Gay GamesDie Geschichte einer Pleite

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Annette Wachter und Michael Lohaus (Bild: privat)

Annette Wachter und Michael Lohaus (Bild: privat)

Köln – Neun Monate nach der Schlussfeier haben sie für die Gay Games Cologne gGmbH beim Amtsgericht Insolvenz anmelden müssen, nun schwanken Geschäftsführerin Annette Wachter und Co-Präsident Michael Lohaus vom mit veranstaltenden Verein SC Janus zwischen Wehmut und Wut.

Die Weltsportspiele der Schwulen und Lesben mit 10 000 Breitensportlern aus aller Welt und Zehntausenden Besuchern waren 2010 ein Erfolg – zumindest, was Resonanz, Werbeeffekt, Stimmung und Sportsgeist angeht. Laut Köln-Tourismus bescherten die Spiele der Stadt gar den besucherstärksten August ihrer Geschichte. Doch der finanzielle Ausgang ist kein glücklicher. 200 000 Euro fehlen, um offene Rechnungen von rund 25 Gläubigern zu begleichen.

Profesionelle Strukturen fehlten

„Ja, wir haben Fehler gemacht“, gesteht Geschäftsführerin Annette Wachter . „Als während der Spiele die Merchandising-Artikel wegen der großen Nachfrage ausgingen, haben wir nachbestellt. Doch das war zu spät. Wir blieben auf den T-Shirts, Jacken und Kappen sitzen.“ Auch logistisch würden sie heute einiges anders machen. So sei etwa die Ausgabe von Material nicht durchgängig abgezeichnet worden, was Diebstähle begünstigt habe. Aber auch sonst sind Computer, Funkgeräte, Bierbänke und sogar Fahnenmasten für einen fünfstelligen Betrag entwendet worden. „Wir hätten professionellere Strukturen gebraucht“, sagt Wachter. Einige Bereiche wie Marketing und Sport hätten früher hauptamtliche Angestellte erfordert.

So war die Großveranstaltung zwar sieben Jahre lang mit professioneller Beratung vorbereitet worden. Doch letztlich wurden nur zehn feste Stellen geschaffen – zu wenige, trotz des großen Einsatzes ehrenamtlicher Helfer.

Nun fühlen sich Wachter und Lohaus im Stich gelassen. Sponsoren hätten sich zurückgezogen, nachdem sie zuvor noch in Gegenwart „hochrangiger Politiker per Handschlag Zusagen gemacht hatten“, berichtet Lohaus. Schriftstücke seien auf „merkwürdige Weise abhanden gekommen“, Emails angeblich nie angekommen. Schließlich gab die Stadt Köln 105 000 Euro – verteilt über drei Jahre.

Zu wenig Teilnehmer

Gleichzeitig blieb die Teilnehmerzahl unter den Erwartungen, ohne dass es für die Kölner Ausrichter möglich gewesen wäre, darauf zu reagieren. 35 Sportarten waren laut Statuten des Lizenzgebers Federation of Gay Games (FGG) verpflichtend. Auch nur eine Disziplin abzusagen, ließ der Vertrag mit dem Weltverband nicht zu. Heute bereut Wachter, das Papier in der Form unterschrieben zu haben.

Es sind nicht die ersten Gay Games, die finanziell Schiffbruch erleiden. Sowohl Amsterdam als auch Sydney schlossen als Ausrichtungsstädte mit einem Millionen-Defizit ab. Kopenhagen zum Beispiel konnte die Kosten zwar decken, allerdings auch nur mit öffentlicher Hilfe in Höhe von rund fünf Millionen Euro. Es gehe inzwischen nicht mehr um den Wettkampf, sondern die Vermarktung einer Region. Lohaus: „Vielleicht war unser größter Fehler, dass wir eine Sportveranstaltung machen wollten.“

In Köln sollen während der neun Tage mindestens 23 Millionen Euro geblieben sein, „allein an Übernachtungen und Ausgaben in der Gastronomie“, ermittelte Michael Lohaus anhand einer Hochrechnung nach einer Befragung der Besucher. „Geld geflossen ist genug. Nur verdient haben will keiner was.“

Annette Wachter, die für die Finanzen verantwortlich zeichnet, hatte das Budget bereits von zehn auf vier Millionen Euro gekürzt, als sich die Weltwirtschaftskrise bemerkbar machte. „Und selbst das war immer noch ein Risiko.“ Allein 300 000 US-Dollar Lizenzgebühren bekam die amerikanische FGG. Eine ähnlich hohe zweite Rate – abhängig von der Höhe der Teilnehmergebühren – wurde vorsichtshalber nicht bezahlt. Dies sollte nach den Spielen erfolgen.

Für Lohaus war es „wohl das letzte Mal, dass ein Sportverein eine Veranstaltung dieser Größe allein gestemmt hat“. Wachter: „In Zukunft muss da die Stadt oder die Region als verantwortlicher Veranstalter mit rein. Sie profitiert ja auch davon.“ Eine Machbarkeitsstudie war zu dem Ergebnis gekommen, dass das neuntägige Sportereignis für die hiesige Wirtschaft 43,7 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz einbringen würde. „Alle haben die Vorzüge gern mitgenommen“, so Lohaus, „aber Verantwortung übernommen hat bis auf ein paar treue Szenewirte kaum einer“. Und mit manchen Leuten der FGG-Verbände möchten beide „nie mehr etwas zu tun haben“. Sie hatten die Organisatoren als Nazis beschimpft oder sie mit abstrusen Forderungen bei der Durchführung von kleinen Sportarten bedrängt.

Den Spaß der Zuschauer und Teilnehmer am Sport und die vielen neuen Freunde in aller Welt, die Köln jetzt habe, könne ihnen jedoch niemand nehmen. „Die Spiele sind für uns nach wie vor ein Erfolg“, schließen Lohaus und Wachter ihre ernüchterte Bilanz. „Und darauf wollen wir auch wieder stolz sein können.“

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