Die ersten Sechslinge seit 1988

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Im Berliner Krankenhaus Charité sind Sechslinge geboren worden. (Archivbild: dpa)

Im Berliner Krankenhaus Charité sind Sechslinge geboren worden. (Archivbild: dpa)

BERLIN - Ein Dutzend Ärzte und sechs Schwestern hatten sich wochenlang auf diesen Tag vorbereitet. So etwas hatte noch keiner von ihnen erlebt. Erstmals kamen in der Berliner Charité am vergangenen Donnerstag Sechslinge auf die Welt - und damit erstmals seit 20 Jahren in Deutschland. Nach einem Kaiserschnitt konnte das Team aufatmen. Mutter und Babys sind zwar wohlauf, doch ob die vier Mädchen und zwei Jungen überleben werden, können die behandelnden Ärzte vier Tage nach der Geburt nicht garantieren. „Erst am Tag der Entlassung wissen wir, ob die Babys wirklich über den Berg sind“, sagt Oberärztin Monika Berns.

Normalerweise sind Säuglinge ab der 24. Schwangerschaftswoche lebensfähig - die Berliner Sechslinge hatten drei Wochen länger Zeit, bevor die Ärzte sie auf die Welt holten. Noch können die gerade 800 bis 900 Gramm schweren Babys Saugen, Schlucken und Atmen nicht koordinieren. Sie werden auf der Kinder-Intensivstation betreut. Zwölfmal am Tag werden sie vorsichtig mit abgepumpter Muttermilch gefüttert. In fünf Wochen, in der eigentlich 32. Schwangerschaftswoche, kann frühestens mit dem Stillen begonnen werden. Vorher sollen die winzigen Babys auch nicht aus der Klinik entlassen werden.

Doch die Gefahr, dass die Frühchen auch danach noch Entwicklungsstörungen zeigen, ist groß. Bis zu 30 Prozent aller Frühgeburten unter tausend Gramm entwickeln laut Berns chronische Lungenerkrankungen. Auch das Gehirn ist bei der Geburt noch nicht ganz ausgereift. Angesichts dieser Umstände würden viele Eltern eine Abtreibung in Erwägung ziehen, sagt der leitende Oberarzt Wolfgang Henrich. „Die Mutter hat sich trotz der bekannten Risiken für eine Geburt entschieden.“ Die Entbindung sei ungeachtet der schwierigen Voraussetzungen unkompliziert verlaufen. Die sehr intensive Betreuung im Krankenhaus und „die hohe Motivation der Mutter“ hätten dies möglich gemacht.

Über das Alter und die Herkunft der Eltern schweigen die Ärzte. „Wir bitten um Verständnis, dass Kinder und Mutter jetzt Ruhe brauchen“, sagt Klinikdirektor Ulrich Frei. Auch über die Art der Befruchtung sagt er nichts. Die Wahrscheinlichkeit für eine natürliche Sechslingsgeburt liegt jedoch bei gerade mal eins zu 4,4 Milliarden.

In den 1980er Jahren gab es in Deutschland besonders häufig Mehrlingsgeburten. Die Behandlung von Frauen mit Hormonen für eine künstliche Befruchtung sei damals noch nicht so ausgereift gewesen wie heute, erläutert Henrich. Anfänglich seien daher oft drei befruchtete Eizellen in die Gebärmutter eingepflanzt worden. Heute gehe der Trend in Deutschland zu höchstens zwei Zellen. Dass Sechslinge nach einer künstlichen Befruchtung zur Welt kommen, ist nach Ansicht von Professor Bernhard-Joachim Hackeloer, Chef des Mutter-Kind-Zentrums an der Asklepios-Klinik Barmbek in Hamburg, ein „grober medizinischer Fehler“. In Spanien und Polen wird dagegen in Kauf genommen, dass mehr als drei Kinder im Mutterleib heranwachsen.

Die Berliner Sechslinge sind die ersten in Deutschland seit 1988: Im Aachener Klinikum waren am 24. Juli 1988 vier Mädchen und zwei Jungen geboren worden. Eines der Kinder starb kurz darauf. Insgesamt gab es von 1950 bis 2006 lediglich fünf Sechslingsgeburten, alle zwischen 1981 und 1988. Ursache für die zunehmende Zahl von Mehrlingsgeburten ist, dass immer mehr ältere Frauen mit Kinderwunsch sich einer Hormonbehandlung unterziehen oder sich künstlich befruchten lassen. (dpa, afp)

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