10 Brezeln aus Kölner BäckereienDer große Brezeltest zum Oktoberfest

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Die Magazin-Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat zehn Brezeln getestet.

Früher kam immer ein rasender Bäcker in die Kölner Kneipen. Zu fortgeschrittener Stunde machte er sich mit der Fahrradklingel bemerkbar, die an seinem riesigen Flechtkorb klemmte. Reißenden Absatz fanden vor allem die noch ofenwarmen Brezeln. Etwas Herzhaftes braucht der Magen, in dem zu viel Kölsch schwappt. Doch ihre Wurzeln hat die Brezel selbstverständlich im Süddeutschen, gerade wird sie wohl auf dem Oktoberfest in München wieder tausendfach vertilgt. Zur Maß, dieser für uns Rheinländer glatt überdimensionierten Portion Bier, ist sie die perfekte Ergänzung.

Doch wie muss sie eigentlich sein, die perfekte Brezel, die es außer mit Salz, mit Mohn, Sesam, Käse oder Körnern gibt? Sie muss braun sein, also vor dem Backen in Natronlauge getunkt werden. Nach dem Backen hätten wir sie am liebsten außen knusprig und innen elastisch, so dass sie beim Drucktest nachfedert und im Mund nicht staubt. Die Form soll übrigens den Schunkelgriff imitieren, also die verschlungenen Arme zweier nebeneinanderstehender oder -sitzender Menschen. In diesem Sinne: Frohes Verschlingen!

**Dieser Test wurde durchgeführt im September 2016**

Die hellbraune Formlose

Von Kleins 0,95 Euro

Aussehen Symmetrisch ist an dieser Brezel nicht sehr viel. Lieblos strecken sich die dünnen Ärmchen nach dem eher dicklichen nur hellbraunen Brezelkorpus. Fast will man Mitleid haben mit diesem unglücklich aussehenden Gebildbrot, mit dem sich wohl niemand allzu viel Mühe gegeben hat.

Konsistenz Auch von innen überzeugt diese Brezel nicht. Eher fest, wenig fluffig, fast zäh gerät die Masse im Mund zu einem Teig-Gebirge.

Frische Was auch immer diese Brezel hinter sich hat, besonders frisch scheint sie nicht zu sein.

Salzmenge Die kleinformatigen Salzkristalle sind gleichmäßig verteilt und fallen nicht so leicht herunter wie bei den Modellen mit eher grobkörnigem Salz.

Geschmack Die Brezel erinnert nicht nur wegen ihrer mittelbraunen Färbung an Salzstangen, auch geschmacklich kommt einem das Knabbergebäck in den Sinn. Nicht wirklich so, wie man sich das wahre Brezelvergnügen vorstellt.

Fazit Diese Brezel ist nichts für Gourmets. Ob der Erfinder aus Bad Urach damit sein Leben gerettet hätte, ist zweifelhaft. Er hätte allerdings als Erfinder der Salzstange unsterblich werden können.

Die lächelnde Wohlgeformte

Von Kamps (groß) 1,89 Euro

Aussehen Sie sieht aus wie eine ordentliche Brezel auszusehen hat. Die Ärmchen sind gleichmäßig verschlugen, sie ist dunkelbraun gefärbt und ist an der dicksten Rundung schön aufgesprungen. Der Hefe-Schmollmund scheint „Iss mich“ zu flüstern.

Konsistenz Die dicke geradezu fleischig wirkende Brezel ist etwas für Wiederkäuer: Reinbeißen lohnt sich so richtig, denn man hat ordentlich was zu verarbeiten. Das gute Stück zieht sich – nicht nur beim Versuch, ein Stück abzubrechen.

Frische Die appetitliche Optik wird olfaktorisch unterstrichen.

Salzmenge Wer sich die Brezel als Gesicht vorstellt und unten den Mund sieht, der erkennt in den symmetrisch gestreuten Salzkörnern Lachfältchen, Sommersprossen oder Bartstoppeln. Ist eine Halb-mit-Salz/ Halb-ohne-Salz-Variante, mit der man leben kann.

Geschmack Der klassisch hefig-angehauchte Brezel-Geschmack ist erkennbar, aber nicht beeindruckend.

Fazit Die hübsch-lächelnde Brezel ist gefällig, verleitet aber auch nicht zum Jubel. Prêt-à-porter statt Haute Couture, aber ein zuverlässiger Lückenfüller für spontan auftretende Leere im Magen.

Die kölsche Non-Konformistin

Von Hütten 0,79 Euro

Aussehen Im Sinne des wohl aus Bad Urach stammenden Erfinders der Brezel (Er buk damals um sein Leben: Back einen Kuchen, lieber Freund, durch den die Sonne dreimal scheint, dann wirst du nicht gehenkt, dein Leben sei dir frei geschenkt.) ist diese fast kreisrunde Brezel nicht, dafür gewinnt sie den Non-Konformisten-Preis der Vereinigung süddeutscher Bäcker im rheinischen Exil e.V.

Konsistenz Unsere Test-Esser schwankten zwischen trocken und luftig und frisch. Kauen Sie einfach selbst einmal.

