DoppelmordTodesschüsse am Ende einer Liebe

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Der gesuchte Mustafa Tilki ist 174 cm groß und schlank. (Bild: Polizei)

Der gesuchte Mustafa Tilki ist 174 cm groß und schlank. (Bild: Polizei)

Braunsfeld – Bericht vom 30.11.2010

In der vierten Etage der großen Sportberaterfirma in Braunsfeld herrscht am Dienstagvormittag tiefe Betroffenheit. Auf eine Holztür hat jemand ein schwarzes Blatt Papier geklebt - „Wir trauern um Laura und Andres“ steht darauf. „Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Andres, wir alle hier sind sehr bedrückt“, sagt ein Angestellter.

Die Litauerin Laura V. (29) und der Deutsch-Chilene Andres O. (34) sind am Montagabend gegen 19 Uhr auf ihrem Nachhauseweg erschossen worden - vor dem Gebäude der Ergo-Versicherung an der Scheidtweiler Straße, knapp 200 Meter von ihrer Firma entfernt.

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Die Polizei vermutet ein Eifersuchtsdrama, sie fahndet nach dem gebürtigen Türken Mustafa Tilki. Der 41-jährige Familienvater hatte ein jahrelanges außereheliches Verhältnis zu Laura V. Die kürzlich erfolgte Trennung soll Tilki allerdings nicht verkraftet haben, seitdem stellte er Laura V. nach. Aus Angst vor seinen Gewaltausbrüchen hatte die 29-Jährige ihren Kollegen Andres O. gebeten, sie abends auf dem Weg zu Hause zu begleiten. Vor der Tür soll Tilki sich mit den beiden noch ein kurzes Wortgefecht geliefert haben, dann feuerte er insgesamt mindestens vier Kugeln auf seine Opfer ab. Anschließend rannte der Schütze in Richtung Melatengürtel davon. Er stieg in den schwarzen Seat Ibiza einer Autoverleihfirma und flüchtete. Laura V. starb noch am Tatort im Rettungswagen, Andres O. erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, sicherten die Ermittler Aufnahmen einer Überwachungskamera vor dem Versicherungsgebäude, die genau auf den Tatort ausgerichtet ist: Die Tat selbst ist auf den Bildern schemenhaft zu erkennen. „Das ist brauchbares Material“, sagte ein Ermittler.

Tilki lebt in Köln mit seiner Frau und seinen Kindern zusammen. „In der Nacht zum Dienstag haben Spezialeinheiten verschiedene mögliche Anlaufadressen von ihm durchsucht“, berichtete Polizeisprecherin Dorothe Göbel. Auch zur Wohnung von Laura V. soll Tilki einen Schlüssel haben. Doch der 41-Jährige bleibt spurlos verschwunden. Die Polizei sucht mit einem Haftbefehl nach ihm und bittet die Bevölkerung um Hinweise, warnt aber: „Der Gesuchte ist eventuell immer noch bewaffnet.“

Die tödlichen Schüsse bilden das Ende einer gescheiterten Liebesbeziehung, die zuletzt nur noch aus Gewalt bestand. Am 12. November soll Tilki die 29-Jährigen mit einem Stock geschlagen haben. Am vorigen Donnerstag erschien Laura V. auf einer Polizeiwache, sie bat um Rat wegen der gewalttätigen Übergriffe ihres Ex-Freundes. Auch den Vorfall mit dem Stock brachte sie zur Sprache. Ein Beamter schrieb eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung. Er empfahl Laura V. „dringend“, beim Amtsgericht eine Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken, berichtete Polizeisprecherin Göbel. Diesem Rat sei die 29-Jährige auch rasch nachgekommen. Daraufhin durfte Tilki sich ihr unter Androhung einer Geldstrafe nicht mehr nähern. „Ihrer eigenen Einschätzung nach schloss sie eine weitere Eskalation der Gewalt durch den Verdächtigen aus“, sagte Göbel.

Gerichtliche Verfügung

Ein schwerer Irrtum. Denn schon wenige Stunden nach dem Besuch auf der Polizeiwache soll Mustafa Tilki Laura V. und deren Kollegen Andres O. zum ersten Mal vor der Sportfirma in Braunsfeld abgefangen haben. Als er handgreiflich wurde, rief O. die Polizei. „Die Beamten führten eine Gefährderansprache durch, erteilten dem 41-Jährigen einen Platzverweis und fertigten eine weitere Anzeige“, schilderte Göbel. Am Montagabend lauerte Tilki den beiden nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft erneut auf. Diesmal zückte er eine Waffe und schoss. Für diese Woche hatte Tilki bei der Polizei einen Termin zur Vernehmung wegen der gewalttätigen Übergriffe.

Weder Laura V. noch Andres O. haben in Köln Verwandte. Der 34-jährige O. war leidenschaftlicher Handballspieler und arbeitete als Hockeytrainer. „Andres war ein freundlicher, sehr zurückhaltender und besonnener Trainierkollege, immer gut gelaunt, ein äußerst angenehmer Mensch“, erzählt Wolfgang Kluth, Sportdirektor von Rot-Weiß Köln. Bis vor zwei Jahren war Andres O. Co-Trainer der erfolgreichen ersten Damen-Mannschaft. Seit 2002 war er an der Sporthochschule in Sport- und Erziehungswissenschaften eingeschrieben. Bei der Sportberaterfirma arbeitete der 34-Jährige als freier Mitarbeiter.

Laura V. hatte erst vor kurzem ein Praktikum in dem Unternehmen begonnen. Die Kollegen der beiden haben am Dienstagmorgen einen Trauerkranz und eine Grabkerze am Tatort aufgestellt. Um 13 Uhr gab der Chef seinen Mitarbeitern vorzeitig frei.

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