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Trend-Getränk im HerbstWelcher Cidre schmeckt am besten?

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Apfelig erfrischend - Cidre schmeckt nicht nur zum Zwiebelkuchen.

Dass Cidre es noch nicht zum Knaller-Trend-Getränk geschafft hat, ist rundum verwunderlich. Bringt der Apfelschaumwein doch alles mit, was zeitgeistig gefragt ist: Es ist ein natürliches Produkt, das dank zahlreicher deutscher Erzeuger mittlerweile auch hierzulande den Anspruch regional erfüllen kann, Cidre hat wenig Alkohol, wenig Kalorien und ein ausgezeichnetes Preis-Genuss-Verhältnis.

In gut sortierten Weinhandlungen findet man kleine Schätze mit überraschenden Geschmacksprofilen meist aus dem Stammland – der Normandie und der Bretagne.

Cidre ist ein moussierendes Getränk

Fachlich-sachlich ist Cidre ein moussierendes Getränk, das aus der natürlichen Gärung von Äpfeln entsteht. Für einen qualitativen und harmonischen Cidre werden reife Äpfel verschiedener Sorten gemischt, gepresst und vergoren ohne Zugabe eines Ferments oder Zucker.

Je nach Qualität wird gefiltert oder nicht und pasteurisiert oder nicht. Ein trockener Cidre, also ein brut, hat mehr als 4 Prozent Alkohol, liegt dieser unter 3 Prozent ist es ein Cidre doux, also ein lieblicher Schaumwein.

Und was ist mit der Allerwelts-Ware im Supermarkt?

 – haben wir uns gefragt. Zehn Flaschen stellen wir hier vor. Als Expertin hat uns Melanie Panitzke unterstützt, die die ausgezeichnete Wein-Auswahl im Restaurant „Wein am Rhein“ verantwortet und die viele Leser auch persönlich von Magazin-Wein-Seminaren kennen.

Ein herausragendes Fazit der Verkostung lautet: Deutscher Cidre schmeckt meist sehr viel mehr nach deutschem Apfelschaumwein, als nach französischem Cidre.

„Etwas altbacken“

Das französische Produkt zeichnet sich nämlich durch eine eigene Dimension aus, die Panitzke als „etwas altbacken“ bezeichnet, ein fassiger Ton, der auch schon mal leicht muffig sein kann.

Wenn er gelingt (egal ob dem französischen oder dem deutschen Kelterer), verleiht er dem Wein einen besonderen Charme. Nun, egal welcher Provenienz: Ein saubergemachter Cidre bietet ein wunderbar erfrischendes und vielschichtiges Trinkerlebnis – unabhängig von Jahreszeiten.

**Dieser Test wurde von uns im Oktober 2016 zuletzt durchgeführt**

Der Lebendige - Van Nahmen Cidre trocken

Die Obstkellerei Van Nahmen hat sich mit ihren hochwertigen Säften, darunter auch sortenreine Apfelsäfte, einen festen Platz in der Spitzengastronomie gesichert.

Dort kommen sie als alkoholfreie Menü-Begleitung oder in spannenden Aperitif-Cocktails ins Spiel. Entsprechend hoch war die Erwartung an das Produkt aus dem niederrheinischen Familienbetrieb, das Äpfel von Hochstamm-Obstwiesen verarbeiten kann und an der handwerklichen Mostertradition festhält.

Der trockene Cidre ist sehr hell, fast wie Sekt blubbert er große Kohlensäureperlen durchs Glas. Er duftet zart nach süßem Apfel und überzeugt schon nach dem ersten Schluck. Sehr klar und sauber ausgebaut wirkt das Gesamtbild mit der stark spürbaren Kohlensäure besonders lebendig und frisch.

Apfelig mit zitrischen Noten

Das Aroma ist apfelig mit zitrischen Noten, das bringt auf 4 Volumenprozent Alkohol eine schöne Eleganz, die Lust auf mehr macht. Trotzdem fehlt ihm etwas: Die normannische Stalligkeit findet sich nicht –  also das eigentlich typische für Cidre. Er ist fast zu sauber. Aber geschenkt.

