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Ricola vs. Em-EukalDer große Hustenbonbon-Test

Lesezeit 8 Minuten
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Hustenbonbons: Balsam für den Rachen.

Über richtig mieses Wetter – kalt, nass, stürmisch, grässlich – freuen sich zumindest die Hersteller von Husten- und Halsbonbons. Hochsaison für Erkältungen aller Art. Klar, Lutschbonbons sind keine Medizin und dürfen in Deutschland auch nicht mit Gesundheitsversprechen werben. Deshalb steht beispielsweise auf einer deutschen Ricola-Packung „Wohltuend und erfrischend bei Husten und Heiserkeit“; in der Schweiz darf dagegen „Hilft bei Husten“ aufgedruckt werden. Im Interview erklärt der Kölner Naturheilkundler Josef Beuth, was es mit der Kräuterkraft im Lutschmittel auf sich hat und was wann wirklich wirksam ist.

Ätherische Öle

Unbestritten dagegen ist die persönliche Empfindung von Wohltat, die Kräuter basierte Bonbons auslösen können. Und offensichtlich gibt es in der Branche einen gewissen Kanon populärer Wirk- und Geschmackskraft. Süßholzwurzel, aus der auch Lakritz entsteht, ist häufig dabei, Salbei, Minze, Eukalyptus. Ätherische Öle können schleimlösend wirken.

Allerdings macht Professor Beuth darauf aufmerksam, dass die Mengen in Lutschbonbons äußert gering sind. Bonbons mit oder ohne Kräuter – egal, sie sind eine Süßigkeit. Die meisten Anbieter haben eine zuckerfreie Variante im Sortiment. Das spart bei Intensivverzehr immerhin Kalorien. Nicht ganz unwichtig, erst recht, wenn sich ein positiver Placeboeffekt einstellt: Was schmeckt wie? Wir haben ein Dutzend beliebte Sorten probiert.

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Erstes Fazit: Einen richtigen Durchfaller gibt es nicht. Nicht wirklich überraschend: Je höher der Kräuterauszug, desto klarer und natürlicher wirkt auch das Geschmacksbild. Als viel gilt allerdings bereits ein Prozent, wie etwa bei Ricola oder Wiedenbauer; Spitzenreiter im Test ist Das gesunde Plus mit drei Prozent – allerdings mit einem leichten Übergewicht an Süßholz.

Ur-Bonbon Ricola

In Sachen Halsbonbon pfeift man auf die Hipness und freut sich fast kindlich an Unverändertem: Der Ricola Kräuterzucker erscheint wie die Ur-Idee des Halsbonbons, bei dem man sich als Kind fragte, was Bauklötze im Mund zu suchen haben. Heute überzeugt das qualitative Gesamtpaket: Bibernelle, Holunderblüten, Ehrenpreis, Pfefferminze, Salbei, Eibisch, Frauenmantel und weitere wohlklingende Namen schaffen einen satt-mundfüllenden Kräutergeschmack mit angenehm verhaltener Menthol-Frische.  

Ricola Schweizer Kräuterzucker, 75 g 1,75 Euro

Lakritz-Lutscherli

Hups, die DM-Eigenmarke Das gesunde Plus setzt aufs chinesische Konzept der Markenmimikri: Die „Halsbonbon – Original Schweizer Kräuterbonbons“ benamten eckigen Lutscherlis stecken im knallgelben Beutel – soll das etwa an Ricola erinnern? Während man noch grübelt, macht sich unter dominantem Lakritz mit Eukalyptus, Salbei und Melisse auch ein deutlicher  Kräuter sowie Honig-Ton bemerkbar. Die Gesamtaromatik ist schmeichelnd aromatisch, weich, frisch. Eigen.

DM Das  gesunde Plus Original Schweizer Kräuterbonbons, 125 g 0,95 Euro bei DM

Süßholzraspler

Die Pectoral Brust Karamellen setzen auf eine eigene Rezeptur mit Süßholzsaft (1,6%). Süßholzwurzel steht in dem Ruf,  schleimverflüssigend, auswurffördernd, krampflösend und abschwellend zu wirken. Wer würde das nicht gerne von sich behaupten? Im Mund behauptet sich das Bonbon dann mit typischer Lakritz-Note, die kräftig, aber nicht penetrant von Menthol-Aroma getragen wird; Süßungsmittel ist Stevia. Durchaus frisch, aber auch etwas altbacken. Nichts für Lakritz-Muffel.

