Den Hexenjägern auf der Spur

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An die Opfer erinnern soll der Hexenbrunnen in Odenthal. 1602 wurde in Bensberg der Prozess gegen fünf Frauen aus Odenthal, zwei Schwestern aus der Nähe von Nittum und eine weitere Person eröffnet.

An die Opfer erinnern soll der Hexenbrunnen in Odenthal. 1602 wurde in Bensberg der Prozess gegen fünf Frauen aus Odenthal, zwei Schwestern aus der Nähe von Nittum und eine weitere Person eröffnet.

Bergisch Gladbach - Geschichte ist manchmal eine verhexte Sache. Informationen darüber, wie die Menschen vor Jahrhunderten gelebt haben, mischen sich im Laufe der Zeit gerne mit Gerüchten und Klischees. Was übrig bleibt ist immer wieder die Frage, wie es wirklich war in der Vergangenheit. Einer, der sich berufsmäßig mit dieser Frage auseinander setzt, ist Thomas Becker. Der promovierte Historiker, der das Archiv der Universität Bonn leitet und einen Lehrauftrag hat, forscht seit rund 20 Jahren über Hexenverfolgung im Rheinland. Als Becker jüngst auf Einladung der VHS und des Stadtarchivs Bergisch Gladbach in Haus Buchmühle referierte, stellte er schnell klar, dass er mit einigen verbreiteten Vorurteilen über Hexenverfolgung aufräumen will.

Der Vortrag in der Veranstaltungsreihe „Hokuspokus“, zu dem Stadtarchivar Albert Eßer rund 40 Zuhörer begrüßte, setzte bei den Wurzeln der Verfolgung an. Becker erläuterte, wie sich im Kontext der mittelalterlichen Ketzer- und Zaubereiprozessen allmählich Stereotypen entwickelten von Teufelsanbetern und Schadenszauberinnen. „Im 15. Jahrhundert war die Hexenlehre vor allem eine theologische Gelehrtendiskussion“, so Becker. Zwar habe es damals bereits einzelne Prozesse gegeben, aber noch keine Verfolgungswellen wie in der Neuzeit.

1487 fasste der Dominikaner Heinrich Kramer (Henricus Institor) in dem Buch „Hexenhammer“ die bisherigen Theorien zusammen und empfahl, Hexenprozesse an weltliche Gerichte zu übertragen. Tatsächlich seien dann lokale Interessengruppen und Amtsträger sowie professionelle Hexenjäger die Hauptprotagonisten der Verfolgung geworden. „Die landläufige Vorstellung, sie sei eine kirchliche Angelegenheit gewesen, ist somit nicht haltbar“, betonte Becker und berief sich auf den aktuellen Forschungsstand. Demnach hat es in Italien und Spanien - „wo die kirchliche Inquisition das Sagen hatte“ - so gut wie keine Hexenverfolgung gegeben. Noch ein weiteres Ergebnis der jüngeren Forschung steht im Gegensatz zu beliebten Vorurteilen: Die Opfer der Verfolgung kamen aus fast allen Berufsgruppen und Schichten, es waren auch Männer betroffen. „Ausgenommen waren nur der hohe Adel und der hohe Klerus.“

Die schlimmste Phase der Hexenjagd, die der Massenverfolgungen, lag zwischen 1560 und 1680. Damals war Europa von Kriegen und Krisen zerrüttet. „Die Lebensumstände der Menschen hatten sich massiv verändert. Sie wurden aufnahmebereit für Verschwörungstheorien und suchten nach Sündenböcken“, erklärte Becker. Letztlich hätten hinter den Prozessen in der Regel (lokale) Machtkämpfe gesteckt, die Anklage als „Hexe“ sei instrumentalisiert worden.

Der Historiker hatte eine Karte mitgebracht, auf der er die Verteilung der Fälle im Rheinland zeigte. Während südlich von Köln viele Markierungen zu sehen waren, entpuppte sich das Bergische als relativ prozessarme Zone. Das dürfte manchen Zuhörer überrascht haben. Zu bekannt ist der alte Spruch „Se breeten in Ohnder Hexen wie Hohnder“ (in Odenthal brieten sie die Hexen wie Hühner“). Nach Beckers Forschung hat es im Herzogtum Berg nur zwei Prozesswellen gegeben: 1602 wurde in Bensberg der Prozess gegen fünf Frauen aus Odenthal, zwei Schwestern aus Nittum (das damals zu Odenthal gehörte) und eine weitere Person eröffnet. 1611 begann der Prozess gegen drei weitere Frauen aus Nittum, darunter Katharina Scheuer, die auch als „Scheuers Tring“ in die Literatur eingegangen ist.

Aus einem Text des Schriftstellers Vinzenz Jakob von Zuccalmaglio, der wohl die Akten gelesen hatte, stammen denn auch die Informationen, die Becker über die Prozesse und Hinrichtungen hat. „Es gibt für diese Region kein bekanntes Originaldokument.“ Aus dem genannten Text gehe aber hervor, dass Scheuers Tring um 1570 in Nittum geboren wurde und insgesamt dreimal verheiratet war. Sie wurde unter anderem beschuldigt, einen Verehrer rasend verliebt gemacht und ein Kalb halb tot gezaubert zu haben. Außerdem war 1602 bereits ihre Großmutter als Hexe hingerichtet worden. Der Prozess von Katharina Scheuer zog sich bis 1613 hin. Sie wurde stranguliert und dann verbrannt. Eine ihrer Mitangeklagten war vorher hingerichtet worden, die andere beging Selbstmord.

Nach diesen grausigen Ereignissen habe es zwar noch Anschuldigungen im Bergischen gegeben, aber keine Prozesse mehr, sagte Thomas Becker. Wie er bei der anschließenden Diskussion einräumte, sei es zwar möglich, dass es mehr (Einzel-)Fälle gegeben habe, von denen einfach keine Zeugnisse mehr erhalten sind. Aber dass es noch Prozessketten gegeben habe, sei sehr unwahrscheinlich. Sonst müsste man in anderen Texten zumindest Hinweise finden.

Bleibt die Frage, warum es so große regionale Unterschiede gab. Becker hat lediglich eine Theorie dazu: „In größeren Dorfgemeinschaften gab es mehr Prozesse als in Streusiedlungen, wo die Menschen weniger eng zusammenlebten.“ Diese These zu bestätigen oder zu widerlegen, bleibt Aufgabe der Forschung. Denn dort ist das Kapitel Hexen noch lange nicht abgeschlossen.

 www.thomas-p-becker.de

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