Frische Fluffig und hefig kommt der Brezel-Kringel daher.

Salzmenge So gut wie gar kein Salz ziert das Backwerk. Was die Weltgesundheitsorganisation freut, ärgert den Brezel-Puristen. Das gibt Punktabzug von den süddeutschen Bäckern im rheinischen Exil.....

Geschmack Die Hefe setzt sich geschmacklich unangefochten an die Spitze. Im Zusammenspiel mit der Lauge kommt ein ordentliches Gaumen-Erlebnis heraus.

Fazit Was die Wiesen-Wirtin wohl zu einer kreisrunden Brezen sagen würde? Sie vermutlich aus Versehen mit dem Maßkrug zermalmen... Egal, wir sind rundum (!!!) zufrieden mit der kölschen Brezel!

Die geräucherte Ovale

Von Heinemann 0,78 Euro

Aussehen Da hat einer beim Zusammenwinden die Brille nicht aufgehabt. Oder die Brezel mit den unsymmetrischen Löchern soll demnächst zum Patent angemeldet werden.

Konsistenz Ein Hauch von Nichts in der Hand, der Mund hat dann aber eher doch einiges zu tun.

Frische Wie bei fast allen Brezeln im Test knuspert nichts. Vermutlich ist Krossheit kein beabsichtigtes Produktmerkmal. Aus Süddeutschland stammende Test-Esser beklagen dies.

Salzmenge Die Salzmenge ist ausgewogen, herausgefallene Körner

Die schöne Belanglose

Von Merzenich 1,10 Euro

Aussehen Sie ist hübsch anzusehen, hat einen glatten makellosen Korpus mit einem hübschen Mund. Die Ärmchen (tatsächlich geht das Wort Brezel auf das Lateinische brachium (Arm) zurück) wölben sich an der Aufklebestelle sogar noch grazil nach oben. Optisch ein Genuss

Konsistenz Leider entpuppt sich der leicht gebräunte Model-Körper als Fata Morgana. Das Backwerk ist ziehig bis zäh und erfordert einiges an Kiefermuskulatur.

Frische Auch hier mangelt es an allen Krossheits- und Knusperfaktoren, stattdessen gummiartige Gaumen-Arbeit.

Salzmenge Für Salzphobiker und Weltgesundheitsapostel ideal: Es sind genau fünf Salzkörner zu entdecken (siehe Bild oben).

Geschmack Geschmacklich schon wegen des Salzmangels eher fad. Dieser Mangel wird aber leider auch nicht aufgefangen durch eine wie auch immer anderweitig gesetzten Akzent.

Fazit Wer eine süddeutsche Brotzeit anbieten möchte mit viel Obazda und Radi und Leberkäse, der möge bedenkenlos zu dieser Brezel greifen, da sie sich so hübsch macht. Doch unbegleitet steht sie eher nackig da. Das sollte man ihr ersparen.

Die rustikale Eiche

Von Balkhausen 2,10 Euro (groß)

Aussehen Die Arme sind dick, die drei Brezel-Löcher zu einem großen und zwei kleinen Schlitzen geworden – ungewöhnlich, individuell, dunkel-schimmernd, stämmig– eine Brezel wie eine knorrige Eiche. Eine Trost-und-Romantik-Brezel zum Anlehnen und vielleicht kleine Briefchen in die Schlitze stecken und dem Liebsten schenken?

Konsistenz Leider hält die Brezel nicht, was sie verspricht: Die gummiartige Konsistenz enttäuscht.

Frische Unwahrscheinlich, aber wahr: Auch hier fehlt Knusper und Kross, doch trotz ihrer Zähigkeit schmeckt sie frisch!

Salzmenge Salz ist reichlich vorhanden. Zum Ärger von Salzphobikern und Weltgesundheitsaposteln. Auch die Lauge ist reichlich benutzt worden. Herzhaft.

Geschmack Die Brezel erinnert eher an ein Brot. Der Geschmack ist ausgewogen, bietet ein gutes Gegengewicht zur salzigen Ummantelung . Handwerklich einwandfrei.

Fazit Rätselhaft bleibt für Laien, wieso kaum ein Brezel im Test in der Kategorie Konsistenz zu überzeugen weiß. Immerhin macht man mit dieser Unikat-Eichen-Brezel Eindruck und auch geschmacklich nichts verkehrt.

Die „Weckzel“ - ein echtes Original

Von Kraus 0,85 Euro

Aussehen Die Brezel ist kein Hingucker, aber auch kein hässliches Brezelein. Der aufgesprungene Mund grinst breit. Die Färbung ist mittelbraun bis hell. Die groben Salzkörner sind ungleichmäßig verteilt mit einer Häufung im unteren Bereich.

Konsistenz Die Brezel erinnert eher an einen Weckmann, sie ist hefig, gaumenfreundlich, nicht zäh. Lässt sich locker-leicht kauen, dieser „Weckzel“.

Frische Tatsächlich ist ein sanftes Krachen zu hören, als wir die Brezel in Probierstücke brechen. Außen knusprig, innen fluffig. Es geht also doch!

