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NRW-Bildungsministerin Gebauer„Kulturelle Bildung braucht festen Platz an Schulen“

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NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP)

Im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger spricht Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) über ihre Pläne für Bildung und Schule in Nordrhein-Westfalen – und erklärt, warum Kultur eine besondere Rolle spielt.

Frau Gebauer, Sie stellen die Bedeutung kultureller Bildung für die Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen heraus. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

Kulturelle Bildung ist für mich viel mehr als reine Wissensvermittlung im musischen Sektor oder die Ausprägung künstlerischer Fertigkeiten wie Singen, Musizieren, Malen, Schauspielern. Das gehört dazu, aber kulturelle Bildung soll in meinen Augen vor allen Dingen dazu befähigen, die eigenen Wurzeln zu ergründen, anderen Menschen offen zu begegnen, sich auf Unbekanntes einzulassen, aber auch eigene Kompetenzen neu zu entwickeln.

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Das setzt fundiertes Wissen über die europäische und deutsche Geschichte, aber auch über Recht, Religion, Tradition oder Moral voraus. Damit ist kulturelle Bildung für mich eine typische Querschnittsaufgabe für alle Schulen, in allen Fächern, für alle Altersstufen. Das haben wir im Koalitionsvertrag ausdrücklich vereinbart und wollen dies auch in den Lehrplänen systematisch verankern.

Mit welchen konkreten Projekten?

Mein Ziel ist, dass die kulturelle Bildung einen festen Platz an den Schulen hat, zum Beispiel durch Kooperationen mit außerschulischen Partnern oder in einem kulturellen Schulprofil. Bei der Kulturvermittlung allein auf Vorgaben im schulischen Curriculum zu setzen, ist nicht zielführend. Wir müssen vielmehr die Lebendigkeit und den kulturellen Wandel aufnehmen, indem wir den Schulen Raum für Kreativität und Neuerungen geben. Um dem Querschnittsgedanken bei der kulturellen Bildung noch besser Rechnung zu tragen, haben wir eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe des Kulturministeriums, des Schulministeriums und des Familienministeriums eingesetzt.

Wo liegt der spezifische Beitrag des Familienministeriums?

Bildung beginnt in der Familie: Erste Bildungseinrichtung ist der Kindergarten. Deshalb brauchen wir für die kulturelle Bildung auch die Eltern und die Erzieher im Boot. Und auch das, was die Schulen an kulturellen Neigungen wecken, bedarf der weiteren Förderung im Elternhaus. Väter und Mütter geben ja auch ihre eigenen kulturellen Erfahrungen und Werte an ihre Kinder weiter. Ich halte es für eine wesentliche Aufgabe von Schule, diese Potenziale zu fördern und zudem Lust auf Neues zu machen.

Sie haben bei Amtsantritt angekündigt, dass Sie „neue Wege wagen“ wollen. Bisher ging es vor allem um den Einsatz von Personal. Was wollen Sie inhaltlich anders machen als Ihre Vorgängerin, Sylvia Löhrmann von den Grünen?

Richtig ist, dass ich andere Akzente setzen werde als Rot-Grün. Die neue Landesregierung legt den Fokus verstärkt auf die kulturelle und die ökonomische Bildung. Ziel ist außerdem, dass alle Schüler stärker als bisher individuell gefördert werden. Diese individuelle Förderung bedeutet aber auch, dass neben den leistungsschwächeren Schülern auch besonders begabte Kinder gefördert werden müssen. Gerade die kulturelle Bildung leistet für beide Gruppen einen wertvollen Beitrag.

Worauf setzen Sie besonders?

Grundsätzlich geht es darum, sowohl Kompetenzen als auch fachliche Inhalte zu vermitteln und hier zu einer neuen Balance zu kommen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir nicht nur in der Grundschule, aber hier besonders bei den elementaren Fähigkeiten ansetzen: Lesen, Schreiben, Rechnen. Nur wenn diese Basisbildung solide ist, lässt sich darauf an den weiterführenden Schulen aufbauen. Im Bereich der kulturellen Bildung haben wir in NRW schon gute Programme wie die Initiative „Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ oder den „Kulturrucksack“.

Ich möchte aber auch die Ideen aufgreifen, die Initiativen wie „KultCrossing“ in Köln einbringen. Oft bringt es uns ja voran, die Kräfte zu bündeln und auf das gemeinsame Ziel zu konzentrieren. Wir haben zum Beispiel die „Kulturagenten für kreative Schulen“, derzeit neun an der Zahl, die an 30 Schulen als Berater und Vermittler zwischen den Schulen und verschiedenen Kulturpartnern in NRW fungieren. Vieles ist auf den Weg gebracht, aber wir müssen damit noch viel stärker in die Fläche gehen.

