Die Lust daran, das Geschlecht zu wechseln

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Gemütliches Licht, gute Musik und eine schrille Miss-Wahl: Die Gender-Change-Party in Kalk ist für viele Transgender der erste Schritt an die Öffentlichkeit und ein Event, um Leute kennen zu lernen.

Gemütliches Licht, gute Musik und eine schrille Miss-Wahl: Die Gender-Change-Party in Kalk ist für viele Transgender der erste Schritt an die Öffentlichkeit und ein Event, um Leute kennen zu lernen.

Transvestiten, Transsexuelle vor und nach der OP, Drag Queens, Bewunderer und gewöhnliche Partygänger: die Gender-Change-Party bringt alle zusammen.

Ein Typ lehnt an der Theke: Jeans, derbe Schuhe, gestreifter Pulli, schwarzer Vollbart. Lässig fixiert er hier und da jemanden - cool, vielleicht ein wenig schüchtern, männlich. Daneben glänzen unter einem Stehtisch knallrote Lack-Pumps. Die Beine darin sind bemerkenswert, die Waden vielleicht ein wenig kräftig. Die Farbe in Kombination mit dem grünen Rock ein wenig gewagt, dafür sitzt die Frisur perfekt.

Vier Mal im Jahr findet in der Mensa des „Internationalen Bundes“ in Kalk die „Gender-Change-Party“ statt. Dass eigentlich der Typ mit dem Bart die Pumps tragen müsste und die Lackschuhträgerin tagsüber den Bart trägt, ist nur auf den zweiten Blick zu sehen - und darüber hinaus einfach egal. Ob man(n) oder frau Rock, Hose, Lack oder Jeans trägt, kümmert keinen. „Wir wollen keine Schubladen“, so Organisatorin Marla, „in jedem stecken Mann und Frau, beim Einen mehr, beim Anderen weniger.“

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Marla lebte fast dreißig Jahre als „ganz normaler“ heterosexueller Mann. Als der merkte, dass er irgendwie anders war, beschloss er, sein bisheriges Leben komplett auf den Kopf zu stellen. Er entschied sich, seinen Körper „ihren“ Gefühlen anzupassen und kam vor vier Jahren nach Köln - als Frau. Und liebt nun Männer. „Ich bin und bleibe heterosexuell“, sagt die 37-Jährige bestimmt. „In Köln hab' ich dann eine Einweihungsparty gemacht“, erzählt Marla, „und habe sowohl meine Freunde vom Wirtschaftswissenschafts-Studium als auch die Leute aus meiner Selbsthilfegruppe eingeladen.“ Erstaunlicherweise war die Party ein voller Erfolg: BWLer und Transgender verstanden sich hervorragend - schon war die Idee zur Gender-Change-Party geboren.

Mittlerweile bringen Marla und ihr Team aber nicht nur „normale“ Leute und Transgender zusammen. Im Kalker Loft spielt eine Band, zu aktueller Musik wird getanzt und damit auch alle was zu gucken haben, findet eine Miss-Wahl statt. Vor allem Männern, die zum ersten Mal in Frauenkleidung vor die Tür gehen, wird eine Chance geboten, sich in neuer Rolle zu bewähren.

„Einige haben richtig große Angst“, erzählt Travestiestar Heidi Stern, die zusammen mit Marla die Partygäste schminkt, „die sitzen da und kriegen keinen Ton raus.“ Viele der Männer bringen auch zur Verwandlung ihre Ehefrau mit. „Die hält dann Händchen“, lacht Heidi. Schließlich ist es ein großer Schritt, zum ersten Mal vom Mann zur Frau zu werden - und es erfordert einiges an Arbeit. Das merkte auch Andreas, der Spaß daran hat, für einen Abend sein Geschlecht zu wechseln. „Einkaufen war richtig schwierig“, erzählt Andreas, der heute Nora heißt, „ich bin ins Kaufhaus gegangen und habe den Verkäuferinnen erzählt, dass ich für einen Bühnenauftritt Frauenkleider brauche. Das hat auch gut geklappt.“ Dass er sich gerne „verkleidet“, wusste Andreas schon lange. Doch beim Urlaub in Holland hat er das zum ersten Mal seiner Ehefrau erzählt. „Unser Hotel lag gegenüber einem Schuhladen, der Damenschuhe in Übergrößen führt“, berichtet er, „da hab ich zu meiner Frau gesagt, dass ich mir an meinen Füßen auch gut hohe Schuhe vorstellen könnte.“ Gesagt, getan - er kaufte seine ersten Pumps, lernte neu laufen. Seine Frau findet das klasse - schließlich bleibt Andreas ein Mann.

Vielleicht auch deshalb, weil ihr Gatte auf dem besten Wege ist, sie in vielen Dingen viel besser zu verstehen und jetzt einen geraden Lidstrich zu schätzen weiß - oder auch die Kunst, auf hohen Hacken durch die Stadt zu trippeln.

 www.transgender-net.de

 www.ksta.de/nachtreporter

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