahlte seine Rechnung gleich mit dieser Form von Naturalien. So kommt es, dass noch heute so manche Kneipe wie die „Kleine Glocke“, „Laila“, die „Eule“ und andere einen echten Faust an der Wand hängen haben. Genauso wie das Bordell, in dessen Hinterhaus Faust vorübergehend gewohnt hatte. Am häufigsten traf man Faust in Tony Dierses „Kleiner Glocke“, wo er stets im Mittelpunkt stand. Er spielte Gitarre mit hartem Flamenco-Anschlag, sang, trank und zeichnete, bis er schließlich auf dem Rücken lag. Dabei war er, wie seine Freunde berichten, nie ein Selbstdarsteller, sondern der Motor einer fast schon anarchistisch anmutenden kölschen Runde, die keinen falschen Respekt vor Autoritäten und Geistlichkeit kannte.

Bürgerliche Regeln galten nicht für Faust. Er bekämpfte sie nicht, sondern brach sie einfach, ohne darüber nachzudenken. Seine Insulinspritze stach er sich mitten in der Kneipe einfach durchs Hemd, und wenn er den Weg nach Hause nicht mehr schaffte, dann übernachtete er eben im Straßengraben oder auch schon mal im Garten des erzbischöflichen Palais'. Die Badewanne seiner Zollstocker Wohnung hatte er herausgerissen und zu einem Tisch umfunktioniert, die Türen (ohne Klinken) und Wände waren wild bemalt und entsetzten den Vermieter, als er nach Fausts Tod im Jahr 1984 die Wohnung wieder betrat. Der wollte die Wohnung natürlich sofort renovieren und streichen lassen. „Da habe ich einfach alles mitgenommen“, erzählt Rosewe, „die Türen, die Badewanne, die Tapeten, sein Fahrrad und den bemalten Resonanzboden eines Klaviers.“

Als es mit Faust gesundheitlich bergab ging und er eines Nachts von Unbekannten brutal zusammengeschlagen worden war, hatte Rosewe 1983 einen Rettungsversuch gestartet und den Zeichner mit nach Pforzheim genommen. „Schon auf der dreistündigen Fahrt hat er 75 Zeichnungen gemacht“, berichtet sein Freund. Dabei legte er auch so etwas wie eine Lebensbeichte ab. „Mein größter Fehler war, dass ich mich um meinen Sohn nicht genug gekümmert habe“, bekannte Faust über den mit 22 Jahren ums Leben gekommenen Roland. Im Allgemeinen sprach er allerdings nicht gerne über seine Familienverhältnisse. Seine Ehe war schon nach anderthalb Jahren zu Ende, aber warum das so war, darüber schwieg Faust.

In Pforzheim, der Hauptstadt der deutschen Edelsteinbearbeitung, beruhigte sich der „Zille von Köln“, wie er auch einmal genannt wurde, etwas. Im Rathaus wurde eine Ausstellung seiner Werke gezeigt, die Bilder wurden abgeklärter. Trotzdem wurde er kein anderer - im Hotel bemalte er das Fensterbrett: „Das Licht war so schön, da konnte ich nicht anders.“ Nach drei Monaten kehrte er schließlich nach Köln zurück. Ihm hatte wohl der kölsche Mutterboden gefehlt.

Posthume Ausstellungen

Ein Jahr nach seinem Tod fand in der Hauptstelle der damaligen Stadtsparkasse am Rudolfplatz eine erste posthume Ausstellung mit 400 Zeichnungen und Bildern von 20 Leihgebern statt. Die Eröffnungsrede hielt der Leiter der graphischen Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums, Uwe Westfehling. 1992 folgte eine weitere Ausstellung im studio dumont, zu der so viele Menschen drängten, dass es zum Stau auf der Breite Straße kam. „Museumsreif“ war Arno Faust damit aber noch nicht geworden. Bis heute schlummert der Löwenanteil seines Werks bei Fritz Rosewe im fernen Pforzheim - sicher, aber eben auch unzugänglich für die breite Öffentlichkeit.

Bis jetzt hat sich noch kein Museum und keine öffentliche Einrichtung nachhaltig für Fausts Werk interessiert. „Über den Preis können wir reden“, sagt Rosewe, der die Werke nach Köln zurückbringen will. Bedingungen gibt es dafür nur wenige: Die Zeichnungen sollen nicht in der Schublade verschwinden, sondern öffentlich gezeigt werden, und natürlich muss der Nachlass aufgearbeitet werden.

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