Pectoral Brust Karamellen zuckerfrei, 60 g  1 Euro (Apotheke)

Bio aus Bayern

Na, haben Sie schon mal was von der Bayerischen Bonbon-Tradition gehört? Die Wiedenbauer Kräuterbronch Bio-Hustenbonbons sollen davon zeugen. Und auch wenn der unmittelbare Vergleich wie bei Weißwurst oder -bier hier jetzt fehlt, lässt sich sagen: Das taugt. Schön, dass die Süßholzwurzel im Zaum gehalten wird und stattdessen Thymian, Lavendel, Minze und Anis zum Tragen kommen. Obacht kleistrige Füllung. Aus Geschmackssicht könnte man verzichten, bei Halspein aber wohl wohltuend.

Wiedenbauer Kräuterbronch, 75g 0,99 Euro

Frische-Waffe

„Schützt natürlich bei Husten & Heiserkeit“ vermerkt die Dr. C. Soldan GmbH auf der Em-eukal-Tüte. Und wir würden uns als Virus auch nicht mehr Richtung Schleimhäute trauen, wenn uns DAS entgegenatmet. Vor was geschützt wird, bleibt zwar Spekulation, aber Em-eukal ist nichts für Rachen-Pienser: Eukalyptus haut direkt rein und macht Folgegenüssen das Leben schwer. Einmal eingelutscht wirkt es durchschlagend als Frische-Waffe. Geschmacklich krass eindimensional, aber effektvoll. 

Dr. C. Soldan Em-eukal klassisch zuckerfrei, 75 g 1,75 Euro

Mainstreamer

Ein Kurkuma-Auszug färbt die Euka Menthol Bonbons ins fröhlich Hellgrüne. So sanft gestimmt hat man auch das Geschmacksprofil angelegt. Im Vergleich zu Em-eukal-Düsenantrieb ist das ein zahmer Eukalyptus-Reiter. Die Zuckerbasis macht grundsätzlich einen satteren Ton, die ätherische Geschmackswirkung ist gefälliger und auch Mundraum verträglicher (sprich lahmer) als der Nachbar. Andererseits knallt’s halt auch nicht so. Ein bonbonesker Mainstreamer, mit dem man nicht aneckt.

Storck Euka Menthol, 215 g, 0,95 Euro

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Rachenschmeichler

Wer sich selbst schon Rachenputzer nennt, hat großes vor im Hustenbonbon-Business. Gewappnet mit den glorreichen Sechs Eukalyptus, Salbei, Thymian, Minze, Süßholzwurzel und Sternanis, und schwarz gefärbt mit Pflanzenkohle bleibt das „kräftige Hustenbonbon“ aber überraschend zahm im Mund. Im Gegenteil: Viel Süße durch Zucker und Süßholzwurzelextrakt sowie der nur softe Minz- und Eukalyptuseinsatz machen das Bonbon eher zu einem Rachenschmeichler. Das muss kein Nachteil sein.

Egger Rachenputzer, 100 g, 1,49 Euro z.B. bei Rossmann

Süßgezügelt

Man staunt. Auch in Leipzig gibt es seit Urzeiten (1866) eine Bonbongießerei, die auf Hals spezialisiert ist (Vertrieb über  Klosterfrau  aus Köln). Die marktwirksame Dreifaltigkeit Originalrezeptur/Tradition/echte Kräuter lässt spielend die beknackte Namensschöpfung vergessen. Und man ließ sich tatsächlich etwas eigenes einfallen: Latschenkiefer und chinesisches Kampferöl bringen Badezusatzappeal, aber  neben Minze und Citrus einen echten Geschmackskick. Angenehm süßgezügelt.

Krügerol Echte Halsbonbons, zuckerfrei, 50 g 0,99 Euro

Wohlfühler

Das große, gefüllte Kräuterbonbon feuert scheinbar aromatisch vielschichtig: Erst Lakritz, dann Eukalyptus, etwas Thymian – die präsente  Honig-Malz-Grundierung trägt das alles sauber auf die Zunge. Durch den minzig-mentholigen Überbau bleibt die Süße trotzdem in einem sinnvoll wahrnehmbaren  Maß. Wir bleiben aber Füllungs-Skeptiker. Was sich hier rauslutscht, ist eine medizinal schmeckende Klebemasse, bei der uns die Bonbonfreude vergeht. Der Vorlauf ist aber einwandfrei erfrischend und wohlig.

Hustin Eukalyptus-Honig, 100 g 0,69 Euro (Aldi)

Gaumencharmeur

Pulmoll Hustenbonbons sind in der Dosen-Optik genauso klar profiliert wie im Geschmack. Wer mit Süßholz, sprich Lakritz-Kraft nix am Hut hat, lässt den Deckel lieber drauf. Wer’s mag, frohlockt angesichts der hasenköttelförmigen Lutschpastillen. Übrigens ein sehr angenehmes Kleinformat. Die Geschmacksausrichtung ruht komplett auf dem harmonischen Beieinander von Honig, Süßholz und Zuckersirup. Das wirkt balanciert, setzt indes ganz aufs weiche Charmieren. Wer Frische sucht, sucht besser woanders.

