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Saure Gurken im GeschmackstestWelche Gurke schmeckt am leckersten?

Lesezeit 5 Minuten
Vorbereitung für die Blindverkostung.

Vorbereitung für die Blindverkostung.

Köln – In meiner Kindheit gab es regelmäßig Gezeter, wenn die falschen Essiggurken im Kühlschrank standen – es musste der Marktführer sein. Wie sich herausstellte, sind solche familiären Cornichon-Endzeit-Szenarien nicht unüblich. Wir, die Gesamtheit der Jury, waren äußerst gespannt, ob wir die Gurken unserer Kindheit blind herausschmecken und für gut befinden würden. Dennoch wird die gemeine Essiggurke von vielen verkannt, als Synonym für das Sommerloch diskreditiert, als kulinarischer Schwangerschaftstest gedeutet und als uninspirierte Deko auf Mettbrötchen gefächert. Dabei kann sie viel mehr. Ihre milde, aber prägnante Säure erhöht den geschmacklichen Spannungsbogen diverser Gerichte: Kein Kartoffel- oder Nudelsalat ohne Essiggurke (und einen großen Schuss Essiggurkenwasser), Boeuf Stroganoff ist ohne sie nur noch Geschnetzeltes mit Roter Bete, der Rollmops nur noch oller Hering, der Cheeseburger lediglich eine Frika-Stulle mit welkem Salat und Käse. Ach Essiggürkchen, wir mögen dich.

1. Platz: Die Gurke aus der Kindheit - Kühne

Frei nach dem Motto „Mut zur Bescheidenheit“ stellt Kühne ein gutes, massentaugliches Produkt her, welches sich vor allem durch seinen milden, unaufdringlichen Geschmack auszeichnet. Die mittelgroßen Gurken sind zwar relativ weich, haben aber dennoch den nötigen Biss. Der Essigsud ist harmonisch abgeschmeckt, nicht zu süß, nicht zu sauer. Kein Gewürz drängt sich in den Vordergrund. Die sympathische Gurke aus Hamburg besticht vor allem durch Zurückhaltung.

2. Platz: Zweitligist ganz groß - Beste Ernte

Damit hat nun wirklich niemand gerechnet: Ausgerechnet ein Discounter-Produkt landet auf dem zweiten Platz. Das ist der Zauber der Blindverkostung: Die Jury wird nicht von Etiketten und Voreingenommenheit beeinflusst. Die kleinen Gürkchen sind schön knackig (ein Tester freut sich über Kaugeräusche) und schwimmen in einem würzig abgeschmeckten Sud mit vielen Senfkörnern, Zwiebeln und Dill. Auch hier wurde der milde, nicht zu saure Geschmack gelobt.

3. Platz: Vorzeige-Gurke - Spreewaldraben

Der Brandenburgische Exportschlager gefällt auch dem rheinischen Gaumen. Die Bio-Gurken sind vergleichsweise großkalibrig, haben eine ziemlich feste Schale und einen weichen Kern. Was die einen als angenehm saftig empfinden, erinnert andere an die Konsistenz von verkochten Bockwürsten. Nun gut, sensorisch steht beim Spreewaldraben der Branntweinessig im Fokus. Der stieg der Jury sofort in die Nase. Für die eindimensionale Säure gab’s Punktabzug.

Das Siegertreppchen ist belegt. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie uns die anderen Sorten geschmeckt haben.

Die Bio-Pocke - Schweizer

Der nächste Kandidat trägt das „demeter“-Siegel und ist damit ein zertifiziert biologisch-dynamisch erzeugtes Produkt. Schmeckt man diese löblichen Eigenschaften auch? Jein. Bemerkenswert sind die imposante Größe und die pockige Oberflächenbeschaffenheit der Gurke. Geschmacklich fällt auch hier die schöne Balance auf. Die Gewürzgurke schmeckt eher süß als sauer, sehr fruchtig und (obwohl es sich um eine Sauer-Konserve handelt) sogar frisch.

