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Wild, wilder, am wildestenWolfs-Mischlinge - ein gefährlicher Trend

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Optisch völlig verschieden, genetisch fast identisch: Wolf und Chihuahua

Optisch völlig verschieden, genetisch fast identisch: Wolf und Chihuahua

Auch wenn er nicht so aussieht – genetisch gesehen ist selbst ein Chihuahua noch ein Wolf. Der Unterschied in der DNA zwischen Hunden (Canis lupus familiaris) und Wölfen (Canis lupus) beträgt gerade einmal 0,2 Prozent. Vielen Menschen reicht dieses Verwandtschaftsverhältnis jedoch nicht. Sie holen sich Hunde ins Haus, in denen mehr Wolf steckt, als erlaubt ist.

Mischlinge aus Wolf und Hund liegen im Trend. Auch wenn es in der Natur nur sehr selten vorkommt: Die beiden Caniden können sich durchaus noch paaren. „Die Zahl der Wolfsmischlinge in Deutschland ist sprunghaft in die Höhe gegangen“, sagt Michael Eichhorn. Der Hundetrainer betreibt eine Hundeschule in der Pfalz und betreut außerdem ein Wolfsrudel. Er kennt sich sowohl mit dem Verhalten von Hunden und Wölfen als auch mit dem von Wolfsmischlingen aus. Wie viele solcher Mischlinge es in Deutschland tatsächlich gibt, lässt sich nicht sagen.

In Deutschland gilt für Wölfe und Mischlinge bis zur vierten Generation nach der Wolfeinkreuzung das Washingtoner Artenabkommen. Wer in Deutschland ein solches Tier halten will, muss nachweisen, dass er ein ausreichend großes Gehege und eine behördliche Genehmigung besitzt. Tatsächlich aber können das wohl nur wenige Halter von Wolfsmischlingen. „Die Tiere werden aus Übersee mit gefälschten Papieren teilweise über Holland oder Belgien eingeführt“, sagt Eichhorn. Auch wenn die Tiere oft wie ein Wolf aussehen: Man könne den Haltern nicht nachweisen, dass das Tier kein Hund ist. Selbst wenn oft bis zu 95 Prozent Wolf in einem Mischling steckt. Die genetische Ähnlichkeit zwischen Hund und Wolf ist einfach zu hoch, die Grenzen verschwimmen. Ein Gentest hilft hier also nicht weiter.

Wolfsmischlinge

Um Wolfsmischlinge zu erhalten, kreuzen die Züchter meist eine dem Wolf ähnliche Rasse wie Husky oder Schäferhund mit einem Wolf. Die Wolfseinkreuzung geschieht in der Regel in den USA oder Kanada. Entsprechend handelt es sich bei den Wölfen um amerikanische Unterarten wie den Timberwolf oder den weißen Polarwolf. Die Zucht erfolgt nach dem Motto: So viel Wolf wie möglich, so wenig Hund wie nötig, um die Tiere händeln zu können. Was dabei herauskommt, ist jedoch ein wildes Tier: „Wolfsmischlinge sind extrem scheu, sehr wenig kontrollierbar und sie sind Ausbruchskönige, die sich auch unter Zäunen durchbuddeln können“, erklärt Eichhorn. „In der Wohnung sind sie oft sehr zerstörerisch.“ Auch wenn Chihuahua und Wolf genetisch fast identisch sind – zwischen Aussehen und Verhalten der beiden liegen Welten.

Vermutlich ist es das Wilde, Ursprüngliche, das die Menschen so an Wolfsmischlingen fasziniert. „Je naturentfremdeter der Mensch lebt desto mehr will er etwas «Wildes» um sich haben“, vermutet Verhaltensforscher Günther Bloch, der in Kanada lebt und dort an Wölfen forscht. Er warnt jedoch: „Einen Wolfsmischling zu halten, erfordert viel Zeit, viel Platz und viele spezielle Kenntnisse.“ Wie wenig sich Wolfsmischlinge zum Haushund eignen, hat er selbst erfahren: Aus einem Wanderzirkus der damaligen DDR hatte er einen Wolfsmischling namens „Wölfi“ übernommen. Ein Tierschutzfall. Bloch hatte eine behördliche Genehmigung erhalten, den Mischling aus Deutschem Schäferhund und Osteuropäischem Wolf halten zu dürfen. Bis zum Alter von etwa zwei Jahren hatte er mit dem Tier kaum Probleme. Das Verhältnis war ähnlich wie das zu seinen Hunden. „Mit der Geschlechtsreife wurde er immer eigensinniger, zeigte eine starke Futter- und Beuteverteidigung“, berichtet Bloch. „Wir haben ihn dann in einem großen Gehege gehalten, bis er knapp elf Jahre alt war und an Krebs verstorben ist.“

Auch Michael Eichhorn hat schon einen Wolfsmischling von einer überforderten Halterin übernommen – und ihn schließlich einschläfern lassen, weil das Tier nicht händelbar war. Auch für die Tiere sei die Haltung im Haus Quälerei, sagt Eichhorn. „Sie stehen ständig unter Stress.“