Das moderne Mantra aller Bildungspolitiker ist „Digitalisierung“. Die FDP hat damit im Land und Bund Wahlkampf gemacht. Das klingt vor allem technik- und effizienzorientiert.

Nein, das ist es nicht. Die Digitalisierung wird unsere Art des Zusammenlebens, des Arbeitens und der Kommunikation grundlegend verändern. Der Ruf nach mehr digitaler Bildung ist doch nicht bloß eine Frage von Hardware und Ingenieurstechnik. Gerade die neuen Medien ermöglichen und erfordern auch neue Kulturtechniken. Die können Kinder und Jugendliche aber nur erlernen und verinnerlichen, wenn auch die technischen Voraussetzungen stimmen. Daneben müssen die Jugendlichen aber wissen, wie man beispielsweise mit Facebook, Twitter und Co. nicht nur umgeht, sondern auch wie sie die Inhalte kritisch einordnen. Also, man darf das eine nicht gegen das andere ausspielen.

Ich kann das an der Arbeit von KultCrossing gut illustrieren: Jugendliche über das Medium Film an Inhalte und Themen heranzuführen, halte ich für sinnvoll, weil Filme ganz andere Zugänge und Formen der Auseinandersetzung ermöglichen als zum Beispiel das klassische Schulbuch. Ein anderes Beispiel ist das Projekt „Getanzte Mathematik“, bei dem es darum geht, die Schülerinnen und Schüler durch Bewegung für Mathematik zu begeistern.

Sie haben für Nordrhein-Westfalen „Talentschulen“ besonders in sozial benachteiligten Quartieren angekündigt. Auch dort soll die Priorität auf den MINT-Fächern – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik – liegen.

Es gibt dafür noch keine fertigen Konzepte. Wir sind gerade dabei, das Profil dieser Talentschulen zu erarbeiten. Meine Idee ist, im Rahmen eines Wettbewerbs diese Schulen zu bestimmen, die dann eine besondere Förderung erhalten. Dabei setzen wir bewusst auch auf nicht-staatliche Bildungsakteure wie Stiftungen. Unser Ziel ist, dass die ersten Talentschulen zum Schuljahr 2018/2019 ihre Arbeit aufnehmen. Sie haben Recht, dass wir zunächst einen Akzent auf die MINT-Fächer setzen wollen. Das ist aber nicht exklusiv zu verstehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die kulturelle Bildung als weiterer Schwerpunkt hinzukommt.

Vor wenigen Tagen erst haben Sie dem Gymnasium Paulinum in Münster als Gewinner des Zukunftspreises für Kulturbildung „Olymp“ der Kulturstiftung der Länder gratuliert. Schaut man sich an, wie dort in Münster das „kulturelle Schulprofil“ geschärft wird, dann folgt das doch sehr einem klassischen Kulturbegriff.

Entscheidend ist, dass die kulturelle Bildung nachhaltig im Schulleben verankert ist. Dazu tragen auch Konzerte, Schauspiel oder Musiktheater einen wichtigen Teil bei. Ich gebe Ihnen aber auch ein anderes Beispiel: Wenn der 1. FC Köln zusammen mit der Kölner SK Stiftung das Projekt „Kicken und lesen“ initiiert, ist das ein genauso verdienstvoller Beitrag zu kultureller Bildung, weil verschiedene Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen miteinander in Beziehung gesetzt werden, die sich wechselseitig bereichern.

Wie konkret?

Wir wissen, dass besonders Jungs in einem bestimmten Alter nicht so gerne lesen. In Verbindung mit dem für viele Kinder wichtigen Bereich Sport lassen sich die Widerstände abbauen und das Interesse für die zentrale Kulturtechnik des Lesens wecken. Genau das will ich als das vornehmste Ziel kultureller Bildung verstanden wissen. Wir müssen also immer fragen: Wer ist der Adressat unseres Bildungsangebots? Wie können wir ihn oder sie bestmöglich erreichen? Je vielfältiger und breiter gefächert das Angebot, desto größer die Erfolgsaussichten. Deshalb freue ich mich über die originellen und zielgruppenorientierten Ideen von Initiativen wie KultCrossing.

Wo und wie kommen bei Ihren Überlegungen die Lehrer und die Schulleiter ins Spiel?

Natürlich müssen wir auch einen Schwerpunkt auf die Aus- und Fortbildung der Lehrer setzen. Die Lehrer sind ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Vermittlung kultureller Bildung. Wenn sie für die Sache brennen, werden sie auch ihre Schüler viel eher dafür begeistern können. Genauso wollen wir, dass die Schulleiter den Bereich kulturelle Bildung im Blick haben. Das gehört zu ihrem Anforderungsprofil.

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