Ein Stück Gletscher-Eis nach Rom tragen

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1,2 Kilo Eis hat Frank Hülsemann bei seinem Lauf mit dabei.

1,2 Kilo Eis hat Frank Hülsemann bei seinem Lauf mit dabei.

Die vermeintlich kreative Idee ist im Grunde schon sehr alt: Einer Legende zufolge soll der römische Kaiser Nero vor 2000 Jahren seinen Sklaven befohlen haben, Eis aus den Alpen bis nach Rom zu transportieren. Dort soll er damit seine Getränke gekühlt und Vorläufer des Speiseeises genossen haben. „Ich fand es absolut spannend, herauszufinden, ob man das Gletscher-Eis wirklich aus den Alpen bis nach Rom transportieren kann, bevor es schmilzt“, sagt Hülsemann.

Die Idee war geboren, und der 35-jährige Kölner suchte sich acht Läufer, die bei dem ungewöhnlichen Staffellauf mitmachen wollten. „Die sollten gut trainiert sein, also einen Marathon in drei Stunden laufen können. Besonders anstrengend wird die 1000 Kilometer lange Strecke aber nicht“, so Hülsemann. Denn die neun gut trainierten Sportler teilen sich in drei Gruppen auf, die jeweils 75 Kilometer in sechs Stunden zurücklegen müssen; die anderen Teams fahren im Auto bis zum nächsten Treffpunkt, an dem sie den Rucksack wie ein Staffelholz übernehmen. Jedes Team entscheidet dann selbst, wie sie die 75 Kilometer untereinander aufteilen. Am kommenden Freitagmorgen startet der ungewöhnliche Staffellauf mit den 28 bis 55 Jahre alten Sportlern in den italienischen Alpen. Bis nach Rom läuft jeder von ihnen dann insgesamt mehr als 100 Kilometer; am Montag will die Gruppe ihr Ziel erreichen - das Eis ist bis dahin Tag und Nacht unterwegs. „Die Aufteilung in drei Teams ist sehr angenehm für uns - denn so muss jede Gruppe nur sechs Stunden laufen und macht dann zwölf Stunden Pause“, sagt Hülsemann.

Damit das Eis nicht komplett geschmolzen ist, wenn die Sportler nach geplanten 72 Stunden in Rom ankommen, hat Hülsemann verschiedene Isoliermethoden getestet: „Ich habe bestimmt ein Dutzend mal ausprobiert, wie man Eis am besten gefroren hält.“ Das Ergebnis: Das Staffel-Team benutzt für die Strecke durch Italien eine weitaus modernere Ausrüstung als Neros Sklaven vor 2000 Jahren. Sie wickeln eine Thermoskanne mit dem Eis in Folie ein und verstauen diese in einem isolierenden Rucksack. Elektrisch betriebene Kühlsysteme sind aber tabu.

„Und damit das Eis schon am Anfang möglichst kalt ist, kühlen wir die Thermoskanne vor, füllen vor Ort ein Stück Eis aus dem Mont-Blanc-Massiv und Wasser ein und stellen das Gefäß über Nacht in eine Gletscherspalte“, erklärt Hülsemann. Bei den vorbereitenden Versuchen war nach fünf Tagen noch die Hälfte des Eises in der Kanne übrig - dabei wurde die Kanne jedoch bei Kölner Temperaturen ruhig gelagert. Beim Tragen im Rucksack hielt es sogar nur drei Tage - trotzdem ist Hülsemann zuversichtlich: „Bei dem Probelauf war das Ganze noch nicht ideal isoliert. Ich glaube schon, dass wir am Montagmorgen auch wirklich mit ein paar Eisbrocken in Rom ankommen werden.“

Der Initiator der Eis-Staffel arbeitet als Chemiker an der Kölner Sporthochschule und entwickelt dort neue Methoden zum Dopingnachweis. „Für unseren Lauf durch Italien brauchen wir aber keine unerlaubten Substanzen“, sagt er schmunzelnd, „denn wir machen das nur für den Spaß und wollen keine Rekorde aufstellen.“ Und was machen die neun „Eis-Läufer“ mit ihrem kalten Rucksackinhalt in Rom? „Auf dem Weg kaufen wir uns eine Flasche Weißwein. Die können wir dann auf dem Forum Romanum mit unserem Gletscher-Eis gut gekühlt genießen.“

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