„Bei  diesem Cidre weiß ich, der kommt an“, urteilt Melanie Panitzke. Ein zugängliches, tolles Produkt, noch dazu aus der Region, das seinen Preis wert ist. (0,75l - 3,99 Euro im Supermarkt)

Der Mainstreamer - Pomme Jacque Cidre "erfrischend herb"

Diese Flasche mit diesem Etikett, oder noch eher: Dieses Etikett mit dieser Flasche könnte man sich ganz gut in Sophie Marceaus Umhängetasche vorstellen, wie sie sich zu „La Boum – die Fete“ aufmacht.

Für Nachgeborene: Ce fut dixneufcentquatrevingt – ist also noch länger her als das ausgeschriebene 1980 auf Französisch vermuten lässt. Seitdem sind einfach zu wenig Produkte in Quietschapfelgrün auf den Markt geworfen worden (gibt’s eigentlich noch dieses krasse Apfel-Shampoo?).

Aber der Inhalt lässt alle Lästerzungen erlahmen

Der orange-bräunliche Cidre ist mit Verstand gemacht, mit Marketingverstand, versteht sich. Obwohl er mit seinen vier Prozent Alkohol zu den trockenen Vertretern in der Testreihe zählt, kommt genügend Süße ins Spiel, um dem Schaumwein eine wuchtige Aromatik zu verleihen: Karamell, Zimt, Bratapfel – all das macht mächtig Mundfülle mit guter Länge.

„Das ist Modell Fette Schnecke“, verkürzt Melanie Panitzke – ein Mainstreamer. Gut gekühlt wirkt er trotzdem nicht plump, zu hohe Trinktemperatur macht ihn aber lahm. Dennoch: Ein geschmacksintensiver Verführer, der vielleicht nicht mit Seele, dafür aber mit Kraft protzen kann. (0,75l - 1,89 Euro z.B. bei Rewe)

Der Knaller - Domaine des Cinq Autels Cidre de Normandie brut

Dieser französische Cidre, liebe Freunde, ist ein Kracher. Aber Obacht: Das ist nichts für alle, die das Runde und Geschliffene suchen. Was die Domaine des Cinq Autels hier präsentiert ist ein Charakter-Produkt erster Güte von Menschen mit Charakter.

Das Gut nahe Caen produziert schon seit den 1960er Jahren zertifiziert biologisch Apfelsaft, Cidre, Pommeau (ein normannischer Aperitif) und Calvados. Im Vergleich zu Deutschland hinkte die allgemeine Bio-Bewegung in Frankreich lange hinterher und man kann sich vorstellen, dass sich erst Vater Maurice Pitrou, seit den 80ern dann Sohn Jean-René mit der einen oder anderen hochgezogenen Augenbraue konfrontiert sah.

Die Augen leuchten

Heute indes, merkt Melanie Panitzke für die Weinwelt an, gibt es fast in jeder französischen Stadt eine Natural-Weinbar – im Gegensatz zu Deutschland. Schön also, dass man dieses eigenwillige Produkt bei uns im Bio-Supermarkt erstehen kann. Es polarisiert.

Die Augen der Sommeliere leuchten, die Hälfte der Test-Runde rümpft die Nase. Dieser Cidre ist ein Produkt aufwendiger Herstellung, kommt ungeschwefelt in die Flasche und wird nicht pasteurisiert. Er ist kaum gefiltert und deshalb recht trüb-golden, mit 5,3 Prozent der Alkohol-stärkste Cidre im Test.

Ein starker Fermentations-Eindruck

In der Nase entsteht erstmal ein starker Fermentations-Eindruck, im Mund eine milde Perlage, die eine tolle und sehr klare Aromatik unterstreicht. Was hier mitwirkt sind dezente Süße, kräftige Tannine aus der Schale, ein leichter Bitterton und agrume Säure, also wie von Zitrusfrüchten.

Wenn die Flasche eine Weile offen steht, rundet sich das Geschmacksbild zu einem beeindruckenden Trinkerlebnis. Das ist nichts für Allerweltstrinker; aber Entdecker haben hieran sicher ihre reine Freude. „Ein natural wine in Apfelweinform“, fasst Melanie Panitzke zusammen. Spannend. (0,75l ca. 5 Euro z.B. bei Temma)

Der Ambitionierte - Coteaux Nantais

Das Unternehmen Coteaux Nantais stellt nach Demeter-Vorgaben für verschiedene Marken in der Bretagne Produkte aus bio-dynamisch kultiviertem Obst her, vor allem aus Äpfeln und Birnen. Beim Cidre soll sich auch das Terroir zeigen, also Boden und andere naturgegebenen Faktoren der Kulturlandschaft.

