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Snoop Lion beim Summer JamDer Hund, der ein Löwe sein will

Lesezeit 4 Minuten
Der Moment, an dem Snoop Lion das tat, wovon er vorher schon die ganze Zeit geredet hatte...

Der Moment, an dem Snoop Lion das tat, wovon er vorher schon die ganze Zeit geredet hatte...

Snoop Dogg ist wiedergeboren. Aus dem Gangster soll auf einer Jamaika-Reise ein Rastafari geworden sein, ein qualmender Priester der Liebe, der selbst von sich behauptet, Bob Marleys Reinkarnation zu sein. Dieser Gesinnungswandel manifestierte sich am offensichtlichsten in einem Namenswechsel: Aus dem Hund wurde ein Löwe. Und Snoop Lions erstes Album lautet folgerichtig: Reincarnated. „Ich habe Rap-Songs geschrieben, die nie sterben werden“, erklärte Snoop den Wechsel. „Aber ich bin des Raps müde.“ Die Wahrheit? Ein gekonnter PR-Gag? Oder nur das nächste Kreativ-Projekt, das den Multi-Tasker reizt, wie seine Schauspieler-Karriere oder das Produzieren eines Pornofilms im Jahr 2000? Das Publikum auf dem 28. Summerjam jedenfalls, das am Freitag bei bestem Wetter auf der Insel im Fühlinger See startete, trat vielzählig den Reggae-Check vor der Hauptbühne an.

Eine der wunderbaren Besonderheiten bei Festivals ist, dass sich jeder Act sofort am Rest des Tages-Lineups messen lassen muss. Snoop Lion als finaler Headliner hatte hier von Anfang an einen schweren Stand: Zu charmant war Matisyahu, der am Ende seines Auftritts einfach das Publikum auf die Bühne bat, damit Verwirrung bei den Sicherheitsleuten auslöste (Runterschubsen oder Raufhelfen?) und inmitten Dutzender Fans weiterperformte. Zu tanzbar war Busy Signal, der die Menge mit treibendem Dancehall in einen handtuch- und fahnenschwenkenden Mob verwandelte, der willig jeden Chorus wiederholte und hüpfte, wenn Busy mit den Fingern schnippste.

Selbstfindung auf Jamaika

Um 22.40 Uhr ist schließlich Snoop Lions Zeit gekommen. Der aber lässt sich Zeit, schickt seine Crew inklusive dreier Tänzerinnen – noch mit Armee-Jacken über knappen Hot-Pants gekleidet – zehn Minuten zu spät auf die Bühne. Die wärmen das Publikum vor, ein Trailer der Dokumentation „Reincarnated“ betont noch einmal Snoop Lions Sinneswandel: Wie Snoop Dogg Mitte der 90er Jahre die Beihilfe zum Mord an Philip Woldermarian vorgeworfen wurde, dem Mitglied einer rivalisierenden Gang, Fotos aus dem Gericht, dann die Selbstfindung auf Jamaika: „von der Dunkelheit ins Licht“. Dann, endlich, ist er da und sieht tatsächlich erst einmal aus wie der qualmende Botschafter der Liebe: Bob Marley prangt mit einem riesigen Joint auf seinem Shirt, darüber hängen die unvermeidlichen Goldketten. Das Mikro funkelt silbern, auf allen Seiten verziert mit einem gekrönten Löwenkopf. Der König der Löwen ist angekommen. Nicht nur die Pling-Pling-Aufmachung aber verrät: Da steckt definitiv mehr Rap als Reggae in Snoop.

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„Give me some Pimp-music!“, lautet seine Aufforderung an die Crew – und das schon nach dem ersten Song. „P.I.M.P“ ertönt, das Postulat des Gangssterrap schlechthin, das 50 Cent und Snoop Dogg vor zehn Jahren auf die obersten Plätze der Charts katapultierte. „I’m a motherfucking P-I-M-P“, rappt der Löwe im unverkennbaren Doggy-Stil. Und plötzlich will jeder in der Menge irgendwohin: Die einen flüchten aus den ersten Reihen, hin zur anderen Bühne, andere drängen von hinten nach vorne, minutenlang wogt das Publikum von Flüchtlingsströmen, nicht vor musikalischer Begeisterung. Schließlich ist alles an seinem Platz, die Rap-Freunde stehen vorne und genießen alte Highlights wie „Drop it like it’s hot“ und „What’s my name?“. Die Reggae-Fans haben weiter hinten Stellung bezogen, ab und an fällt ja auch für sie noch ein Brocken ab. Und sehenswert ist die Show ohnehin: Grinsend, mit den Kameras flirtend, lässt sich Snoop zwischendurch Lapdances von den Tänzerinnen geben, rappt dabei aber unbeirrt lässig weiter.

Zum letzten Song tut Snoop, worüber er bis dahin nur viele Worte verloren hat: Genüsslich zündet er sich einen Joint an. Mit „Young, Wild And Free“ schenkt er dem Publikum passend dazu eine Hymne, die wenigstens zum Schluss alle wieder miteinander vereint, hier in Klein-Amsterdam: „So what we smoke weed, we’re just having fun, living young and wild and free“ ertönt aus tausend Kehlen, dazu schwenken Feuerzeuge durch die Luft. Ein Ende wie Weihnachten unter dem Tannenbaum. Den Vorwurf der Rastafari-Gemeinschaft, dass Snoop die Religion und seine Reinkarnation vor allem wegen seiner Affinität zu Marihuana wählte, entkräftet der Kölner Auftritt allerdings nicht. Dieser Löwe bleibt ein Hund. Wenn auch ein verdammt cooler.

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