Pulmoll Hustenbonbons Classic, 75 g 1,15 Euro15

Kühle Bio-Brise

Mit nur 0,45 Prozent Kräuter-Extrakt (Ricola und Wiedenbauer 1 Prozent) positionieren sich die „Bio loves me“-Bonbons nur im Mittelfeld der Kräutervertreter, aber auf dem ersten Platz der lächerlichen Markennamen. Zum Ausgleich ist zwar relativ viel Bienenhonig drin, angeblich in der Füllung, geschmacklich kommt er aber nicht zum Zug. Das Bonbon hat einen klar-kühlen Eukalyptuston, die Füllung  bringt aber nicht den erwarteten  wärmenden Honig-Konter. Honig, wo bist du?

Bio loves me Kräuterbonbons, 75 g 1,29 Euro (Biosupermarkt)

Mundflausch

Schlagend am Salbei-Klassiker von Dallmann ist die Säure. Und der hohe Salbeianteil von 1,3Prozent natürlich. Das Guzi schmeckt einfach gut und ist das Gegenteil von quietschig. Unbestritten punktet die Zuckerversion mit runderem Geschmack, so ist das nun mal in der Welt der Süßungsmittel. Aber auch ohne: Das zart Ätherische von Salbei belebt mit einem Spritzer Zitronensäure  – Frische und Mundflausch in einem. Weniger sollte es auch nicht sein bei diesem Preis – das teuerste Produkt im Test.

Dallmann’s Salbei-Bonbons, zuckerfrei, 37 g 1,25 Euro

Wie Hustenbonsbons wirken - Interview mit Prof. Josef Beuth

Prof. Josef Beuth leitet das Institut zur Evaluation naturheilkundlicher Verfahren an der Universität Köln.

Herr Prof. Beuth, bringt es etwas, Hustenbonbons zu lutschen?  Da Hustenbonbons keine Medikamente sind, gibt es dazu auch keine Studien. Aber es kann schon davon ausgegangen werden, dass etwa ätherische Öle, die in den Bonbons enthalten sind, dazu beitragen können, dass ein Hustenreiz oder auch ein Schmerzempfinden im Hals besser wird. Ob ein Hustenbonbon hilft oder nicht, ist aber auch typabhängig. Wenn ich nicht an die Wirkung glaube, hilft es mir nicht, wenn ich daran glaube, schon eher. Das ist der klassische Placeboeffekt. Aber der ist ja gewollt und auch nicht schlecht.

Wie wirken Hustenbonbons denn? In erster Linie regen sie durch das Lutschen die Speichelbildung an. Das löst einen Schluckreflex aus, so dass der Hustenreiz unterdrückt wird. Aber das passiert bei allem, was man lutscht, auch bei normalen Drops.

Die Kräuter oder ätherischen Öle, mit denen die Hersteller werben, bewirken also gar nichts? Das kann man so nicht sagen. Ätherische Öle wie Island Moos, Eukalyptus, Thymian, Lindenblüten oder Pfefferminze wirken krampf- und schleimlösend. Sie können einen Husten dämpfen, da sie die Aktivität der Flimmerhärchen an der Bronchienschleimhaut erhalten bzw. verbessern können. Salbei wäre bei einem trockenen Reizhusten aber kontraproduktiv, weil es den Speichelfluss hemmt.   In vielen Hustenbonbons ist Süßholzwurzel enthalten. Es heißt, zu viel davon erhöhe den Blutdruck. Da sollte man die Kirche im Dorf lassen. Die Wirkstoffe in den Bonbons machen in der Regel nur einen winzigen Bruchteil der Gesamtrezeptur aus, außerdem lutscht man die Bonbons ja nicht kiloweise und über Monate. Da sollte man  eher darauf achten, dass nicht zu viel Zucker enthalten ist.

Wann sollte man nicht mehr nur mit Hustenbonbons  behandeln? Man sagt eine Erkältung kommt drei Tage, bleibt drei Tage und geht drei Tage. Wenn der Husten danach immer noch da ist, sollte man auf jeden Fall zum Arzt, um eine Bronchitis oder Lungenentzündung auszuschließen. Bei Fieber oder gelblichem Auswurf wäre ein Arztbesuch früher angezeigt. Manchmal kann es aber auch sinnvoll sein, bei Husten sofort auf Medikamente zurückzugreifen, tagsüber Schleimlöser, abends Hustenstiller, die aber verschreibungspflichtig sind

Was machen Sie selbst bei Husten? Ich inhaliere, das beruhigt das Atemsystem. Dazu gebe ich Kochsalz oder Kamille in heißes Wasser und atme die Dämpfe ein. Das gelingt am besten, wenn das Gefäß und der Kopf mit einem Handtuch bedeckt sind. Das Gespräch führte Angela Horstmann

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