Salzmenge Salzphobiker essen den oberen Teil, der dann endgültig wie Weckmann schmeckt, Brezel-Fans den unteren.

Geschmack Wer sich auf den milden Geschmack Richtung St.-Martins-Gebäck einlassen mag, ist mit dieser Brezel wunschlos glücklich. Denn sie schmeckt. Nach mehr. Nicht unbedingt nach Brezel.

Fazit Das Mysterium der perfekten Brezel lösen wir nördlich des Mains wohl nicht. Denn diese Brezel hat sich gerade wegen des untypischen Geschmacks als Sieger herauskristallisiert. Wer es wissen will, hingehen, kaufen und selber probieren.

Die elegante Luftnummer

Von Oebel 0,80 Euro

Aussehen Formschön, bernsteinfarben mit einem mittigen Brezelmund unten und fast symmetrischen Öffnungen oben. Optisch auf jeden Fall kein Schaden. Eher ein Hingucker und Appetitanreger.

Konsistenz Auch hier leider ein Abfall zum Erscheinungsbild. Die Brezel ist eher ziehig, kaut sich mühsam, nicht sehr fluffig.

Frische Offenbar ist sie frisch, aber sie trägt es nicht deutlich nach außen. Leider keinerlei Knusper- oder Krossheitsmerkmale. Ob Brezeln nur ganz frisch aus dem Ofen gegessen werden sollten? Man vermutet es.

Salzmenge Die Salzkörner sind einigermaßen auf dem gesamten Brezel-Rahmen verteilt. Wobei sich eine leichte Konzentration auf dem unteren Teil, um den Mund herum zeigt, ein Charakteristikum, das viele Kölner Brezeln zeigen.

Geschmack Besondere Geschmacksumdrehungen sucht man hier vergeblich. Wenig Eigengeschmack, wenig individuelle Klasse. Mit Begleitung anderer Speisen wie Käse oder Butter aber sicher den Verzehr wert.

Fazit Ein Brezel aus dem Mittelfeld. Optisch gelungen, geschmacklich unverdächtig.

Die rheinische Guerilla-Brezel

Von Zimmermann 1,20 Euro

Aussehen Es hat was von Schlauchboot (tatsächlich gibt es brezelförmige Schwimmhilfen), so dick und aufgeblasen kommt diese originelle Brezel in die Tüte.

Konsistenz Locker und fluffig. Der, der’s gemacht hat, hat nämlich einfach einen Brötchenteig zu einem runden Brezel geformt. Darauf muss man erstmal kommen, aber warum auch süddeutsche Spezialitäten nachahmen? Eine echte Guerilla-Brezel.

Frische Und wie frisch! Diese Brezel knuspert wie ein frisch gebackenes Brötchen. Was sie ja auch ist! Das Brötchen im Tarnanzug ist im Nahkampf absolut überlegen.

Salzmenge Das runde Brötchen ist im unteren Teil gesalzen. Warum nicht? Beim Frühstücksei dann einfach das Salz weglassen.

Geschmack Gut, nicht umsonst hat der Bäcker von der Ehrenstraße einen untadeligen Ruf bezüglich hochwertiger Brotsorten und Brötchen.

Fazit Rheinisches Revoluzzertum in Brezel-Schlauchboot-Form. Alles top. Aber Thema verfehlt, würde der Lehrer sagen. Schwer zu sagen, was die Vereinigung süddeutscher Bäcker im rheinischen Exil dazu sagen würde. Vielleicht würden sie ein Brezel-Seminar in München oder Nürnberg anraten.

Die Lässige vom Anti-Bäcker

Von Backwerk 0,59 Euro

Aussehen Eher herzig geraten ist dieses Modell, das aber optisch durchaus mit den Bäckerei-Modellen mithalten kann. Schön dunkel und glatt, fasst es sich gut an.

Konsistenz Tatsächlich überzeugt die Backwerk-Brezel durch ihre luftig-hefige Struktur. Möglicherweise reine Aufbackware, aber da ist wenig zäh, und eigentlich gibt es gar nichts zu meckern.

Frische Ok, vielleicht nur Glück, dass wir beim Test-Kauf hier die ofenwärmsten Exemplare erwischt haben, aber frischer geht’s wirklich nicht. Noch lauwarm brechen wir die zartknuspernde Brezel in mundgerechte Stücke.

Salzmenge Die Salzkörner sind nicht sehr gleichmäßig verteilt, sorgen aber für eine ordentliche Salzigkeit.

Geschmack In Ordnung. Nicht überragend, aber eindeutig so, wie man sich eine Brezel vorstellt.

Fazit Die inhabergeführte-Bäckereien-durch-Dumping-Preise-und aggressive-Filialpolitik-in-die-Enge-treibende Kette Backwerk zu loben, verbietet sich eigentlich. Doch vermutlich arbeiten auch andere Bäckereien mit zugelieferten Teiglingen. Die Entscheidung, ob Sie die Billig-Brezel in Ihren Backwaren-Zulieferer-Kreis aufnehmen wollen, liegt bei Ihnen.

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