ForschungStammzellen jetzt auch mit Moral

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Entwicklungsbiologe Hans Schöler in einem Labor im Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. (Bild: dpa)

Entwicklungsbiologe Hans Schöler in einem Labor im Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. (Bild: dpa)

MÜNSTER - Seit vielen Jahren schon träumt die deutsche Stammzellforschung von der ethisch einwandfreien Stammzelle: Mit einer Veröffentlichung des Wissenschaftsmagazins „Nature“, scheint aus dem Traum Realität zu werden. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts (MPI) für molekulare Biomedizin in Münster ist das Kunststück gelungen, mit Hilfe eines einzigen Gens erstmals Nervenzellen des Menschen in sogenannte Alleskönner zu verwandeln, die sich in jede Zelle und somit jede Gewebeart entwickeln können. Dass sich die adulten menschlichen Zellen wie eben Nerven-, Haut- oder Herzzellen mit einem einzigen eingeschleusten Gen in so genannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) verwandeln lassen, reduziert zugleich die Gefahr, dass sich bei einer Behandlung mit diesen Zellen Tumore bilden.

Ein Gen reicht

Hans Schöler, Direktor des Max-Planck-Instituts sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Es ist ein ganz, ganz wichtiger Schritt für die Forschung, weil es erstmals gelungen ist, dass wir unsere Experimente am menschlichen Material wiederholen konnten.“ Schöler stuft die Qualität der auf diese Weise gewonnenen Stammzellen so hoch ein, dass man künftig wohl auf den Import embryonaler Stammzellen so gut wie verzichten könne. Eine weitere Erkenntnis für künftige mögliche Therapien besteht laut Schöler darin, dass zur Heilung etwa von Rückenmarksleiden nur die daraus gewonnen Zellen eingesetzt werden sollten. Ein einziges Gen reicht also - selbst beim Menschen. Vor gerade einmal drei Jahren war es japanischen Forscher erstmals geglückt, ausgereifte Hautzellen einer Maus so umzuprogrammieren, dass sie sich wie embryonale Stammzellen verhalten und wie diese jeden der mehr als 200 Zelltypen des Körpers bilden können. Nicht einmal ein Jahr später zeigte sich, dass die gleiche Methode auch bei menschlichen Hautzellen funktioniert. Der Haken daran war nur: Viele der Versuchstiere, denen man iPS-Zellen implantiert hatte, erkrankten wenige Wochen später an Krebs.

In Münster waren besonders die Zellbiologen Jeong Beom Kim und Holm Zaehres aus Schölers Gruppe maßgeblich daran beteiligt, diese Faktoren zu reduzieren und die Grundlagenforschung einen großen Schritt voranzubringen. Zuvor hatten die Münsteraner Forscher schon Erfolge bei ihren Experimenten Erfolge bei Mäusen gemeldet. Auch dort hatten sie Körperzellen mit einem einzigen Gen reprogrammiert.

Ethischer Durchbruch

Steht die gesamte Stammzellforschung nun vor dem ethischen Durchbruch? Seit Jahren streiten sich Politiker, Kirchen und Wissenschaftler über die Nutzung sogenannter menschlicher embryonaler Stammzellen. Diese „Alleskönner“ lassen sich in jegliches Gewebe entwickeln. Gegenüber den iPS-Zellen haben sie jedoch einen gravierenden Nachteil: Bei ihrer Gewinnung werden die menschlichen Embryonen getötet. In Deutschland ist dies verboten.

Der jüngste Clou der Münsteraner Forscher könnte gleich in mehrfacher Hinsicht ein wichtiger Fortschritt für eine künftige klinische Nutzung pluripotenter Stammzellen sein. Die Zellen mit Moral beruhigen nicht nur die Debatte um den Forschungszweig, sondern sie sind auch Hoffnungsträger dafür, dass tatsächlich eines Tages schwere Leiden wie Parkinson oder Krebs besiegt werden können. Gelingt es nämlich, verschiedene Zellen aus dem menschlichen Körper erfolgreich zu reprogrammieren, im Reagenzglas zu vermehren und später daraus jeden beliebigen Typ von Körperzelle zu züchten, könnte dies die Erforschung nicht nur von diesen Krankheiten erheblich erleichtern. Zudem können die Stammzellforscher so verloren geglaubtes Terrain zurückerobern. Der jüngste Erfolg unterstreicht auch, dass die iPS-Technologie gerade für Deutschland eine einzigartige Chance bietet, doch noch zu einem Schlüsselspieler auf dem Gebiet der Stammzellforschung zu werden.

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