Die Flasche hat einen Naturkorken, was ihr Stil verleiht. Der sehr trübe und dunkel-gelbe Cidre (5 Prozent) duftet nach reifem Lagerapfel, perlt leicht und macht neugierig. Auch im Aroma hat er eine klare und volle Fruchtausprägung, perlt süß-sauer am Gaumen – da stimmt zunächst eigentlich alles.

Dennoch stellt sich der vollvergnügliche Trink-Spaß nicht ein, denn unterspielt wird das gute Ansinnen von einem fehlerhaften Ton, der die Geschmackspracht ausbremst und dem Gesamteindruck letztlich schadet.  Das ist schade, denn der Ansatz stimmt. (0,75l 5,49 Euro Basic Biosupermarkt)

Das Traumbild - La Cidraie

Cidraie ist der normannische Ausdruck für Cidre und dieser „Französische Apfelcidre aus der Normandie“ trägt nochmal zur Sicherheit das Siegel der geschützten Herkunft. Aber Normandie hin, Normandie her, bei 1,49 Euro kann man sich nordfranzösische Traumbilder sparen.

Kein ergrauter Baskenmützenträger, außen knorzig, innen mit Herz, der sich eben unter seine uralten Hochstammbäume bückt, um ebenso charaktervolle wie unansehnliche Früchte vom Boden aufzulesen, sie in verwitterte Weidenkörbe legt und dann so routiniert wie liebevoll nach althergebrachter Art Cidre in alten Eichenfässern reifen lässt – La Cidraie…

Wir glauben, so war es nicht. Was wir aber wissen, ist, dass dieser Normanne über sein erstes Trugbild nicht hinaus kommt. Im Duft evoziert er nämlich durchaus noch das Erwartete – nein, nicht den knorzigen Apfelbauern, sondern den typischen Cidre mit seinem Fermentations-Hauch, seiner gelben Farbe und einer gedrosselten Kohlensäure.

Also: Riecht gut und schmeckt dann erstmal passabel, wenn auch etwas ältlich. Noch bevor man sich darüber im Klaren ist, bricht der Geschmack aber komplett ab und lässt Gaumen und Zunge leer zurück. Und uns ratlos. Fazit: Ein Standardprodukt, dem es an Körper und Komplexität fehlt. (0,75l 1,49 Euro z.B. bei Edeka)

Der Sympathieträger - Kelterei Heil Bio-Cidre trocken

Die Kelterei Heil ist so einer dieser knallsympathischen Familien-Betriebe, von denen man eigentlich nie richtig glauben kann, dass die echt sind und sich zudem noch auf dem harten, kalten Feld des Kapitalismus mit Flaschen zu zwei Öre halten können.

Ob Papa Walfried, Mama Ursula, die Söhne Martin und Christof nun echt sind, oder von der Matrix manipuliert, können wir von hier aus nicht beurteilen, aber vor allem Sommeliere Panitzke gewinnt dem Heil’schen Bio-Cidre einiges ab. Der rein-klare goldgelbe Apfelwein zeigt zaghafte Perlage und in der Nase einen Eindruck von Tee und Kräutern.

Er hat zwar wenig Apfel-Geschmack, ist etwas dumpf, aber schön trocken (4,5 Prozent Alkohol) und sauber ausgebaut. Familie Heil wirkt im Hessischen – klingelt’s? Natürlich gehört auch der regionale Klassiker zum Portfolio, sogar als sortenreiner Apfelwein, was für Ambition und auch hier belegte Qualität spricht.

Indes weiß man die Typizität des Cidre nicht richtig rauszukitzeln. Letztlich bleibt’s ein Apfelschaumwein, der wie Apfelschaumwein schmeckt. Dafür aber gut, und der liebliche schmeckt noch besser. (0,75l ca. 2 Euro im Supermarkt)

Liebliche Cidre:

Der Herbstliche - Kelterei Heil Bio-Cidre lieblich

Die lieblichen Cidre-Varianten mit um die zwei Prozent Volumenalkohol machen naturgemäß mit dem mehr an Zucker auch ein Plus bei der Geschmacksvielfalt aus. Zugleich birgt die Süße die Gefahr, das ganze Richtung Drops-Dämmer zu verramschen oder im Segment „Apfelsaft mit ein paar Umdrehungen“ hängen zu bleiben. Beides umschifft die Apfel-erprobte hessische Heil-Family bei ihrem Bio-Cidre bravourös, wenn auch das gleiche Fazit vornweg steht.