Ansehen von Wölfen

Michael Eichhorn bemüht sich, das Ansehen von Wölfen in Deutschland zu rehabilitieren. Und fürchtet, dass die hier lebenden Wolfsmischlinge den Europäischen Wolf verunglimpfen, der sich in Deutschland erst vor einigen Jahren wieder ansiedeln konnte. Aufgrund ihrer Nähe zum Menschen seien Wolfsmischlinge nämlich gefährlicher als freilebende Wölfe. Während sich die in Freiheit lebenden Tiere von den Menschen fernhielten, hätten die Mischlinge zwar die Scheu vorm Menschen verloren, weil sie in seiner Nähe aufgewachsen sind. Sie seien aber immer noch Beutegreifer – eine gefährliche Kombination. Es komme deshalb immer wieder zu Unfällen mit solchen Tieren, weil etwa Kinder aus dem Beuteschema heraus angefallen werden. „Das schadet dem Ansehen der Wölfe enorm“, sagt Eichhorn. „Wolfsgegner haben dadurch jederzeit Munition, weil solche Tiere Schafe gerissen haben oder Haustiere töten. Das wird natürlich den Wölfen zur Last gelegt.“ Zumal sich Wolfsmischlinge, wenn sie von überforderten Haltern ausgesetzt werden, mit wilden Wölfen mischen und so den Europäischen Wolf verdrängen könnten.

Ein felidaesches Gegenstück zum Wolfsmischling ist die Savannah – ein Mix aus afrikanischem Serval und Hauskatze. Sie kann bis zu zwölf Kilo schwer und einen halben Meter groß werden. Bis zur fünften Generation dürfen auch sie nicht einfach in der Wohnung gehalten werden. Die „Bengal“ gilt mittlerweile als eigene Hauskatzenrasse, sofern sie nicht mehr mit einer wilden asiatischen Bengalkatze rückgekreuzt wurde. Schon die Entstehungsgeschichte ist Tierschützern allerdings ein Dorn im Auge: Bei der Paarung mit dem Wildtier können die Katzen verletzt oder getötet werden. Außerdem haben die Tiere einen höheren Bewegungsdrang und Jagdtrieb. Wird der nicht befriedigt, leidet das Tier – ebenso wie die Wohnungseinrichtung.

Seit schätzungsweise 30000 Jahren versucht der Mensch, Rassen hervorzubringen, die angepasst sind an das Zusammenleben zwischen Mensch und Hund. Mehr Hund und weniger Wolf zu züchten. Wird ein Hund mit einem Wolf gekreuzt, sind damit 30 000 Jahre Zuchterfolg zunichte gemacht. „Hunde sind so gezüchtet, dass sie ihr Leben lang im Jugendstadium bleiben.“ Wölfe und Wolfsmischlinge dagegen würden erwachsen – und beginnen dann im Gegensatz zum Hund, die Rangordnung infrage zu stellen. „Ein Hund passt sich dem Menschen an. Wer einen Wolfsmischling hat, muss sich ihm anpassen“, sagt der Hundeexperte.

Ab der fünften Generation

Ab der fünften Generation nach der Einkreuzung eines Wolfes gelten die Mischlinge als Hund und können legal gehalten werden. Allerdings warnt Michael Eichhorn: „Auch in der sechsten Generation können die Tiere bei entsprechender Züchtung noch sehr viel Wolf in sich haben.“ Auch in Deutschland gibt es Züchter, die Wolfshunde zum Verkauf anbieten. Wie viel Wolf in den Tieren steckt, ist dabei nicht ganz klar – und soll Eichhorn zufolge auch bewusst im Verborgenen bleiben, damit die Züchter rechtlich nicht angreifbar sind. „Die haben ihre Codes, um potenziellen Käufern mitzuteilen, wie viel Wolf in ihrer Nachzucht steckt“, sagt Eichhorn. Je wolfsähnlicher der Mischling ist, desto teurer kann er verkauft werden. Ein Tier mit hohem Wolfsanteil kann bis zu 8000 Euro kosten.

Dabei gibt es auch ganz legale „wölfische“ Hunderassen wie den Tschechoslowakischen Wolfshund, bei dem die letzte Einkreuzung eines Wolfes in den 80er Jahren geschah. Und bereits in den 1920 Jahren begann der Niederländer Leendert Saarloos damit, Deutsche Schäferhunde mit Wölfen rückzukreuzen, weil er die modernen Hunde degeneriert und krankheitsanfällig fand. Er wollte einen besseren Gebrauchshund schaffen. Das Ergebnis war enttäuschend, da die Nachkommen sich aufgrund des wölfischen Wesens nicht als Gebrauchshunde eigneten. Den Saarloos-Wolfhund gibt es jedoch noch heute als Hunderasse. Die Tiere haben einen starken Jagdtrieb und sind eher scheu und misstrauisch. Außerdem bellen sie nur selten, sondern Jaulen und Heulen. Ihre Haltung ist legal. Ob er als Haushund geeignet ist, hängt vor allem vom Halter ab, sagt Wolfsforscher Bloch: „Manche Menschen kommen auch mit einem Dackel nicht klar.“

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