Bonner AusstellungHelmut Schmidts Büro im Kanzlermuseum

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PIC Kohl

Erstbezug: Bundeskanzler Helmut Schmidt im Juli 1976 an seinem neuen Arbeitsplatz im Bonner Kanzleramt.

Bonn – Es war ein Regierungsumzug der besonderen Art. Nicht von Bonn nach Berlin, sondern umgekehrt: Der Schreibtisch des Bundeskanzlers steht wieder am Rhein. Angela Merkel residiert zwar weiter an jenem Riesenteil im siebten Stock des Berliner Kanzleramts, das sie von ihrem Vorgänger Gerhard Schröder übernommen hat. Auf die Zeitreise ist ein historisches Möbelstück gegangen: Der Schreibtisch, an dem Helmut Schmidt von 1976 bis zu seiner Abwahl 1982 gesessen, regiert und geraucht hat. Und bald können wir uns alle ein Bild davon machen, wie's damals war in der "Bonner Republik". Die Staatshistoriker vom "Haus der Geschichte" organisieren Führungen zur Macht am Rhein.

In die Wege geleitet hat das Ganze jedoch ein Mann aus Bayern: Gerd Müller. Nein, nicht der Fußballer, sondern der etwas weniger bekannte Entwicklungsminister. Der CSU-Politiker ist heute Hausherr im einstigen Herzstück der Bundesregierung. Sein Ressort gehört zur den sechs (bis zur Auflösung des Postministeriums sieben) Ministerien, die nach dem Umzugsbeschluss des Bundestages ihren "Ersten Dienstsitz" in Bonn behalten haben. Bei der fälligen Rochade der Liegenschaften landete die Entwicklung im ehemaligen Kanzleramt. Keine schlechte Lage, denn in der Gegend um den alten Bundestag wächst heute das Viertel der Vereinten Nationen in Bonn.

Begonnen hat die Reise des Kanzlertisches mit Gerd Müllers erstem Rundgang an seinem neuen Arbeitsplatz im Dezember vor drei Jahren. Nicht ohne Ehrfurcht betrat der geschichtsbewusste Minister den großen Kabinettssaal mit dem überdimensionalen ovalen Tisch, an dem Minister schon im benachbarten Palais Schaumburg getagt hatten, dem ersten Kanzleramt der westdeutschen Nachkriegsrepublik. Wofür der in dunklem Holz gehaltene Raum denn genutzt werde, wollte er wissen. Och, lautete die Antwort, hier tagt ab und zu der Personalrat. Müller war elektrisiert. Das durfte doch nicht wahr sein. "Das Kanzleramt steht für deutsche Geschichte in Bonn", fand er. "Das muss dokumentiert werden." Nun war auch das Palais Schaumburg (bis es saniert werden musste) für die Öffentlichkeit zugänglich. Ständig ausgebucht sind die Führungen durch den "Kanzlerbungalow", den in den 60er Jahren Ludwig Erhard im kühlen Stil der Nachkriegsmoderne von seinem Freund Sep Ruf als offizielles Wohnhaus errichten ließ. Aber die Mischung von Museum und real existierendem Ministerium - die ist neu. Und in Zeiten erhöhter Sicherheitsanforderungen eine Herausforderung.

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„Schauen Sie sich doch mal in meinem Berliner Büro um”

Müller hat alle drei "Bonner" Kanzler eingeladen. Als einziger kam, schon an den Rollstuhl gefesselt, Helmut Kohl. Es war sein erster Besuch nach den 16 Jahren als Regierungschef, die er komplett hier verbracht hat. Zum Teil mit feuchten Augenwinkeln und immer wieder still innehaltend, ließ er sich durch die Räume fahren. Gerhard Schröder wollte nach seiner Wahl 1998 nichts wie raus. Richtung Berlin. Entsprechend gering sein Interesse an einer nostalgischen Visite.

Helmut Schmidt wäre gern gekommen, aber Müllers Anfrage erreichte ihn einer Zeit, da er Hamburg nicht mehr verließ. Als der Minister nach Erinnerungsstücken für sein Kanzlermuseum fragte, bekam er zu Antwort: "Schauen Sie sich doch mal in meinem Berliner Büro um!" Das taten dann Mitarbeiter des Hauses der Geschichte. Denen stockte der Atem. Denn sie fanden eine fast originalgetreue Kopie des Büros aus dem Bonner Kanzleramt, wie sie es aus zahlreichen Fotografien und Filmen kannten.

Damit war klar: Es würde ein "Schmidt-Büro" im Bonner Kanzlermuseum. Das bot sich auch deshalb an, weil er 1976 der erste Benutzer war. Zu sehen sind hier Pfeifen und Aschenbecher, ein Uraltradio, Bilder mit Widmungen, die zur Interpretation anregen. Und viel Kunst.

Schmidt behagte die total auf Funktionalität getrimmt Atmosphäre des Hauses nicht. Also brachte er seine Kunst mit. Vor dem Haus wurden Henry Moores Bronzeskulptur "Large two Forms" aufgestellt, interpretierbar als Sinnbild der beiden deutschen Staaten. Drinnen kamen Bilder deutscher Expressionisten an die Wände. Im Kanzlerzimmer Emil Nolde.

Am heutigen Freitag wurde das Projekt vorgestellt. Die ersten Führungen gibt es dann ab Januar, organisiert vom Bonner Haus der Geschichte.

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