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Eine Verlängerung mit Stil

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„Denicotea“-Geschäftsführer Wolfgang Diez hat auch Pfeifen im Sortiment. Der Bergisch Gladbacher leitet die Firma seit 1981.

„Denicotea“-Geschäftsführer Wolfgang Diez hat auch Pfeifen im Sortiment. Der Bergisch Gladbacher leitet die Firma seit 1981.

Mehr als nur ein Mode-Accessoire für Exzentriker: Das Bergisch Gladbacher Traditionsunternehmen „Denicotea“ stellt seit über 70 Jahren Zigarettenspitzen her.

Bergisch Gladbach - Die Filterzigarette hat viel zerstört. Nicht nur Lungen, sondern auch die Karriere der Zigarettenspitze. In den 20er Jahren war der Kunststoff-Aufsatz in (fast) aller Munde. Raucher mit Stil gönnten sich ganz selbstverständlich eine Verlängerung. Das auffällige Mundstück harmonierte hervorragend mit der exzentrischen Mode jener Jahre. Dann kam der Krieg und alles wurde eine Spur bescheidener. Die Zigarettenspitze - Zeichen von Luxus und ausschweifendem Leben - kam aus der Mode. Später lief die Filterzigarette der Spitze den Rang ab. Die Firma „Denicotea“ hielt trotzdem durch, mittlerweile seit 73 Jahren.

Ab 1932 ließ der Rohtabak-Händler Willi Heineberg in Köln eine Hand voll Mitarbeiter Zigarettenspitzen im Spritzgussverfahren pressen. Nach dem Krieg siedelte das Kleinstunternehmen nach Bergisch Gladbach über - hier hielten sich die Zerstörungen in Grenzen. „Es wurde im Keller des damaligen Ausflugslokals Klosterhöfchen weiter produziert“, erklärt „Denicotea“-Geschäftsführer Wolfgang Diez.

Hochzeit ist Vergangenheit

Mittlerweile gibt es eigene Firmengebäude. Sie befinden sich an der Frankenforster Straße - ganz in der Nähe des einstigen Keller-Domizils. Heute beschäftigt das Unternehmen 22 Mitarbeiter. Und noch immer gibt es Zigarettenspitzen der Marke „Denicotea“: „Wir sind eine kleine Firma in einer kleinen Nische des Marktes“, sagt Diez. Der Großvater seiner Frau hatte 1937 das Unternehmen übernommen. Seit 1981 ist Diez Herr im Haus.

Er musste eine Menge tun, um weiterhin ein Produkt verkaufen zu können, dessen Hochzeit längst Vergangenheit war. Schon seine Vorgänger mussten dem Absatz der Spitze zuweilen auf die Sprünge helfen. Anfangs war die Zigarettenspitze vor allem als Schutz vor nikotingelben Fingern gefragt. Zigaretten mit „eingebauten“ Filtern gab es schließlich erst in den 50er Jahren. Der Siegeszug der Filterzigarette hatte den Niedergang des mondänen Mundstücks zur Folge: „Es gab einen großen Einbruch bei der Zigarettenspitze“, erklärt Diez. Fortan wurde der Plastik-Aufsatz als schickes Mode-Accessoire mit gesundheitsschonender Wirkung gepriesen. „Durch den zweiten Filter in der Zigarettenspitze werden die Schadstoffe noch einmal um 40 Prozent reduziert“, versichert Diez.

In Bergisch Gladbach entstehen nach wie vor die speziellen Filter für die Zigarettenspitzen. Die Einzelteile der Spitzen werden zugeliefert, um von den „Denicotea“-Mitarbeitern montiert und verpackt zu werden. Auch Pfeifen gehören längst zum Sortiment. Diez lässt die edlen Rauchutensilien nach eigenen Entwürfen in Italien anfertigen. Die dazugehörigen Aktivkohle-Filter wiederum sind „made in Bergisch Gladbach“.

In Deutschland hat Diez schon seit längerem mit sinkenden Absätzen zu kämpfen. Das ausgeprägtere Gesundheitsbewusstsein und der veränderte Zeitgeist sind nicht nur Gift für die Zigarettenspitze, sondern auch für die Pfeife. Die umständliche Handhabung einer Pfeife passe ohnehin nicht mehr so recht in eine immer hektischer werdende Welt: „Die Pfeife ist in die Jahre gekommen“, bedauert Diez. Wie gut, dass es das Ausland gibt: Nur noch 50 Prozent des Umsatzes verbucht „Denicotea“ in Deutschland. Diez sorgte auch für eine Ausweitung des Sortiments. Heute können die Kunden allein zwischen 50 verschiedenen Zigarettenspitzen auswählen. Eine Pfeifen-Edition mit poppigen Farben soll jüngere Käufer für den langsamen Tabakkonsum erwärmen.

Zum Zigaretten-Aufsatz greifen noch immer die eher „extrovertierten Typen“, weiß Diez. Außerdem ist der Hang zur Spitze vor allem in gut verdienenden Schichten stark ausgeprägt. Während die Männer auf Spitzen der kürzeren und breiteren Sorte stünden, zögen die Damen lieber an längeren und zierlicheren Mundstücken. Sorgen bereitet Diez natürlich die zunehmend raucherfeindliche Stimmung im Lande. Die Gesetzgebung mache sich beim Geschäft deutlich bemerkbar. „Wir gehören zu einer von der Politik sehr abhängigen Branche“, meint der Bergisch Gladbacher. Besonders schlecht für das Geschäft wäre die Beschränkung des Zigarettenverkaufs auf den Fachhandel. Das könnte unter Umständen auch der Zigarettenspitze endgültig den Garaus machen. Noch ist es nicht so weit. Und so lange kann Diez sein Pfeifchen nach Feierabend noch ganz in Ruhe genießen.

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