Dieser Cidre ist halt ein Apfelschaumwein mit dem Namen Cidre, aber nicht mit dessen Format. Dafür mit reichlich Geschmack, die den Genießer schon ins Herbstlich-Winterliche überführen: Honig, Ingwer, Lebkuchen, Gebäck – fast schon schwer wird einem die Opulenz im Mund, hat man sich doch etwas Spritziges erwartet. Gut. Nehmen wir’s als nette Überraschung. Schließlich ist ja tatsächlich Herbst. Also, ein Herbst-Apfelschaumwein, der richtig gut schmeckt. (0,75l Euro ca. 2 Euro im Supermarkt)

Der Poppige - Duc de Coeur / Cidre de Normandie

Hier hat sich ein Alkopop als Cidre verkleidet und ins Discounter-Regal gestellt. Wobei – bis Karneval ist ja noch was hin. Der Duc de Coeur-Cidre ist bei Lidl Aktionsware und zwar – sitzen Sie? – zur französischen Woche. Wann die wieder stattfindet, konnte der sehr freundliche Kundenservice nicht sagen, wir haben offenbar einen Restposten ergattert.

Steht die französische Woche aber wieder ins Haus, wird auch wieder gesuselt: Der zweiprozentige Cidre gluckert sich mit sehr leichter Perlage und goldgelber, klarer Farbe ins Glas, um dort mit seiner quietschigen Kaugummi-Art auf willige Gaumen zu lauern. Die finden kaum Aromatik, dafür zu viel süße und plörrige Klebrigkeit. Da hilft das Siegel der geschützten Herkunft auch nichts mehr. (0,75l - 1,29 Euro bei Lidl)

Viel Saft - Voelkel Apfel Cidre bio

Mehr Saft als Cidre – sehen Sie, da haben wir’s schon. Aber von vorne: Die Naturkostsafterei Voelkel ist von Haus aus – nomen es omen – eine Safterei. Viele rare Spezialitäten wie Preiselbeer- oder Sanddorn-Saft aus erster Pressung, köstliche Schorlen der Sparte Bio-Zisch und rumpelgesunde Gemüsesäfte, etwa aus samenfesten (ja, richtig gelesen) Rote-Bete-Sorten, formen ein beachtliches Portfolio; der Internet-Auftritt ist ein Vorbild an Transparenz und übersichtlicher Information.

Cidre ist das einzig alkoholische Produkt im Angebot – war da Innovationszwang im Spiel? Wollten ein paar faire Rohkostler auch mal richtig Fun haben mit wilden 2 Prozent Alkohol?

Wie dem auch sei, das mittelgelbe Apfelgetränk duftet nach mostigem Saft, bringt schon Hefe in die Nase und schmeckt auch leicht hefig. Zudem kommt der Aromeneindruck von Brotrinde, vornehmlich aber der von Apfelsaft.

Die Flüssigkeit ist hoch viskos, fließt also recht samtig über die Zunge, was in diesem Fall nicht zum Produkt passt. Durch die wenige Kohlensäure fehlt es an Spritzigkeit. Eben mehr Saft als Cidre. (0,7l - 2,19 Euro bei Basic Biosupermarkt)

Der Volltreffer - Van Nahmen Cidre mild

Hier wirkt die Kohlensäure eindeutig als das, was sie ist – ein natürlicher Geschmacksverstärker. „Kohlensäure kann einen Wein, also auch einen Apfelwein frischer und lebendiger erscheinen lassen“, erläutert Melanie Panitzke.

Der Süß-Eindruck wird dadurch abgemildert und der Schaumwein erhält Komplexität. Nochmals beeindruckt die Van-Nahmen-Qualität mit blitzsauberem Ausbau.

Der milde Cidre bringt wieder viel Frische und angenehmen Trinkfluss durch präsent-perlige Kohlensäure, süß-frischer Apfel klingt im Aromenspiel, dazu etwas Melone, ein leichter Bitterton passt ausgezeichnet in die Süß-Balance – das wirkt saftig. Im Vergleich zur trockenen Variante geht die milde deutlich mehr in die etwas altbackene Richtung, die Cidre ausmacht. Das hat Charme. (0,75l - 3,99 Euro im Supermarkt)

**Diese Produkte wurden von uns im Oktober 2016 zuletzt getestet.

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