Die Streitbare - Spreewaldhof

Der Klassiker aus dem Spreewald sorgte für Gesichtsentgleisungen in der Testrunde. Die Säure der dunklen Trümmer „zwickt am Zahnfleisch“ und brennt noch lange im Mundraum. Das ist also entweder eine Gurke für Genrefreunde oder der ideale Begleiter für deftige Gerichte mit Matjes oder gebratenem Fleisch. Über die Konsistenz wurde energisch gestritten: von „weich mit Biss“ über „wässrige Mitte“ bis zu „labbrig-löchrig“ kam die Jury zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Für Individualisten - Hengstenberg

Rein optisch beeindruckte die Gewürzgurke mit dem lautmalerischen Namen. „Knax“ hielt dann aber leider doch nicht, was sie versprach. Die Gurke hat zwar eine feste Haut, knackt aber leider überhaupt nicht. Der Eigengeschmack ist intensiv, aber nicht anhaltend. Säure und Schärfe sind vordergründig angenehm, wenn da nicht diese ätherische Heunote plötzlich aus dem Unterholz käme. Alles in allem ein gefälliges Produkt, aber ein wenig unausgewogen.

Welche Gurke die beste Wahl fürs Katerfrühstück ist und welche die richtige Variante für Weicheier, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Die Senfige - Gartenkrone

Das Gürkchen aus dem Discounter erinnert vom Biss her an eingelegte Maiskolben. Schön knackig – da sind die jungen Cornichons aber auch eindeutig im Vorteil. Allerdings sind die Mini-Gürkchen nicht besonders saftig, dafür angenehm fest. Senf, viel Dill, Zwiebeln und Pfeffer schaffen aromatische Vielschichtigkeit. Der Sud schmeckt senfig, süß-sauer. Die Cornichons eignen sich hervorragend als Beilage für die Vesperplatte mit Schinken, Hartkäse und Sauerteigbrot.

Fürs Katerfrühstück - Marschland

Der dritte Bio-Kandidat fiel durch seine auffälligen Streifen auf. Geschmackliche Auswirkungen haben die natürlich nicht. Die handliche Gurke ist sehr fest im Biss und schön saftig – ebenfalls ein guter Vesper-Begleiter. Das Aroma von Gurke und Sud ist allerdings verdächtig dezent. Die Säure des ersten Eindrucks hält nicht lange und wird hinten raus ungewöhnlich süß. Gewürze wie Senfkörner, Dill oder Pfeffer sind kaum zu schmecken. Etwas mehr Pfiff wäre schön.

Das Weichei - Freshona

Die Discountergurken fielen schon durch ihre ungleichmäßige Sortierung auf. Das sagt natürlich über den Geschmack nichts aus, aber über die Konsistenz. Die Essiggurken werden ja schließlich mit Wärme behandelt und große Gurken haben eine längere Garzeit als die Kleinen. Entsprechend erwartbar ist das Resultat: die Gurken sind sehr weich und knacken nicht. Geschmacklich beeindruckte Freshona leider auch wenig: Fade mit einem langen, erdigen Nachgeschmack.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche geschmacklichen Eigenschaften die Testosterongurke kennzeichnen.

Die Testosterongurke - Eric Bur

Der Kandidat aus Frankreich ist eindeutig der kürzeste in der Runde. Entsprechend knackig sind die Gürkchen. Während die weiblichen Gaumen mit so viel Schärfe völlig überfordert waren, proklamierte der männliche Tester mit stolzgeschwellter Brust: „Das nenn’ ich mal ’ne Männergurke! Bier dazu – perfekt.“ Die Damen waren deutlich weniger begeistert. Neben der Schärfe sind dennoch ätherische Aromen von getrocknetem Dill und Kapern zu schmecken.

Der Tiefseetaucher - Rewe

Die „Delikatess-Gurke“ stammt optisch aus dem Lehrbuch: gute Größe, gleichmäßige Sortierung, glatte, straffe Oberfläche. Beim Biss enttäuscht sie allerdings und erinnert einige Tester an „glibbrige Algen“. Sensorisch steht auch hier die Säure im Vordergrund, da wäre etwas weniger angenehm. Der Sud schmeckt kräuterig nach Dill, Liebstöckel, Senf und Zwiebeln. Für die glitschig-weiche Wabbel-Konsistenz gab’s gewaltig Punktabzug. Fazit: Eine ausbaufähige Gurke.

Gurke im Schafspelz - Staud’s

Die Gewürzgurken aus der österreichischen Hauptstadt sind relativ klein, hellgrün und sehen appetitlich aus. Die Biss ist erwartbar knackig, aber dann kommt das große Fragezeichen: Eine süßliche Honignote macht sich im Mundraum breit, dazu etwas Senf, etwas Zwiebel, sehr angenehm – und plötzlich kommt der Säure-Hammer! Und er bleibt. Einigen Testern tränten die Augen, Gesichtsentgleisungen waren die Folge. Kein Fehlgriff – eher für Fortgeschrittene.

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