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Die Wiederauferstehung des Dionysos im Glutofen

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Die Herme von Mahdia, sagenumwobenes Exponat aus dem Rheinischen Landesmuseum, erhält zwei in verschiedenen Gusstechniken hergestellte Doppelgänger.

Bonn - Eine kleine Werkshalle im Industriegebiet Beuel - nicht gerade der prädestinierte Ort für die Herstellung von Repliken antiker Bronzestatuen. Genau hier aber hat die Kunstgießerei Friedemann Sander ihr Zuhause. Gestern nun hatte Sander einen Auftrag zu absolvieren, den Experten aus dem Rheinischen Landesmuseum in langjähriger Arbeit vorbereitet haben: Es galt die Herme von Mahdia, einen vor der tunesischen Küste gefundenen, hellenistischen Bronzepfeiler nachzugießen. Besonderer Clou: Ein Exemplar wurde nach der gängigen Verfahrenstechnik der Gegenwart hergestellt. Bei einer Schwesterstatue will das Team um Frank Willer, Restaurator im Rheinischen Landesmuseum, mit Hilfe neuester Forschungserkenntnisse die Gusstechniken der Antike rekonstruieren.

Der Bronzepfeiler, der den Kopf des griechischen Weingottes Dionysos zeigt, wurde nach Schätzungen von Kunsthistorikern im späten zweiten Jahrhundert vor Christi hergestellt. Als die Herme mit unbekanntem Ziel über das Mittelmeer transportiert wurde, sank das Schiff vermutlich in einem Sturm vor der tunesischen Küste. Bereits 1907 wurde der antike Schatz entdeckt und gehoben. Die Erkenntnisse über die antiken Gussmethoden gelangen Willer jedoch erst, als der Schatz von 1990 bis 1994 im Landesmuseum einlagerte. Die Herme gehörte 1994 zu den spektakulärsten Exponaten der anschließenden Ausstellung „Das Wrack. Der Schiffsfund von Mahdia“.

Auf gut 1200 Grad Celsius heizt Friedemann Sander den Induktionsofen vor, bevor darin 80 Kilogramm Barrenbronze in einem Spezialbehältnis zum Schmelzen gebracht werden. Als das Edelmetall auf Temperatur ist, wird die orange glühende Flüssigkeit behutsam in das Negativ aus gebranntem Gips gefüllt. Nach einer Auskühlungszeit von fünf bis sechs Stunden kann Sander das Objekt mit Hammer, Meißel, Bürste und Schmirgelpapier freilegen - fertig ist das Duplikat. Eine aufwendige Arbeit, mit Hilfe der geeigneten Technologie jedoch ein durchaus routinemäßiger Vorgang.

Die alten Griechen hatten es da nicht so leicht, bekanntlich verfügten sie weder über Induktionsöfen noch über Silikonabzüge oder hilfreiche Werkstoffe wie Phosphorkupfer. Frank Willer hat daher in jahrelanger Forschungsarbeit versucht zu rekonstruieren, welche in jedem Falle ungleich aufwendigerer Methode die Schöpfer der Herme angewendet haben. Um seine Wissensgier zu befriedigen, setzte der Restaurator auf Hochtechnologie: Neben Röntgen- und Endoskopieaufnahmen schreckte er auch nicht davor zurück, den Fund einer Computertomographie zu unterziehen.

Nach Auswertung der Ergebnisse konnte Willer belegen, dass der Guss des Originals im so genannten Wachsschmelzverfahren erfolgte. Diese in der Antike gebräuchliche Technik kommt auch heute noch gelegentlich zur Anwendung. Hierzu wurde das zu gießende Objekt zunächst in Bienenwachs modelliert. Zur Weiterbearbeitung wurden nachweislich zwei Techniken („direktes“ und „indirektes“ Verfahren) miteinander kombiniert. Zum Schmelzen wurde seinerzeit Kohle von Kiefern- und Buchenholz verwendet, nur so konnten die erforderlichen Temperaturen erreicht werden. Gegossen wurde die Statue schließlich auf dem Kopf stehend: Eine chemische Analyse hatte ergeben, dass der Bleianteil im Kopf höher war als im Sockel, bei den elementspezifischen Eigenschaften ein eindeutiger Hinweis.

Der Guss nach moderner Technik verlief gestern problemlos. An dem Modell, dass zur Rekonstruktion des griechischen Verfahrens dient, wird noch etwa zwei Wochen lang gewerkelt. Beide Duplikate werden künftig im Eingangsbereich des Akademischen Kunstmuseums zu sehen sein.

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